Emaform produziert Teile aus Polyurethan. Der Herstellungsprozess verlangt viel Erfahrung, die der Spezialist aus Gontenschwil seit 40 Jahren seinen Kunden zur Verfügung stellt.
Das Konzept zur Herstellung von Polyurethan-Teilen ist einfach. Zwei flüssige Komponenten, Polyol und Isocyanat, werden im richtigen Verhältnis unter Hochdruck vermischt und in eine Form eingespritzt. Dort reagieren sie miteinander und härten aus, worauf sich das fertige Teil aus der Form entnehmen lässt. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Christian Merz, Verkaufsleiter bei Emaform erklärt: «Um hochwertige PUR-Formteile herzustellen braucht es viel Erfahrung und Know-how. Grundsätzlich geht es darum die produktionstechnischen Anforderungen in ein gewünschtes Formteil zu integrieren und dabei die technischen Möglichkeiten wie integrierte Gewindebüchsen und andere funktionale Partien abzubilden. Optimale Fliesswege und die Entlüftung im Werkzeug aber auch Wandstärken, Losteile oder hydraulische Kernzüge sind wichtige Themen, um die geforderte Bauteilqualität zu erreichen.»
Für hohe Qualitäts- und Designansprüche
Beim Schäum-Prozess lassen sich ca. 50-100 Teile pro Tag herstellen. Es kann aber auch bis zu 20 Minuten dauern, bis ein Teil aus der Form entnommen werden kann. Das Verfahren eignet sich also nicht für grosse Serien. Merz: «Polyurethanteile sind wirtschaftlich herstellbar bei Stückzahlen von einigen hundert bis wenigen tausend Stück pro Jahr. Es ist kein Prototypverfahren für eine schnelle Herstellung von einigen Teilen, weil es aufwändige Formen braucht.»
Die Formen werden aus Aluminium gefertigt. Das führt zu tieferen Werkzeugkosten als etwa im Spritzguss. Aber das Teil selbst ist teurer. Ein typischer Einsatzbereich für solche Formteile ist die Medizinaltechnik, etwa Gehäuse für Analysegeräte mit moderaten Stückzahlen und hohen Anforderungen an die Qualität und das Design. «Hohe Designansprüche kommen unserem Verfahren entgegen, weil wir mit unserem Verfahren geometrisch anspruchsvolle Teile herstellen können», sagt Merz.
Nebst dem Design können aber auch die Materialeigenschaften ein Kriterium für die Wahl von Polyurethan sein. Das kann zum Beispiel das leichte Gewicht oder die sehr gute chemische Beständigkeit sein aber auch hohe Isolationswerte und Formbeständigkeit sind wichtige Kriterien.
Prozessbedingt keinen Verzug
Als Material verwendet Emaform drei verschiedene Rezepturen. Diese sind fix gegeben, weil das Mischungsverhältnis stimmen muss, damit alle Moleküle in der Form ausreagieren können. Neben einem lebensmitteltauglichen Material verarbeiten die Spezialisten ein Kompaktmaterial sowie einen Integralschaum. Merz: «Beim Integralhartschaum haben wir eine Dichte von 600 kg/Kubikmeter und vorzugswandstärken von 4-20 mm. Das heisst wir füllen die Form nur zu ca. 60%, dann folgt die chemische Reaktion und das Material schäumt auf.» Überall wo das Gemisch mit der Form in Berührung kommt, entsteht eine harte Haut durch Vernetzung der Moleküle. Innen härtet das Material zu einer porösen Struktur mit eingeschlossenen Luftblasen aus.
Beim Kompaktmaterial kommt es im Bauteil durchgängig zu einer Vernetzung der Moleküle ohne Einschluss von Luftblasen. Das Resultat ist ein durchgängig kompaktes Material mit einer Dichte von 1050kg/Kubikmeter. Das Kompaktmaterial wählt man für eher dünnwandigere Teile, vorzugsweise 3-10 mm. Den Integralschaum dagegen bei Werkstücken mit unterschiedlichen Wandstärken. «Das ist der grosse Vorteil am Integralhartschaum. Da der Schwund von der Wandstärke abhängt, würde ein Teil mit unterschiedlichen Wandstärken sich etwa im Spritzguss stark verziehen. Mit dem Integralschaum dagegen entstehen Teile ohne Verzug», erklärt Merz.
Viel Handarbeit
Ist die chemische Reaktion abgeschlossen und das Teil aus der Form entnommen, muss es in nachgelagerten Prozessen aufwendig bearbeitet werden. Merz: «Mit viel Handarbeit müssen wir entgraten, spachteln, schleifen und lackieren.»
Viel Manpower an einem Schweizer Standort, da kommt sogleich der Gedanke an eine Produktionsverlagerung ins Ausland. Auf die Frage, weshalb Emaform in der Schweiz produziert antwortet Merz: «Man muss den gesamten Prozess betrachten. Es steckt viel Know-how dahinter und es sind keine hohen Stückzahlen. Wären die Prozesse vollständig automatisiert oder ausschliesslich Handarbeit, würden sie sich evtl. für eine Auslagerung eignen.» Zudem werden in Gontenschwil eher grössere Formteile hergestellt. Und: «Wir sind nahe bei unseren Kunden und unterstützen sie bei der Entwicklung neuer Formteile. Kunden möchten schnell und zielgerichtet eine Lösung welche wir oft gemeinsam mit dem jeweiligen Entwicklungsteam erarbeiten. Daher ist uns die Nähe zum Kunden sehr wichtig», sagt Merz.
Die Kunden stammen hauptsächlich aus der Schweiz, sind aber europäisch oder sogar weltweit ausgerichtet. So gehen 90 bis 95% der bei Emaform produzierten Teile schliesslich ins Ausland.
Flexible Infrastruktur
Dass es sich bei dieser Sparte der Kunststoffverarbeitung um eine Nische handelt, lässt sich auch an der Konkurrenzsituation ablesen. In der Schweiz gibt es gerade mal einen und in Deutschland noch ein paar wenige mehr direkte Konkurrenten. Laut Geschäftsleiter Jürg Fischer liegt das nicht zuletzt daran, dass PUR nicht so einfach zu verarbeiten ist: «Die Prozesse sind sehr temperatursensibel. Das heisst man braucht eine kontrollierte Temperaturführung. Der ganze Ablauf ist sehr komplex und viele Parameter müssen dabei stimmen.»
Eine besondere Stärke der Emaform ist die universell einsetzbare Infrastruktur. Die beginnt bei den Tanklagern mit den flüssigen Komponenten, und geht dann über zu acht Maschinen, die das Material aufbereiten. Schliesslich können bis zu zwanzig verschiedene Formenträger angesteuert werden, die über Ringleitungssysteme das konditionierte Material beziehen.
Zusammen mit allen Nachbearbeitungsprozessen arbeiten rund 65 Mitarbeiter auf ca. 8000 m2 Gebäudefläche in Gontenschwil. Fischer: «Mit unserer Infrastruktur können wir viele Anwendungen abbilden und uns flexibel einrichten. Wir können zwei Tage auf einer Maschine mit einem Werkzeug hundert Teile herstellen, dann umrüsten und an einem anderen Auftrag weiterarbeiten.»
Eine Materialknappheit aufgrund der globalen Situation bekam das Unternehmen nur am Rande zu spüren. Es gab zwar Engpässe, aber mit seinen grosszügigen Lagerbeständen konnte der PUR-Spezialist diese Zeit gut überbrücken. Die Materialverfügbarkeit ist aber generell ein Thema, aktuell gerade der Flammschutz – ein Pulver, das bei der Konditionierung dem Polyurethan beigemischt wird. Fischer: «In China wurde wegen Stromknappheit die Phosphorproduktion auf 10% des normalen Volumens gedrosselt. Das hat einen Mangel an Rohstoffen ausgelöst, der bei uns den Flammschutz betrifft, der auf diesen Stoffen basiert.»
40 Jahre Emaform
Dieses Jahr feiert das Unternehmen sein 40-jähriges Bestehen. Was hat sich seit den Anfängen alles verändert?
Fischer: «Die Materialsysteme, die wir einsetzen gibt es ca. seit den 60er Jahren. In dieser Zeit versuchte man die Eigenschaften zu optimieren. Bei Polyurethan kann man viele Eigenschaften einstellen von weich bis hart, von schlagzäh bis brüchig. Wenn man einen Parameter in eine Richtung treibt, bewegen sich die anderen in die andere Richtung. Die Systeme, die wir verarbeiten sind irgendwo in der Mitte ausbalanciert, damit wir einen möglichst grossen Bereich abdecken können.»
Ein anderes Feld, das in den letzten 40 Jahren einem starken Wandel unterlag, ist der Formenbau. Durch moderne 3D-CAD-Software können die Spezialisten bei Emaform ihre Kunden schon früh im Designprozess unterstützen und ihr Know-how einfliessen lassen. Das Unternehmen arbeitet mit spezialisierten Formenbauern zusammen. Immer mit dem Ziel, Formen herzustellen, die zu möglichst wenig Nacharbeit an den PUR-Teilen führen.
Ausserdem haben sich die Anforderungen der Kunden verändert, wie auch die Logistikkonzepte. «Wir haben viele Kunden, die wir in kleinen Losen einmal wöchentlich direkt in die Produktion beliefern», sagt Merz. Auch zusätzliche Dienstleistungen sind hinzugekommen. Früher wurden hauptsächlich einzelne Formteile ausgeliefert. Im Lauf der Zeit kamen jedoch verschiedene Prozesse, wie die CNC-Nachbearbeitung, das Lackieren oder auch Montagearbeiten hinzu. Fischer: «Heute stehen vermehrt auch die Unterstützung bei der Gestaltung von prouktionsgerechten Formteilen im Vordergrund, welche zusätzlich einen Mehrwert für unsere Kunden bedeuten. Das hat sich stark verändert, aber das Polyurethan entsteht noch immer aus zwei Materialien die vermischt werden.»
Emaform AG
www.emaform.ch
Autor
Thomas Meier