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Potenzial von Papier in der Kunststoff-Branche

Im Jahr 2022 wurden weltweit rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff produziert, wovon ungefähr 40 Prozent für Verpackungen eingesetzt wurden (Quelle: Plastics Europe, 2023). Gesetzgeber und auch Konsumentinnen und Konsumenten fordern jedoch vermehrt Produkte ohne herkömmliche Kunststoffe und mit höheren Recyclingquoten.
Vom Papier über Pulp und Granulat zum Spritzgussbauteil (Bilder: IWK)

Im Jahr 2022 wurden weltweit rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff produziert, wovon ungefähr 40 Prozent für Verpackungen eingesetzt wurden (Quelle: Plastics Europe, 2023). Gesetzgeber und auch Konsumentinnen und Konsumenten fordern jedoch vermehrt Produkte ohne herkömmliche Kunststoffe und mit höheren Recyclingquoten.

Autoren: Prof. Daniel Schwendemann, Luca Keller, Sarah Grimm, alle IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung, OST Ostschweizer Fachhochschule; Prof. Bruno Bürgisser, Johannes Konrad, iRAP Institut de Recherche Appliquée en Plasturgie, HEIA-FR / HES-SO Fachhochschule Westschweiz

Die Kunststoffindustrie steht vor der Herausforderung nachhaltigere Alternativen zu herkömmlichen Kunststoffen zu finden. Diese Entwicklung wird hauptsächlich durch Regulatorien von Gesetzgebern gefordert und angetrieben. So werden beispielsweise Recyclingquoten für Verpackungen definiert, Steuern auf Kunststoffverpackungen erhoben oder die Verwendung von Kunststoff für bestimmte Einwegprodukte verboten. In diesem Kontext gewinnt Papier als Werkstoff zunehmend an Bedeutung und könnte langfristige Perspektiven für die Kunststoffindustrie eröffnen. Der Ersatz von Kunststoffen durch papierbasierte Materialien für definierte Bauteile ist jedoch nicht trivial, da üblicherweise sowohl die Verarbeitungsprozesse als auch die Materialeigenschaften unterschiedlich sind.

Auf Basis dieser Ausgangslage hatte das Swiss Plastics Cluster das Gemeinschaftsprojekt mit dem Namen «P3I» initiiert, welches von den beiden Instituten IWK (OST Ostschweizer Fachhochschule) und iRAP (HEIA-FR, HES-SO Fachhochschule Westschweiz), sowie zusammen mit elf Industriepartnern durchgeführt wurde. Folgende Schwerpunkte sollten dabei untersucht werden, inwiefern papierbasierte Materialien auf dem Markt mit herkömmlichen Verarbeitungsprozessen und Werkzeugen der Kunststoffindustrie verarbeitet werden können und welche Rahmenbedingungen in Bezug auf rechtliche und technologische Entwicklungen dabei berücksichtigt werden müssen.

Ein grundlegender Faktor dafür, wieso papierbasierte Materialien für das Projekt gewählt wurden, ist deren Kreislauffähigkeit, wie sie in der Abbildung unten dargestellt ist. Papier ist biologisch abbaubar und stammt aus einer nachwachsenden Quelle (grüner Kreislauf). Ausserdem lassen sich die Fasern rezyklieren und zu neuen Produkten verarbeiten (blauer Kreislauf). Das Recycling von Papierfasern ist bereits in vielen Ländern im Rahmen von Altpapier und Altkarton etabliert und nimmt deutlich weniger Zeit in Anspruch als der biologische Kreislauf. Aus diesen Gründen lag ein Fokus des Projekts darauf, für den Papierstrom geeignete Materialien zu verwenden. Die Machbarkeitsstudie wurde im Rahmen der neuen Regionalpolitik (NRP) vom Kanton Freiburg gefördert.

Ziel des Projekts: Die Verarbeitung von papierbasiertem Material, das für den bestehenden Papierkreislauf (blau) geeignet ist.

Papier statt Kunststoff – geht das?

Im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Kunststoffen basiert Papier auf einer nachwachsenden Quelle und ist sowohl biologisch abbaubar als auch rezyklierbar. Für das Recycling im Altpapier ist zentral, dass sich die entsorgten Produkte während dem Recyclingprozess mit den aktuellen Parametern und Maschinen im Wasser lösen und zu Pulp verarbeiten lassen. Genauere Vorgaben für die Entsorgung und die allgemeine rechtliche Situation kann jedoch von Land zu Land variieren und ist oftmals nicht klar definiert.

In einer fundierten Recherche zu den Vorgaben, Entwicklungen und verfügbaren papierbasierten Materialien, konnten verschiedene geeignete Werkstoffe gefunden werden. Eine Auswahl davon wurde in unterschiedlichen Verarbeitungsprozessen der Kunststoffindustrie (Spritzgiessen, Extrusion, Thermoformen) erfolgreich getestet und verarbeitet. Dabei konnte auf das spezifische Know-how und den Maschinenpark der beiden Institute IWK und iRAP zurückgegriffen werden.

Mit den durchgeführten Versuchen konnte aufgezeigt werden, dass papierbasierte Materialien für die Kunststoffindustrie ein grosses Potenzial bergen. Die Verarbeitung solcher Werkstoffe ist grundsätzlich mit den herkömmlichen Verarbeitungsprozessen möglich. Kunststoffbauteile können durch papierbasierte Materialien ersetzt werden, ohne dass in neue Maschinen investiert werden muss. So konnten beispielsweise Spritzgussbauteile (siehe Aufzugsbild) auf konventionellen Spritzgiessmaschinen mit bestehenden Werkzeugen gefertigt werden. Die Versuche haben aber auch aufgezeigt, dass das charakteristische Fliessverhalten der papierbasierten Materialen bei der Auslegung der Bauteilgeometrie und der Werkzeuge zu berücksichtigen ist und die Verarbeitungsparameter anzupassen sind. Die Umsetzung für spezifische Bauteile und Anwendungen wird nun in Folgeprojekten angegangen.

Projektpartner

Bachmann Forming AG, Bloom Biorenewables, Caran d’Ache, Geberit International AG, medmix Switzerland AG, Netstal Maschinen AG, Omya International AG, Packsys Global AG, Sonova Communications AG, Trisa AG, Wago Contact SA

Projektförderung

Neue Regionalpolitik (NRP) Kanton Freiburg

Kontakt

Prof. Dipl.-Ing. Daniel Schwendemann,
IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung
OST Ostschweizer Fachhochschule
daniel.schwendemann@ost.ch
www.ost.ch/iwk

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