Am IWK können mittels Lösungsausfällung neue Kunststoffpulver für das Selektive Lasersintern (SLS) hergestellt werden.
Von Simon Grimm, wissenschaftlicher Mitarbeiter, IWK, und Dr. Daniel Omidvarkarjan, Leiter Fachbereich 3D Printing / Additive Manufacturing, IWK
Das Selektive Lasersintern (SLS) ist ein etabliertes additives Fertigungsverfahren für die Herstellung von funktionalen Bauteilen mit hervorragenden mechanischen Eigenschaften kombiniert mit einer hohen Designfreiheit. Beim SLS-Prozess wird eine gleichmässige Pulverschicht über die Bauplattform verteilt, gefolgt von einem selektiven Belichten definierter Flächen mittels CO2-Laser. Diese belichteten Bereiche schmelzen Schicht für Schicht zusammen und erzeugen das fertige Bauteil. Das SLS-Verfahren arbeitet in einem erhöhten Temperaturbereich, dem sogenannten Prozessfenster, welches optimale Fusionsbedingungen gewährleistet und ein Verziehen (sog. Curling oder Warping) verhindert.
Die industrielle Verbreitung des SLS-Verfahrens ist unter anderem durch die limitierte Materialauswahl stark eingeschränkt. Die Pulver müssen spezifische Eigenschaften aufweisen, wie eine enge Partikelgrössenverteilung, hohe Fliessfähigkeit und geeignete rheologische sowie optische Eigenschaften. Obwohl Polyamide mit über 90% Anteil den SLS-Markt dominieren, besteht eine wachsende Nachfrage nach alternativen Polymeren zur Erweiterung industrieller Anwendungen. Die Entwicklung neuer SLS-Pulver ist jedoch aufgrund der komplexen Kombination von geforderten intrinsischen (thermischen, optischen, rheologischen) und extrinsischen (Partikel und Pulver) Polymereigenschaften eine Herausforderung.
Das Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung (IWK) befasst sich intensiv mit dem SLS-Prozess und arbeitet an der Entwicklung neuer Materialien, um die bestehenden Einschränkungen zu überwinden.
Kunststoffpulver mit einstellbaren Eigenschaften
Am IWK wurde eine Prozesskette für die Herstellung von massgeschneiderten Kunststoffpulvern mittels TIPS (Thermally Induced Phase Separation) aufgebaut. Mithilfe eines Hochdruckreaktors (Bild 1) können Polymere in Kombination mit geeigneten Lösungsmitteln als sphärische Pulver ausgefällt werden. Die Messung der Partikelgrössenverteilung, REM-Aufnahmen oder DSC-Messungen geben direkt Rückschlüsse bezüglich des Einflusses der Fällungsparameter. Die Verarbeitung der Pulver im SLS-Prozess kann am IWK mit verschiedenen SLS-Forschungsmaschinen evaluiert werden (Bild 2).
Das TIPS-Verfahren ermöglicht die gezielte Beeinflussung der Pulvereigenschaften durch Anpassung verschiedener Prozessparameter (Bild 3). Die folgenden Fällungsparameter führen zu einer Veränderung der Partikelgrösse, Partikelform oder der Kristallinität des Polymerpulvers:
Konzentration von Polymer zu Lösungsmittel: Eine höhere Polymerkonzentration führt in der Regel zu grösseren Partikeln.
Zeit-Temperatur-Verlauf: Eine direkte Abkühlung führt zu anderen Partikeleigenschaften als eine isotherme Abkühlung mit Haltetemperatur.
Rührgeschwindigkeit: Höhere Rührgeschwindigkeiten erhöhen die Scherkräfte, was die Partikelgrösse und -form beeinflusst. Eine weitere Konsequenz ist die erhöhte Kollision von Partikeln, was zu grösseren Partikeln oder Agglomerationen führen kann.
Das TIPS-Verfahren
Neben dem kryogenen Mahlen, der Schmelzemulgierung oder der Sprühtrocknung ist das TIPS-Verfahren – also die Herstellung von Polymerpulver mittels Lösungsausfällung – eine der gängigsten Methoden zur Herstellung von Pulvern mit optimierten Eigenschaften für den Einsatz im SLS.
Im Gegensatz zu mechanischen Verfahren erzeugt TIPS runde Polymerpartikel durch Auflösung und anschliessende Ausfällung aus sogenannten moderaten Lösungsmitteln. Diese Lösungsmittel sind bei Normalbedingungen (Raumtemperatur & Atmosphärendruck) schlechte Lösungsmittel, werden jedoch bei erhöhten Temperaturen zu guten Lösungsmitteln für das jeweilige Polymer. Im TIPS-Prozess wird das Polymer durch Erhitzen vollständig im Lösungsmittel gelöst, um ein homogenes System zu bilden. Anschliessend wird die Lösung kontrolliert abgekühlt, was zu einer Emulsion führt. Bei niedriger Polymerkonzentration besteht die Emulsion aus polymerreichen Tröpfchen in einer polymerarmen Umgebung. Durch weiteres Abkühlen überschreitet das Polymer in diesen Tröpfchen seine Sättigungsgrenze und fällt aus. Die Grösse der entstehenden Pulverpartikel hängt von der Grösse der Tröpfchen ab.
Komposit-Pulver, amorphe Polymere und mehr
Das TIPS-Verfahren eröffnet neue Möglichkeiten zur Herstellung innovativer Polymerpulver, wie beispielsweise PP, PET, teilkristallines PC, umhüllte Komposit-Pulver, Biokunststoffe oder Hochleistungskunststoffe wie PEI oder PEEK.
Durch die Zugabe von Additiven wie Glaskugeln oder Kurzfasern können Komposit-Pulver mit gezielt angepassten mechanischen Eigenschaften hergestellt werden. Diese Additive fungieren als Nukleationskeime und werden im TIPS-Prozess umhüllt (Bild 4). Dadurch wird eine gleichmässige Verteilung der Füllstoffe gewährleistet, die sich im Vergleich zu Dry-Blends nicht entmischen kann. Die Herstellung von Komposit-Pulvern lässt sich auf eine Vielzahl von Additiven ausweiten, darunter Kurzfasern, Metalle, Flammschutzmittel, resorbierbare Materialien und Farbpigmente.
Ein weiterer bemerkenswerter Effekt bei der Ausfällung von Polymeren im TIPS-Prozess ist die gezielte Anordnung derer Molekülketten. Dadurch lässt sich aus amorphen Ausgangsmaterialien ein teilkristallines Pulver erzeugen, was für den SLS-Prozess erhebliche Vorteile bietet.
Grosses Potenzial für verschiedenste Anwendungen
Die durch TIPS hergestellten Polymerpulver bieten auch Potenzial für Anwendungen ausserhalb der additiven Fertigung, beispielsweise in der Beschichtungstechnik oder in der Verbindungstechnik. Das IWK ist offen für neue Projektideen und sucht nach spannenden Anwendungsfeldern für diese Technologie. Kontaktieren Sie uns mit Ihrer Projektidee!
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