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Kreisläufe schaffen für Polypropylen

Polypropylen (PP) ist eine der wichtigsten heute verwendeten Kunststoffsorten. Leider konnte für PP- Lebensmittelverpackungen bisher kein geschlossener Kreislauf etabliert werden. Die neusten Untersuchungen durch die Redilo GmbH und das KATZ zeigen aber vielversprechende Resultate hinsichtlich technischer Möglichkeiten und stellen klare Anforderungen an ein künftiges Sammel- und Recyclingsystem.
Bild 1: Aus Rezyklat hergestellte PP-Becher. Je nach Farbe der eingesetzten Altkunststoffe resultieren unterschiedliche Farbeffekte im Rezyklat. (Bilder: Redilo/KATZ)

Polypropylen (PP) ist eine der wichtigsten heute verwendeten Kunststoffsorten. Leider konnte für PP- Lebensmittelverpackungen bisher kein geschlossener Kreislauf etabliert werden. Die neusten Untersuchungen durch die Redilo GmbH und das KATZ zeigen aber vielversprechende Resultate hinsichtlich technischer Möglichkeiten und stellen klare Anforderungen an ein künftiges Sammel- und Recyclingsystem.

Autoren: Dr. Melanie Haupt, Co-Geschäftsführerin, Redilo GmbH, Dr. Rémy Stoll, Geschäftsführer, KATZ, Dr. Panayota Tsotra, Leiterin aF&E, KATZ

Aus kurz- und langlebigen Anwendungen fallen in der Schweiz jährlich rund 790‘000 Tonnen Kunststoffe als Abfall an. Davon wurden 2017 erst knapp 9% rezykliert [1] . Kunststoffe sind aber aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, denn sie ermöglichen viele Aspekte des modernen Lebens. Die zahlreichen Einsatzgebiete von Kunststoffen werden durch ihre Diversität und vielfältigen Eigenschaften ermöglicht. Neben einem grossen Ressourcenverbrauch führt der heutige Einsatz von Kunststoffen aber auch zu grossen Abfallströmen mit zum Teil katastrophalen Auswirkungen auf unsere Umwelt. Diese Auswirkungen können unter anderem durch das mechanische Recycling gemildert werden, das im Vergleich zu anderen Entsorgungswegen wie Deponierung, energetischer Verwertung und chemisches Recycling tendenziell umweltfreundlicher ist.

PP ist ein zentrales Polymer, vor allem in schnelllebigen Verpackungen: Rund 40% des PP kommen da zum Einsatz. Bis 2025 wird sich die Menge der PP-Verpackungen bei Bechern, Schalen und Trays mehr als verdreifachen [2]. Um geschlossenen Kreisläufen für PP etwas näher zu kommen, hat das Projekt realcycle (ermöglicht durch den Migros Pionierfonds) in Zusammenarbeit mit dem KATZ schon vor 2 Jahren mit technischen Tests zur Rezyklierbarkeit und zur weiteren Verarbeitbarkeit begonnen. Dabei steht neben technischen Prüfungen auch die Arbeit mit Akteuren entlang der Wertschöpfungskette im Vordergrund – als ein Schlüsselelement, um neue Wege im Bereich der Kunststoffe gemeinsam zu erarbeiten.

Im neusten Projekt wurden Verpackungshersteller (Greiner Packaging AG, SwissPrimePack AG), Inverkehrbringer (Nestlé Suisse AG, Emmi Schweiz AG, Migros Industrie) sowie Recyclingbetriebe eingebunden. Gemeinsam wurden in diesem umsetzungsorientierten Projekt die Aspekte der Zirkularität näher beleuchtet. Einerseits wurde die Zirkularität, bzw. der Erhalt der Materialstabilität über mehrere Kreislaufschlüsse hinweg untersucht, andererseits standen die Einflüsse von verschiedenen PP-Arten, hergestellt mit unterschiedlichen Verfahren, auf das Regranulat im Fokus. Die Beantwortung dieser Fragen ist zentral für den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft für PP, da damit die Randbedingungen für Sammlung, Sortierung und Verarbeitung für den Kreislaufschluss definiert werden.

Produktspezifische Kreisläufe schaffen

Bei Versuchen zum Mehrfachrecycling wurde ein spezifisches und repräsentatives Produkt (Emmi Caffè Latte Becher (ECL)) untersucht. Dabei stand im Vordergrund, wie die mehrfachen Recyclingprozesse die mechanischen Eigenschaften des jeweils erzeugten Rezyklats beeinflussen.

Dafür wurden die spritzgegossenen PP-Hauptkomponenten des ECL-Bechers geschreddert und bis 10-mal regranuliert, womit eine Recyclingquote von 100% simuliert wurde. Bei Zyklus 1, 5 und 10 wurde das entstandene Rezyklat auf sein Fliessverhalten und auf farbliche Veränderungen getestet. Zudem wurden Schulterstäbe für Zugprüfungen sowie dünnwandige Becher für Kompressions-Versuche hergestellt.

In einem tatsächlichen Lebenszyklus wäre das Material weiteren Einflüssen ausgesetzt, zum Beispiel beim Sterilisieren, beim Abfüllen oder beim Transport. Solche Einflüsse wurden durch eine 14-stündige Lagerung bei 80°C nach den Zyklen 5 und 10 simuliert. Es ist auch wahrscheinlich, dass das Rezyklat während eines Aufbereitungs- und Verarbeitungszyklus mehrmals aufgeschmolzen würde.

Dies könnte dazu führen, dass die simulierte Belastung bereits nach einer geringeren Anzahl Zyklen erreicht wird.

Bild 2: Kompressions-Versuche: Einfluss der Kreislaufzyklen auf das Beulverhalten von PP-Becher.

Die Versuche zeigen, dass sich die Eigenschaften verändern, diese Veränderungen den Einsatz des Rezyklats jedoch nicht behindern. Beim Spritzgiessen der Schulterstäbe und der Becher ist der Umschaltdruck im Spritzzyklus mit zunehmender Anzahl Zyklen leicht zurück gegangen. Die gleichzeitig beobachtete Zunahme der Schmelz-Volumenfliessrate (MVR) unterstützt die allgemeine Annahme, dass die mittlere Kettenlänge beim Verarbeiten und Rezyklieren von PP zurückgeht. Die Steifigkeit nimmt ab (-15%) und die Festigkeit bleibt fast unverändert. Der Gelbanteil im Weiss nimmt leicht zu, was von Auge jedoch fast nicht erkennbar ist.

Technische Hürden und Chancen – Versuche mit gemischten Fraktionen

Der heutige PP-Markt im Bereich der Lebensmittelverpackungen besteht aus rund 50% tiefgezogenen und 50% im Spritzgiessverfahren hergestellten Produkten (Marktumfrage Redilo GmbH). Diese sind zudem weiss, transparent oder eingefärbt, bedruckt oder über ein in-mold-label (IML) dekoriert und sie können auch metallisiert sein. Des Weiteren wird PP auch in mehrlagigen Verpackungen genutzt, im Verbund mit zum Beispiel PET oder PE. Die technischen Hürden, welche durch den Mix verschiedener Formen von PP verursacht werden, wurde daher eingehend untersucht. Verschiedene PP-Produkte wurden gemischt, zerkleinert, regranuliert und wieder verarbeitet, um Zugversuche durchzuführen sowie thermogeformte und spritzgegossene Probekörper miteinander zu vergleichen. Die Ergebnisse aus dieser Versuchsreihe sind entscheidend, um festzustellen, wie gemischte PP-Produkte aus Haushaltssammlungen recycelt werden können.

Zentral für die Verarbeitbarkeit ist der Schmelz-Volumenfliessindex MVR, wobei typische Spritzgiesstypen (gelb hinterlegt in Bild 3) und typische PP-Arten für das Thermoformenverfahren (grün hinterlegt) deutlich unterschiedliche MVR zeigen (Bild 3). Die gute Fliessfähigkeit bei Spritzgiesstypen erlaubt schnelle Produktionsprozesse, was Ressourcen schont und eine effiziente Produktion ermöglicht. Das Beimischen von 5% PP aus thermogeformten Bechern verändert die dargestellten Eigenschaften des Spritzgussmaterials kaum (Y05). Auch die Charakteristiken der thermogeformten PP-Typen bleiben nach Beigabe von 5 % Material aus Spritzguss PP-Bechern erhalten (Y95). Das Rezyklat bleibt zähfliessend mit höherer Steifigkeit und grösserer Bruchdehnung, ähnlich wie das unvermischte Rezyklat aus thermogeformten Bechern (YD).

Bild 3: Umschaltdruck im Spritzgusszyklus bei der Herstellung von Zugprüfkörpern in Funktion der Schmelze-Volumenfliessrate MVR. Gelb hinterlegt ist der Bereich der untersuchten PP-Spritzgiesstypen. Grün hinterlegt ist der Bereich der PP-Typen für das Thermoformverfahren. Die Mischrezyklate KB, KN und Y50 liegen zwischen den beiden Bereichen.

Ein Rezyklat aus 50 % thermogeformten Bechern und 50 % spritzgegossenen Bechern (Y50) hat sowohl die typischen Eigenschaften der thermogeformten PP-Typen wie auch die der spritzgegossenen PP-Typen verloren. Während alle untersuchten mechanischen Eigenschaften im typischen Bereich von PP-Kunststoffen bleiben, verschiebt sich die Schmelze-Volumenfliessrate (MVR) in den Zwischenbereich zwischen optimierten Spritzgiesstypen und optimierten Thermoform-Typen. Solche Rezyklate sind für Spritzgiess- oder Extrusionsverfahren geeignet, die weniger hohe Anforderungen an die Fliesseigenschaften des PP-Rezyklats haben.

Neben der Verarbeitbarkeit wurden die mechanischen Eigenschaften der Rezyklate geprüft. Die Bruchdehnung und die Maximalspannung der einzelnen PP-Typen blieb in den jeweiligen Rezyklaten erhalten (Bild 4). Bei Misch-Rezyklaten vermischten sich die mechanischen Eigenschaften und die gemessenen Werte lagen zwischen den Werten der einzelnen Rezyklat-Komponenten. Dieses Mischverhalten wurde mittels dynamischer Differenzkalorimetrie (DSC) und Dichtemessungen überprüft und verifiziert. Mehrkomponenten-Verpackungen, wie zum Beispiel IML-Becher oder Kapseln mit Barriereschicht, verhielten sich ähnlich wie die übrigen Rezyklate. Bei anderen Rezyklat-Mischungen wurde vereinzelt eine grössere Streuung der gemessenen Bruchdehnungen festgestellt. Dies kann auf eine Störung des Gefüges durch Fremdstoffe oder auf eine inhomogene Vermischung einzelner Rezyklat-Komponenten zurückzuführen sein.

Bild 4: Bruchdehnung von Zugprüfkörpern in Funktion der Schmelze-Volumenfliessrate MVR. Die Blasengrösse zeigt zusätzlich die maximale Spannung während des Zugversuchs an. Gelb hinterlegt ist der Bereich der untersuchten PP-Spritzgiesstypen aus Bechern. Grün hinterlegt ist der Bereich der PP-Typen für das Thermoformverfahren. Die Misch-Rezyklate KB, KN und Y50 liegen ebenfalls im grünen hinterlegten Bereich. Die Maximalspannung liegt bei den Misch-Rezyklaten jedoch 25% bis 35% tiefer als bei den PP-Typen für das Thermoformverfahren. Die beiden Rezyklate mit 50% (Mix) und 25% (BD) Anteil an spritzgegossenen Deckeln zeichnen sich durch eine deutlich erhöhte Bruchdehnung aus.

Entscheidend für den Einsatz des Rezyklates ist, neben technischen Eigenschaften, die Farbe des Materials. Effekte von Druckfarben, IML und eingefärbten Altkunststoffen wurden in der Versuchsreihe mituntersucht. Der resultierende Farbeffekt hängt davon ab, wie dominant die Farbe der einzelnen Rezyklat-Komponente ist. Darüber hinaus hängt die Farbwirkung auch von der Bauteilgeometrie und vom gewählten Verarbeitungsverfahren ab. Für einen farbgesteuerten PP-Kreislauf wäre es daher wichtig, neben der Farbe der Altstofffraktionen auch deren Farbdominanz zu kennen.

Schlussfolgerungen

Die Versuche, insbesondere auch die anfänglichen produktspezifischen Untersuchungen, haben gezeigt, dass typenrein gesammelte PP-Verpackungen mehrfach rezykliert werden können. Dies ist möglich ohne gravierende Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften, der Farbe oder der Verarbeitungseigenschaften. Im Gegensatz dazu vermischen sich bei Rezyklaten aus verschiedenen PP-Typen die Verarbeitungseigenschaften und die Farbe. Eine artikelbasierte Vorsortierung wäre demnach ein Gewinn, da sie zum Erhalt der optimierten Verarbeitungseigenschaften beitragen kann. Eine Vorsortierung mit erhöhter Sortiertiefe führt jedoch auch zur Verkleinerung der jeweiligen Fraktionen. Der damit einhergehende Effizienzverlust in der Altstoffaufbereitung ist gegenüber dem Qualitätsgewinn bei den Rezyklaten abzuwägen.

Ausblick

Die untersuchten Misch-Rezyklate geben erste Hinweise darauf, wie die Mechanik, Farbeigenschaften und Verarbeitungseigenschaften bei der Entwicklung von hochwertigen PP-Rezyklaten berücksichtigt werden können. Für die Schaffung von lebensmitteltauglichen PP-Kreisläufen müssen zusätzliche Kriterien im Kreislauf mitberücksichtigt werden. In einem nächsten Schritt sollen daher mögliche Wege von der Sammlung über die Sortierung und Trennung, der Aufbereitung bis hin zur Wiederverwendung aufgezeigt werden, um darin die Prozessfähigkeit, die Qualität und die Lebensmitteltauglichkeit der hergestellten Rezyklate nachweisen zu können.

Zusammenarbeit

Die beiden hier vorgestellten Projekte zur Schaffung eines PP-Kreislaufs wurden initiiert und geleitet durch die Redilo GmbH. Die praktischen Versuche wurden in enger Zusammenarbeit mit dem KATZ geplant und durchgeführt. Die Projekte wurden durch Innosuisse – NTN Booster «Plastics for zero emission», Emmi (Schweiz) AG, Greiner Packaging AG, SwissPrimePack AG, Nestlé Suisse S.A., Migros Pionierfonds, Vogt-Plastic GmbH, und Migros Industrie ermöglicht.

Redilo wird zu realcycle

Per 1.1.2023 hat die Beratungsagentur Redilo GmbH sämtliche Geschäfte an die neue realcycle GmbH mit Sitz in Zürich abgetreten. Personell ändert sich durch das Rebranding bzw. die Umfirmierung nichts, doch das neue Unternehmen erweitert sein Geschäftsfeld. Während Redilo auf die Bereiche Kunststoff und Verpackungen spezialisiert war, öffnet sich realcycle neuen Materialien sowie allen Branchen, die an einer systemischen und nachhaltigen Kreislaufwirtschaft interessiert sind.

https://realcycle.ch/redilo-wird-zu-realcycle.html

Literatur

[1] Klotz, M. und Haupt, M. 2022. A high-resolution dataset on the plastic material flows in Switzerland. Data in Brief, Volume 41. https://doi.org/10.1016/j.dib.2022.108001

[2] https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/my/Documents/risk/my-risk-blueprint-plastics-packaging-waste-2017.pdf

Kontakt

Redilo GmbH
CH-4102 Binningen
haupt@realcycle.ch
www.realcycle.ch

KATZ Kunststoff Ausbildungs- und Technologie-Zentrum
CH-5000 Aarau
info@katz.ch
www.katz.ch

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