Die Kreislaufwirtschaft ist ein Thema, das schon länger aktuell ist und mit den zunehmenden Energie- und Rohstoffpreisen an Bedeutung gewinnt. Nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Gründe, beispielsweise die Ressourcenknappheit und die Bepreisung des CO2-Fussabdrucks, sind Treiber für die Kreislaufwirtschaft.
Autoren: Prof. Daniel Schwendemann, Sarah Rickenbacher, beide IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung, OST Ostschweizer Fachhochschule, Rapperswil-Jona
Die Schweiz verbraucht aktuell die Ressourcen von knapp drei Erden, der sogenannte Overshoot Day war in diesem Jahr am 13. Mai (berechnet vom Global Footprint Network). Damit dieses Datum weiter nach hinten verschoben werden kann, müssen verschiedene Massnahmen ergriffen werden. Eine wichtige davon ist, dass die Wirtschaft vom linearen Denken wegkommt und vermehrt zirkuläre Produkte eingeführt und genutzt werden. Was aktuell häufig in der Betrachtung etwas ausser Acht gelassen wird, ist, dass bei gleicher Entwicklung der Wirtschaft und Bevölkerung wir bis 2050 unseren Rohstoffeinsatz noch einmal verdoppeln werden und dies kann unsere Erde nicht mehr leisten. Wir müssen unsere Wertschöpfung vom Rohstoffeinsatz abkoppeln. Dies kann nur gelingen, wenn wir Material mehrfach nutzen.
Was bedeutet Kreislaufwirtschaft wirklich?
Im linearen Wirtschaftssystem werden Rohstoffe abgebaut und anschliessend zu Produkten verarbeitet, die verkauft und genutzt werden. Am Ende steht die Entsorgung der Produkte im Abfall, wo sie entweder verbrannt oder in einer Deponie gelagert werden. Dieses System führt dazu, dass ein hoher Rohstoffbedarf besteht und grosse Abfallmengen und Umweltbelastungen entstehen.
Die Kreislaufwirtschaft soll dazu die ökologischere Alternative bilden. In der Kunststoffindustrie ist der erste Gedanke zu diesem Thema meist das stoffliche Recycling. Dabei werden sowohl für Industrieabfall als auch für Produkte nach der Nutzung Lösungen gesucht, wie die Materialien entweder mechanisch oder chemisch aufbereitet und für neue Produkte eingesetzt werden können. Dies ist im optimalen Fall Cradle to Cradle oder sogar ein Upcycling, es kann sich jedoch auch um Downcycling handeln.
Die Kreislaufwirtschaft umfasst jedoch viele weitere Massnahmen als das stoffliche Recycling der Materialien. Dies sollte erst der letzte Loop am Ende des Produktlebens sein. Davor stehen andere Prozesse, wie das Teilen und Wiederverwenden der Produkte und das Reparieren und Austauschen von defekten Bauteilen. Damit dies jedoch sinnvoll umgesetzt werden kann, müssen nicht nur die Prozesse, beispielsweise für das Sammeln, etabliert werden. Die Kreislaufwirtschaft und die geplanten Materialströme müssen schon bei der Produktentwicklung berücksichtigt werden. Dazu gehören sowohl das Design, zum Beispiel gut austausch- und reparierbare Komponenten, als auch die Materialwahl. Es ist also nicht nur eine Anpassung der End-of-Life-Prozesse nötig, sondern eine ganzheitliche Betrachtung des Produktlebenszyklus. Wichtig ist vor allem der Blick vom Ende des Produktlebens her. Schon bevor das Kunststoffbauteil in die «Entsorgung» kommt, sollte definiert sein, welchen weiteren Weg es vor sich hat. Durch die frühzeitige Planung können die geeigneten Massnahmen in der Sammlung und Sortierung vorgenommen werden, um ein geeignetes Material zu bekommen. Mit dieser Betrachtung wird der Abfall zum Rohstoff und somit zu einem Wertstoff für zukünftige Produktionen.
Neben der Material- und Prozessentwicklung wird an der Entwicklung von neuen Organisationsstrukturen in Unternehmen, welche den Umstieg in eine zirkuläre Welt erlauben, geforscht. Mit dem Umstieg vom linearen Wirtschaftsmodell zur Kreislaufwirtschaft müssen die innerbetrieblichen Strukturen und Abläufe angepasst werden. Nur mit klaren Vorgaben der Unternehmensleitung und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestatteten Mitarbeitern lassen sich diese Herausforderungen stemmen. Des Weiteren erlauben digitale Entwicklungsprozesse eine ressourcenschonendere Entwicklung und optimierte Bauteile mit reduziertem Materialeinsatz.
Chance für den Wirtschaftsstandort Schweiz
Die Kreislaufwirtschaft ist nicht nur aufgrund der Nachhaltigkeit und steigender Rohstoffpreise interessant. Durch die Wiederverwendung, Reparatur und das Materialrecycling können Wertschöpfungsketten in der Schweiz gehalten oder sogar in die Schweiz geholt werden.
Das IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung der Ostschweizer Fachhochschule ist seit mehreren Jahren in diesem Gebiet aktiv. Dabei werden Unternehmen bei Projekten im Bereich Kunststoffrecycling und auch in der Entwicklung von nachhaltigeren Produkten unterstützt.
Seit vielen Jahren arbeitet das IWK zusammen mit der Argo in Davos am Skischuhrecycling. Dabei wurde das bestehende Sortiersystem von der reinen Farbsortierung auf eine Farb- und Typensortierung mit Hilfe des Einsatzes eines FT-IR (Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer) umgestellt. Während in den letzten Jahren der Fokus auf der Herstellung von 3D-Druck Filamenten lag, konnte dieses Jahr im Juni mit der Hülle eines Smartphones (Circ Case von FREITAG) ein Spritzgiessbauteil präsentiert werden. Das Produkt zeigt exemplarisch die Möglichkeiten für den Werkplatz Schweiz, so findet die gesamte Wertschöpfung in Bereich von 150 km zwischen Davos und Zürich statt.
Bei der diesjährigen Unihockey WM in der Schweiz war das IWK der Ostschweizer Fachhochschule Innovation Partner und hat im Rahmen der Kooperation aus allen Bällen und Schlägern die Awards gedruckt. Dabei wurden die gesammelten Teile zuerst zerkleinert und anschliessend aufbereitet. Hervorzuheben ist, dass hierbei die polyolefinischen Materialien so modifiziert wurden, dass sie anschliessend auf einem Filamentdrucker zu mehrfarbigen Bällen gedruckter werden konnten.
Kreislaufwirtschaft in der Politik
Zukünftig müssen sich die Firmen auf Grund der Vorgaben der Europäischen Union aktiver mit dem Einsatz von Recyclingmaterial auseinandersetzen, da bis 2030 strenge Zielvorgaben von 55% bei allen Kunststoffteilen und 70% bei den Verpackungen erzielt werden müssen. Dies sind hohe Ziele, da auf Grund von gesetzgeberischen Vorgaben bei Lebensmittelverpackungen, vor allem auch bei Pharma- und Medizinalprodukten teilweise nur der Einsatz von Neuware möglich ist. Somit müssen alternative Produkte für den Einsatz dieser Materialströme gefunden werden. Schliesslich wird bis zum Ende dieser Dekade auch das chemische Recycling, bei welchem die Kunststoffe wieder in die Ausgangsmaterialen zerlegt und dann neu aufgebaut werden, in der Schweiz und Zentraleuropa vermehrt eingesetzt werden, damit die Recyclingziele erreicht werden können. Jedoch wird es höchstwahrscheinlich analog zu den Kehrichtverbrennungsanlagen eher in den Ländern mit einer guten Infrastruktur und stabilen politischen Systemen zum Einsatz kommen. Das Problem der weltweiten Verschmutzung und vor allem mit dem Meeresmüll kann so aber nicht gelöst werden, daher müssen auch für die restlichen Länder Systeme und Möglichkeiten für die Nutzung der Materialen gefunden werden, um dem Abfall einen Wert zu geben.
Die Kreislaufwirtschaft wird von der Politik nicht nur durch gesetzliche Vorgaben vorangetrieben, es werden auch grosse Investitionen in diesem Gebiet getätigt. Auch die Innosuisse fördert aktiv Projekte im Bereich Nachhaltigkeit und Zirkularität. Aktuell können Fördermittel in verschiedenen Innovation Booster beantragt werden, beispielsweise in «Applied Circular Sustainability», «Innovation Booster Additive Manufacturing» oder «Plastics for Zero Emissions».
Kontakt
Prof. Daniel Schwendemann,
IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung
OST Ostschweizer Fachhochschule
CH-8645 Rapperswil-Jona
daniel.schwendemann@ost.ch
www.ost.ch/iwk