Mit der Veröffentlichung der DIN 35255 „Qualitätsanforderungen an Composite-Prozesse“ steht weltweit erstmals eine umfassende Norm zur Verfügung, die sich systematisch der Qualitätssicherung in der Composite-Technologie widmet. Sie wurde unter Federführung des Fraunhofer IFAM in Bremen erarbeitet und setzt neue Massstäbe, wie Normungsarbeit künftig effizient und praxisnah gestaltet werden kann.
Die DIN 35255 deckt den gesamten Lebenszyklus von Faserverbundbauteilen ab – vom Konzept über die Fertigung bis hin zu Instandhaltung und Reparatur. Damit schliesst sie eine entscheidende Lücke in der Normungslandschaft: Erstmals werden sowohl Produkte als auch Prozesse durchgängig betrachtet, sodass Unternehmen eine verlässliche Grundlage für die Planung, Organisation und Umsetzung qualitätssichernder Massnahmen erhalten.
Ein Novum ist die Übertragung des seit Jahrzehnten bewährten Prinzips bestehender QS-Normen aus der Schweiss- und Klebtechnik auf die Composite-Technologie. Damit folgt die Norm der Grundidee: Qualität und Sicherheit entstehen durch strukturierte Prozesse, klare Anforderungen und nachvollziehbare Nachweise.
Der rechtliche Rahmen wird dabei durch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) gesetzt. Dessen zentrale Anforderung – den „Stand der Technik“ umzusetzen – füllt die DIN 35255 konkret für Composites aus. Sie geht aber noch einen Schritt weiter: Da Composite-Bauteile nicht vollständig zerstörungsfrei geprüft werden können, gelten ihre Herstellung und Instandsetzung als „spezielle Prozesse“ im Sinne der ISO 9001. Während die ISO 9001 lediglich die Rahmenbedingungen vorgibt, liefert die neue DIN 35255 hierzu die notwendige technologiespezifische Konkretisierung – analog zu den Normen der Schweiss- und Klebtechnik. Damit erleichtert sie den praxisnahen Zugang zum „Stand der Technik“ durch die Kombination von Produktsicherheitsgesetz, ISO 9001/QMS und die FVK-spezifische QMS-Konkretisierung.
Die Norm legt produktneutral und branchenübergreifend Anforderungen an Entwicklung, Fertigung und Instandhaltung fest und integriert dabei bekannte zentrale Kernelemente:
- Klassifizierung nach Sicherheitsanforderungen (C1–C4)
- Nachweis technologischer Personalkompetenz (Kompetenzlevel 1–3)
- Sicherstellung von Produkt- und Prozesssicherheit
Damit schafft die DIN 35255 die Grundlage, Composite-Prozesse robust, reproduzierbar und ProdSG-konform zu gestalten – ein entscheidender Schritt, um den „Stand der Technik“ in Industrie und Handwerk verbindlich umzusetzen und diese Materialien erfolgreich in der Gegenwart und Zukunft einzusetzen.
„Mit der DIN 35255 liegt ein Normenwerk vor, das nicht nur einen technologiespezifischen Massstab setzt, sondern auch den Weg weist, wie Normungsarbeit künftig praxisnah, interdisziplinär und nachhaltig erfolgen kann“, so Dipl.-Ing. Stefan Simon, Leiter Weiterbildungszentrum Faserverbundwerkstoffe am Fraunhofer IFAM. „Für Hersteller und Anwender von Composite-Bauteilen bedeutet die Anwendung der Norm: mehr Sicherheit, mehr Verlässlichkeit – und ein klarer Wettbewerbsvorteil ihrer Produkte durch Qualität.“