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EU-konform und dennoch verschweissbar

Die Recycelvorschriften der EU verlangen nach immer sortenreinerem Papierabfall. Papier wird in Lebensmittelverpackungen verwandt, wo es verschweisst werden muss. Um zwei Papierstreifen miteinander verschweissen zu können, müssen diese mit einem Fremdmaterial beschichtet sein. Das IMPE entwickelte zusammen mit der Firma Tanner & Co. AG eine neuartige Dispersionsbeschichtung für Papier, welche den Vorschriften der EU entspricht und dennoch verschweissbar ist.
Abb. 1: Mit einer Banderole verpackte Lebensmittel (Bild: Tanner & Co. AG)

Die Recycelvorschriften der EU verlangen nach immer sortenreinerem Papierabfall. Papier wird in Lebensmittelverpackungen verwandt, wo es verschweisst werden muss. Um zwei Papierstreifen miteinander verschweissen zu können, müssen diese mit einem Fremdmaterial beschichtet sein. Das IMPE entwickelte zusammen mit der Firma Tanner & Co. AG eine neuartige Dispersionsbeschichtung für Papier, welche den Vorschriften der EU entspricht und dennoch verschweissbar ist.

Autoren: Dr. Konstantin Siegmann, Jan Inauen, Prof. Dr. Martin Winkler, Institut of Materials and Process Engineering (IMPE), Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

Recycling liegt im Trend. Allerdings verlangt das korrekte Rezyklieren von Abfall nach immer sortenreineren Materialien. Die neuen, strengen Vorschriften der EU fordern, dass nur noch als Monomaterial gilt, was zu mindestens 95% aus diesem Material besteht. Papierabfall gilt demnach als Papier, wenn der Gewichtsanteil an Fremdmaterial, z.B. einer Beschichtung, weniger als 5 Gewichtsprozente ausmacht. Allerdings sagt diese Regel nicht viel über die tatsächliche Rezyklierbarkeit des Papiers aus. Denn eine Beschichtung sollte darüber hinaus im Rezyklierprozess nicht stören, was bedeutet, dass das Beschichtungsmaterial im Idealfall wasserlöslich und bioabbaubar ist, und vor allem in der Kläranlage keine Probleme verursacht. Für viele Anwendungen muss daher ein neues Beschichtungsmaterial gefunden werden, welches einerseits die ihm zugedachte Funktion erfüllt und andererseits den gesetzlichen Vorschriften zur Rezyklierbarkeit entspricht. Diese Anforderungen stellen die Verpackungsindustrie vor grosse Herausforderungen. Eine solche Anwendung betrifft das Banderolieren. Das Banderolieren ist ein Vorgang der Verpackungstechnik, bei dem Gegenstände gleicher oder verschiedener Art mit einer Banderole (einem Band) zu einer Einheit zusammengefasst werden. Das Bündeln ist unter anderem aus Transportgründen sinnvoll. Eine bis zu 100 mm breite Banderole aus Papier oder recycelbarer Folie unterstützt «Branding with Banding» und Markenführung und sorgt für Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe. Sie vertritt Corporate Identity im Verkaufsregal und bietet ausserdem genügend Platz für weitere Informationen wie Mindesthaltbarkeitsdatum, Inhaltsstoffe oder Chargennummern, das ohne zusätzliche Etikettierung. Ein Branding für alle Konsumgüter – dank hohen Hygienestandards auch für Lebensmittel (Abb. 1).

Problematische Beschichtungen aus Polyethylen oder Polypropylen

Die zu verpackenden Produkte werden dabei von einer Banderoliermaschine (Abb. 2) mit einem Papierband umschlossen, das an den Enden mit der einzigartigen Ultraschallverschweissung von Tanner verschweisst wird. Damit das Verschweissen gelingt, müssen die Papierbänder mit einer Dispersion beschichtet sein. Als Nebeneffekt wird die beschichtete Papierbandarole zudem besser wasserbeständig. Bislang wurden dafür die Folien aus Polyethylen oder Polypropylen verwendet. Allerdings genügen die mit diesen Materialien beschichteten Papiere den neuen Vorschriften der EU zum Recycling nicht mehr, diese Banderolen müssen als Verbunde entsorgt werden, weil das Auftragsgewicht der Folien zu hoch ist. Will die Firma Tanner am Markt weiterhin erfolgreich sein, muss sie Papierbanderolen mit einer neuen, recycelbaren Beschichtung anbieten.

Abb. 2: Eine Banderoliermaschine der Firma Tanner & Co. AG (Bild: Tanner)

Das Labor «Polymere Beschichtungen» des IMPE

Das Labor «Polymere Beschichtungen» des Institutes of Materials and Process Engineering (IMPE) gehört zu der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Es befasst sich generell mit funktionellen und monomolekularen Beschichtungen, abgeschieden aus der flüssigen Phase, z. B. als Lack auf Materialien wie Papier und Karton, Textilien, Metallen und Kunststoffen. In Zusammenarbeit mit der Firma Tanner wurde im Labor PB eine verschweissbare Papierbeschichtung für das Banderolieren entwickelt, die die gesetzlichen Bedingungen zur Rezyklierbarkeit erfüllt.

Die Anforderungen an die neue Beschichtung

Viele verschiedene Dispersionen wurden als Beschichtungsmaterial für die Banderolen getestet. Die Randbedingungen waren: i) Die Dispersion ist wasserlöslich, sodass es sich beim Recyclingprozess vom Papierbrei trennen lässt. ii) Die Rückstände im Abwasser verursachen keine Probleme in der Kläranlage. iii) Bei der Aufarbeitung entsteht kein Mikroplastik. iv) Trotz der geringen Auftragsmenge (≤ 5%) lässt sich die Banderole noch verschweissen, und die Verschweissung erzielt eine gleich starke Zugfestigkeit wie die herkömmlichen Materialien. v) Die Dispersion ist für den Lebensmittelkontakt zugelassen.

Zuerst wurden die Papiere mit Hilfe eines Rakels mit verschiedenen, wässrigen Polymerlösungen beschichtet. Nach dem Trocknen der Beschichtung wurde das Schichtgewicht bestimmt, der Zielwert war ≤ 2.5% pro Seite. Die Papierbänder wurden auf einer Ultraschall-Schweissanlage von Tanner verschweisst. Dann wurden die verschweissten Banderolen in eine Zugprüfmaschine eingespannt, die Zugkraft erhöht und geschaut, bei welcher Kraft die Schweissnaht versagt. Die Haftung der Schweissnaht der neuen Banderolen sollte nicht wesentlich schlechter sein als die der Banderolen mit den alten Beschichtungen aus Polyethylen oder Polypropylen. Als Ergebnis wurden neue Beschichtungen gefunden, die den Anforderungen der EU entsprachen und dennoch verschweissbar waren.

Die Eigenschaften der neuen Beschichtung

Abbildung 3 zeigt die Zugfestigkeit der Verschweissung der Banderolen mit den neuen Beschichtungen. Fünf verschiedene Beschichtungen (A – E) sind dargestellt.

Abb. 3: Zugfestigkeiten von verschweissten Banderolen mit 5 verschiedenen Beschichtungen. Braune Balken: Normalbedingungen, blaue Balken: Erhöhte Luftfeuchtigkeit und Temperatur. (Bild: IMPE)

Die braunen Balken entsprechen Zugfestigkeiten bei Normalbedingungen, die blauen Balken bei erhöhter Temperatur und Luftfeuchtigkeit (30 °C, 60% Luftfeuchtigkeit). Die Reissfestigkeit des unbeschichteten Papiers der Banderole liegt bei 162 Newton (bei 30 mm breiten Bändern). Dieser Wert ist damit auch die maximal zu erreichende Zugfestigkeit der Verschweissung. Bei einem Mittelwert von ca. 120 Newton Zugfestigkeit der Verschweissung bei Normalbedingungen erzielen wir also etwa 74% des zu erreichenden Maximalwertes. Diese Zugfestigkeiten sind für die Firma Tanner zufriedenstellend.

Die Beschichtungen A – E erfüllen die 5%-Regel und die gesetzlichen Vorgaben, das Projekt ist also als Erfolg zu werten. Abbildung 4 zeigt das fertige Produkt – eine Rolle mit EU-konformen Banderolierpapier von Tanner.

Abb. 4: Das Produkt: Verschweissbares und recycelbares Papierband (Bild: Tanner)

Kontakt

Dr. Konstantin Siegmann
Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenscahften
Institute of Materials and Process Engineering (IMPE)
CH-8401 Winterthur
konstantin.siegmann@zhaw.ch
www.zhaw.ch/impe

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