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Mit Smart Services zu mehr Nachhaltigkeit

Mit datengetriebenen Services können industrielle Unternehmen messbaren Nutzen für ihre Kunden, Partner und sich selber schaffen. Gleichzeitig haben diese Services aber auch das Potenzial für ökologischen Nutzen, z.B. durch optimierte Prozesse in Betrieb oder Logistik. Damit dies ermöglich wird, müssen ökonomische und ökologische Ziele beim Design der Services gezielt und kombiniert erfasst werden.
Kunden-Lebenszyklus (Bilder: ZHAW)

Mit datengetriebenen Services können industrielle Unternehmen messbaren Nutzen für ihre Kunden, Partner und sich selber schaffen. Gleichzeitig haben diese Services aber auch das Potenzial für ökologischen Nutzen, z.B. durch optimierte Prozesse in Betrieb oder Logistik. Damit dies ermöglich wird, müssen ökonomische und ökologische Ziele beim Design der Services gezielt und kombiniert erfasst werden.

Autoren: Jürg Meierhofer, Dr. sc. techn. ETH, Executive MBA iimt, Melissa Stucki, BSc Wirtschaftsingenieur ZHAW, Cand. MSE Data Science, beide an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

Intelligente Dienstleistungen (Smart Services) für Produktionsumgebungen schaffen nachweislich einen wirtschaftlichen Wert für die Akteure in einem industriellen Business-Ökosystem. Für die Anbieter kann das Servicegeschäft (z.B. Leistungsoptimierung, intelligente Wartung, Beratung) das Produktgeschäft um neue Umsatzquellen erweitern. Sie differenzieren sich im Markt und können somit höhere Margen erzielen. Zudem erreichen sie über den Kunden-Lebenszyklus wiederkehrende und stabilere Cashflows und eine höhere Kundenbindung. Die Kunden erhalten einen zusätzlichen Nutzen durch verbesserten Output ihrer Produktions-Anlagen und geringere Risiken.

Jürg Meierhofer
Melissa Stucki

Mit herkömmlichen Services wird den Kunden eine erbrachte Leistung gegen Bezahlung des Aufwandes versprochen (z.B. eine Anzahl Service-Einsätze, eine Anzahl Wartungsstunden oder eine Anzahl Ersatzteile) und nach kosten­basierten Ansätzen verrechnet. Mit neuen Smart Service Modellen erfolgt der Übergang zu sogenannten output­orientierten Services. Den Kunden wird die erzielte Leistung garantiert und zu einem Fixpreis verrechnet. Der garantierte Output kann sich zum Beispiel auf eine Verfügbarkeit beziehen oder auf eine Stückzahl pro Zeit. Können die Anbieter die garantierte Leistung dann doch nicht erbringen oder haben sie dafür mehr Aufwand als geplant, sind Umsatzeinbussen oder Strafzahlungen sowie sinkende Margen die Folge. Das führt dazu, dass Anbieter hohe Anreize haben, ihre Service-Leistungen effizient, mit einer im ersten Anlauf genügenden Qualität («first time right») und fehlerfrei zu erbringen. Insgesamt findet ein Risiko-Transfer von den Kunden zu den Anbietern statt, der natürlich mit den anfangs genannten strategischen Vorteilen für die Anbieter kompensiert wird.

Smart Services als Enabler für mehr Nachhaltigkeit

Darüber hinaus haben Smart Services das Potenzial, ökologischen Wert zu schaffen, z. B. durch bessere Wartung der Kundenanlagen, die zu einer besseren Energie- und Ressourcennutzung führt. Dieser ökologische Effekt wird am besten mit den oben erwähnten outputorientierten Service-Modellen erreicht. Denn wenn die Kunden einfach einen Fixpreis für die erreichte Leistung bezahlen, wird für die Anbieter der Einsatz von Materialien und Energie zu einem Kostenfaktor, den sie somit aus Eigeninteresse minimieren möchten. Service- und Logistikkosten sowie Stillstandszeiten von Maschinen werden reduziert, die Energieeffizienz erhöht und die Betriebsdauer verlängert.

Smart Services gelten als einer der am besten geeigneten Ansätze für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Sie helfen den Unternehmen, ihre Verantwortung im Bereich der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit wahrzunehmen, indem sie mehr in Form von langfristigen Lösungen denken. Somit müssen ökonomischer und ökologischer Wert nicht als zwei entgegengesetzte Ziele behandelt werden.

Der ökologische Nutzen von Smart Services im Kunden-Lebenszyklus

Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Informationsfluss entlang des Lebenszyklus des Produkts gelegt. Wir verwenden für den Lebenszyklus ein Modell mit vier Lebenszyklusphasen, wobei die Phase „Initiate“ den Vorverkauf inklusive Produktberatung darstellt, „Expand“ die Phase, in der sich der Kunde mit der neuen Anlage vertraut macht und noch nicht die volle Leistung erzielt, „Stabilize“ die potenziell viele Jahre dauernde Phase, in der die Anlage betrieben wird und Werte schafft, aber auch gewartet werden muss. In der Phase „Terminate“ möchte der Kunde die Anlage aufgeben. Smart Services zielen hier darauf ab, Material oder Komponenten wiederzuverwerten oder sogar den Kunden zum Weiterbetrieb der Anlage zu motivieren (Lifetime Erweiterung).

Services zur Optimierung der Effizienz einer Anlage einschliesslich optimierter Wartung kommen entlang des ganzen Lebenszyklus’ zum Einsatz. Die ökologische Wirkung wird generell durch eine Steigerung der Effizienz in den Prozessen und Anlagen, eine Verlängerung der Lebensdauer des Materials bzw. das Schliessen des Kreislaufs (Stichwort: Zirkulärwirtschaft) erreicht.

Von Bedeutung sind insbesondere Dienstleistungen, die auch und in erster Linie den wirtschaftlichen Nutzen der Anbieter und der Kunden verbessern (z. B. mehr Leistung pro Zeit oder geringere Betriebskosten), die das Kundenerlebnis verbessern (z. B. durch weniger, kürzere oder vermiedene Ausfälle) und folglich den Material- und Energieverbrauch senken (z. B. durch verringerte oder vermiedene Reisen für Wartungen, durch mehr Leistung pro Material- oder Energieeinsatz). Dies wird z. B. durch vorausschauende Wartung erreicht. Konkrete Beispiele für den ökonomischen und ökologischen Nutzen in den vier Phasen sind in der Tabelle beschrieben.

PhaseÖkonomischer NutzenÖkologischer Nutzen
InitiateMit Vorwissen (aus Daten) über die Kundenbedürfnisse gezielte Angebote unterbreiten und somit erhöhte Verkaufschancen und geringere AkquisitionskostenUnnötige Reisen und andere Logistikkosten vermeiden durch gezieltere Kundenakquise
ExpandHöhere Leistung durch gezieltes Training für den Kunden auf Basis von Daten, steilere LernkurveWeniger Materialverlust und Ausschussteile dank steilerer Lernkurve
StabilizeVerbesserung der Performance für die Kunden durch Smart Services (u.a. Leistungs-Optimierung, zustandsabhängige oder vorausschauende Wartung, Fernwartung, Maschinen-Überwachung)Weniger Materialverlust und Ausschussteile dank optimierter Wartung. Weniger Reisen zum Kunden und weniger Logistikaufwände
TerminateUpgrading / Lifetime-Erweiterung / Kundenbindung auf Basis von Informationen (Daten) über das BenutzungsverhaltenErhöhung der Langlebigkeit des Materials,
3 R-Strategien (reduce, reuse, recycle)
Ökonomischer und ökologischer Nuten durch Smart Services in den Phasen des Kundenlebenszyklus’

Die besondere Bedeutung von Fernwartung

Grossen Nutzen bei überschaubaren Kosten bringt Fernwartung (s. Bild, rechts). Dabei wird der Zustand einer Anlage bei Kunden über das IoT (Internet of Things) beobachtet. Tritt ein Zustand ein, welcher Aktionen auf der Anlage erfordert (z.B. die Anpassung einer Drehzahl oder die Aktivierung von Software Updates), kann dies von einer spezialisierten Fachperson des Anbieters direkt und ohne Zeitverzögerung ausgeführt werden. Falls vor Ort beim Kunden manuelle Eingriffe erforderlich sind (z.B. ein Nachfüllmaterial oder eine mechanische Umstellung), kann die Fachperson beim Anbieter eine weniger geschulte Person beim Kunden in einem Videocall anleiten. Dabei kann auch eine normale Videocall-Einrichtung auf einem Mobilgerät genügen, wenn fortgeschrittene Geräte (z.B. Brillen für Augmented Reality, AR) nicht verfügbar sind.

Am Ende des Lebenszyklus spielen Smart Services zur Verlängerung der Lebensdauer einschliesslich Produktauffrischung (refurbishment) eine wichtige Rolle. Basierend auf den Einblicken in die Geräte mittels der IoT-Infrastruktur und der Datenanalyse können z.B. einzelne Komponenten aufgerüstet, überholt oder ersetzt werden, um die Lebensdauer des gesamten Geräts zu verlängern und so mehr Ertrag aus den materiellen und finanziellen Ressourcen zu erzielen. Darüber hinaus können Komponenten, Teile oder Rohmaterial durch gezielte und spezifische Dienstleistungen für die Rückwärtslogistik zur Wiederverwendung recycelt werden.

Vermeidung von Reisen für Wartungseinsätze durch Fernwartung.

Die Fernwartung hat somit gleich dreifachen Nutzen: 1. Sie bringt den Kunden eine schnellere Lösung, als wenn die Anbieter – wie im klassischen Wartungsmodell – zu den Kunden reisen (Bild links). 2. Sie spart Kosten für Kunden und Anbieter durch kürzere Prozesszeiten und Vermeidung von Reisen. 3. Sie reduziert dadurch die ökologischen Kosten des Service Einsatzes.

Diskussion und Ausblick

In diesem Artikel haben wir diskutiert, wie sich mit Hilfe von Smart Services ökonomische und ökologische Wertschöpfung kombiniert erreichen lassen. Der Kundenlebenszyklus ermöglicht eine differenzierte Einbeziehung der verschiedenen Treiber für Nutzen und Wirkungen. Bei einer Bewertung der Services muss berücksichtigt werden, dass Entwicklung und Betrieb der Dateninfrastruktur für die Services (Sensoren, Aktoren, IoT, Cloud, Datenanalyse etc.) auch ökonomische und ökologische Kosten verursachen. Die Gestaltung von Smart Services, welche an der sogenannten «Triple Bottom Line» (ökonomische, ökologische und soziale Ziele) einen positiven Beitrag leisten, ist daher nicht trivial und erfordert eine systematische Vorgehensweise.

Kontakt

Dr. Jürg Meierhofer
Institute of Data Analysis and Process Design (IDP) an der ZHAW
CH-8401 Winterthur
juerg.meierhofer@zhaw.ch
www.zhaw.ch/idp

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