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Erneut ein Rekordjahr

Kurt Röschli (l.) und Riccardo Casanova sind erfreut, aber auch etwas überrascht, über die guten Wirtschaftsdaten der Schweizer Kunststoffindustrie. (Bild: Marianne Flury)

Die Schweizer Kunststoffindustrie konnte letztes Jahr das Spitzenjahr 2021 umsatzmässig noch einmal toppen. Das haben Riccardo Casanova, Geschäftsführer von KUNSTSTOFF.swiss, und Kurt Röschli, u.a. verantwortlich im Verband für die Wirtschaftsdaten, so nicht erwartet.

Autorin: Marianne Flury

Das Jahr 2021 war für die Schweizer Kunststoffbranche mit CHF 16,8 Mrd. ein absolutes Spitzenjahr. Die jährlich vom Verband KUNSTSTOFF.swiss durchgeführte Umfrage in der Branche zeigt nun, dass die Unternehmen insgesamt den Umsatz 2022 erneut massiv steigern konnten. Zum Plus von 7,2 % haben alle Segmente beigetragen. Mit einem Zuwachs von 15,2 % schwingen die Rohstoffhersteller aber weit oben aus. Und da liegt denn für Kurt Röschli auch die Erklärung für den Höhenflug.  «Das Ganze ist rohstoffgetrieben und stützt sich auf die stark angestiegenen Rohstoffpreise in 2022.

Zulegen konnten auch die Verarbeiter, die mit einem Plus von 5,5 % einen Umsatz von knapp CHF 11,6 Mrd. erreichen (Grafik 1). Betrachtet man die Umsatzsteigerung von 15,2 % bei den Rohstöfflern und diejenige der Verarbeiter (5,5%), dann entspricht dies in etwa dem Kostenanteil – man rechnet mit einem Drittel – den Verarbeiter im Schnitt für Material aufwenden; bei Hochleistungskunststoffen ist der Anteil grösser, bei Polyolefinen kleiner», erklärt Röschli das Zahlengefüge.

Grafik 1: Umsatzentwicklung der verschiedenen Kunststoffsparten (2018 bis 2022) (Quelle: KUNSTSTOFF.swiss)

Umsätze sind das eine, Margen das andere 

Aus Gesprächen mit diversen Verarbeitern  weiss Riccardo Casanova, dass ein Grossteil der kunststoffverarbeitenden Betriebe die Materialpreiserhöhungen weitergeben konnten, die Margen also gewährleistet waren. «Die Aussagen datieren aber bis März 2023 – zur Zeit der Umfrage», präzisiert er und vermutet, dass jetzt, ein halbes Jahr später, die Situation sich angespannter präsentiert. «Es gibt immer Überflieger, aber eben auch Firmen, die die Preisaufschläge nicht weitergeben konnten.»

Zu den Gewinnern gehören auch die Verwertungsbetriebe, die ihre Umsätze von 49,5 Mio. auf rund CHF 52,5 Mio. erhöhen konnten, was einer Zunahme von 6 % entspricht. «Die Preise für Recyclingmaterial waren bis Ende 2022 im Schnitt immer noch 10 % höher als für Neumaterial», sagt Röschli und Casanova fügt an: «Ein Grund dürfte sein, dass das Recyclingmaterial in der gewünschten Qualität nicht in genügender Menge verfügbar ist.»

Leichte Zunahme beim Personal

Die Anzahl Firmen ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben, während dem der Personalbestsand um 900 Personen (+ 2,7 %) zugenommen hat. Auch hier haben alle Segmente zum Wachstum beigetragen. Die Zahlen (Grafik 2) widerspiegeln, dass viele Unternehmen durchaus optimistisch auf das Jahr 2023 blickten. «Die Umsätze waren da, ansonsten hätten die Firmen kein Personal eingestellt», folgert Röschli. Da der Umsatzzuwachs wesentlich höher ausfiel als der Personalbestand gewachsen ist, ist auch der Umsatz pro Mitarbeiter erneut gestiegen. «Das belegt, dass die Firmen ihre Effizienz gesteigert haben», so Casanova. 

Grafik 2: Entwicklung der Firmenanzahl und der Mitarbeitenden (2019-2022) (Quelle: KUNSTSTOFF.swiss)

Materialverbrauch steigt minim

Zum vierten Mal in Folge ist der Verbrauch an Kunststoffen gewachsen (+1 %), von 700 500 auf 711 000 t, während dem der Kautschukverbrauch mit 29 760 t quasi konstant geblieben ist. Der leicht höhere Materialverbrauch zeigt, dass das Umsatzwachstum der Rohstoffhersteller nicht ausschliesslich – aber doch zum grossen Teil – den Preiserhöhungen geschuldet ist.

Grafik 3: Verarbeitete Rohstoffmengen von Kunststoff und Kautschuk (Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG)
Grafik 4: Erneut höhere Umsätze, wenn auch mit grossen Unterschieden in den verschiedenen Bereichen (Quelle: KUNSTSTOFF.swiss)

Erfreulich präsentiert sich der Export von Halb- und Fertigfabrikaten. Diese nahmen von 1,747 auf 1,888 Mrd. CHF (+ 8 %) resp. von 1,851 auf 1,953 Mrd. CHF (+5,5 %) zu (Grafik 3). Röschli zeigt sich überrascht von diesem Wachstum, das er wegen des starken Frankens so nicht erwartet hat. Insgesamt wurden für CHF 3,84 Mrd. Waren exportiert. In Relation zum Umsatz (CHF 18 Mrd.) ist das eine Exportrate von 21 %. Erklärbar ist diese relativ geringe Rate – gesamthaft gesehen exportiert die Schweiz rund 70 % ihrer Güter – damit, dass die Kunststoffbranche eine typische KMU-Struktur aufweist und kleinere Unternehmen naturgemäss weniger exportieren als grosse Marktplayer.

Grafik 5: Exporte von Halbfabrikaten und Fertigwaren aus Kunststoff (Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG)

Bau überholt Verpackung

Erstmal seit der Erhebung der Wirtschaftsdaten dominiert die Baubranche bezüglich Anwendungen den Verpackungssektor. Mit einem Anteil von 39,6 % (Vorjahr 37,4 %) hat der Bau die Verpackungen mit einem Anteil von 37,2 % (39,1 %) überholt. Weitere gewichtige Segmente, die über die Jahre hinweg konstant geblieben sind, sind Medizintechnik mit 7,2 % (7,4 %) und Fahrzeug mit 7,4 % (5,4 %).

Grafik 6: Verteilung der Anwendungen (Quelle: KUNSTSTOFF.swiss)

Importe von Kunststoffabfällen nehmen zu

Sowohl die Importe wie auch die Exporte der Kunststoffabfälle haben im Jahr 2022 zugenommen. Die Materialflüsse gehen quasi ausschliesslich in die Nachbarländer und kommen von dort. Von den insgesamt 94000 t Kunststoffabfall wird ein Grossteil (39,2 %) aus Deutschland importiert. 35,2 % kommen aus Frankreich, 13,4 % aus Österreich und 8,1 % aus Italien. Die 87 691 t exportierter Kunststoffabfälle teilen sich auf Deutschland (52,6 %), Österreich (21,2 %), Frankreich (3,6 %) und Italien (2,6 %) auf. «Positiv ist, dass wir mehr Tonnen an Kunststoffabfällen zurücknehmen als ausführen. Die Menge, die im Ausland nicht sortiert werden kann, thermische verwertet oder landet in der Zementindustrie», weiss Röschli. «Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) schreibt gesetzlich vor, dass wir Sortierreste retour nehmen müssen.»

Grafik 7: Importe und Exporte von Kunststoffabfällen (Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG)

Innerbetriebliche Abfälle machen 6,6 % des Gesamtverbrauchs aus. Davon werden ca. 64 % stofflich wiederverwertet, 36 % landen in den KVA.

Gelerntes Personal fehlt

Das gelernte Personal hat in den letzten Jahren eher zugenommen, wenn auch in geringem Masse. Nicht so letztes Jahr. Es ging von 70,5 % auf 61,3 % zurück, entsprechend nahm der Anteil an angelerntem Personal von 29,5 % auf 38,7 % zu.

Grafik 8: (S. 18) Personalstruktur (Quelle: KUNSTSTOFF.swiss)

Röschli erklärt sich diese Entwicklung damit, dass qualifiziertes Personal nicht gefunden wurde und die Firmen sich mit Angelernten beholfen hat, die sie dann selber ausbildeten. Fakt ist, dass der Anteil der Polymechaniker bei den Lernenden der Kunststoffindustrie seit Jahren rückläufig ist; ebenso geht die Anzahl an Kunststofftechnologen und -verarbeiter zurück. «Da spielt sicher der neue Bildungsplan eine Rolle. Er muss sich zuerst etablieren», sagt Röschli dazu. Erfreulich ist, dass sich für 2023 mit 86 Lehrlingen (+4) mehr angemeldet haben als 2022 (Stand 26.6.2023). Davon sind 72 EFZ (eidg. Fähigkeitszeugnis) und 14 EBA (eidg. Berufs-attest). «Das zeigt, dass die Anstrengungen des Verbands, mehr Lehrlinge für einen Kunststoffberuf zu gewinnen, fruchten», freut sich Casanova.

Grafik 9: Die Lernenden der Kunststoffindustrie

Ausblick

Der Ausblick, der auf der Umfrage mit Stand März 2023 basiert, zeigt ein erfreuliches Bild. Umsatzmässig gehen 60 % (51 %) der Unternehmen von einem höheren, 40 % (37 %) von einem gleichbleibenden Umsatz für das Jahr 2023 aus. Beim Personal gaben 22 % (38 %) an, dieses aufstocken zu wollen, 73 % (56 %) halten unverändert am Personalstand fest und 5 % (6 %) fassen einen Abbau ins Auge.

Grafik 10: Einschätzung der Entwicklung von Umsatz und Personal für 2023 (Stand: März 2023) (Quelle: KUNSTSTOFF.swiss)

Casanova ist überzeugt, dass die Situation sich heute etwas weniger optimistisch präsentieren würde. «Das Jahr  2023 startete gut für viele Unternehmen. Sie rechneten damit, dass Lager abgebaut wird. Das war dann nicht in dem Umfang der Fall, wie erwartet wurde», erklärt Casanova und er zieht den Schluss: «2023 wird etwas schwächer als 2022 ausfallen.» Oder positiv ausgedrückt: «2022 hatten wir ein tolles Jahr, jetzt wird es etwas ruhiger – auch gut.»

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KUNSTSTOFF.swiss
CH-5000 Aarau
info@kunststoff.swiss
www.kunststoff.swiss

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