Jürg Weibel spricht über Nachhaltigkeit, Recycling und die Rolle der Politik.
Auch wenn das Messethema der vergangenen Fakuma nicht so klar zum Vorschein kam, so geht es doch bei vielen Ausstellern vorrangig noch immer um Nachhaltigkeit. Der Masterbatch-Hersteller Granula beschäftigt sich schon lange mit nachhaltigen Lösungen. Geschäftsführer Jürg Weibel merkt nun aber, dass in diesem Bereich mehr und mehr Projekte entstehen.
Wieso tun sich so viele immer noch schwer mit nachhaltigen Lösungen?
Wir haben seit 15 Jahren immer wieder Kundenprojekte im Bereich Nachhaltigkeit gemacht, weil Kunden nachgefragt haben und wir das auch gezielt fördern. Es kam aber kaum je zu einem konkreten Auftrag. Am Ende muss man selbst in den Spiegel schauen können und als Konsument bereit sein, etwas mehr zu bezahlen. Die Materialien sind anfänglich teurer. Langsam ist aber eine Veränderung spürbar.
Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Für uns sind Biopolymere nicht einfach biobasierte Kunststoffe, weil dort das Recycling immer noch problematisch ist. Wir bevorzugen kompostierbare Produkte. Entweder man kann das Material am Ende des Produktlebenszyklus kompostieren oder sauber sortieren. Das sind unsere Kernpunkte.
Einerseits konzentrieren wir uns auf dunkle Farbsysteme, die schwierig zu sortieren sind weil die Sensortechnologie noch nicht so weit ist. Da habe wir NIR-Masterbatches im Angebot. Weil diese Infrarotlicht reflektieren, lassen sich entsprechende Abfälle über Sensoren gezielt erkennen und automatisch sortieren. Die andere Schiene sind kompostierbare Produkte aus jedweden Stoffen, PLA, PPS, PHA und so weiter. Dazu bieten wir entsprechende Masterbatches, die nicht nur kompostierbar, sondern auch zertifizierbar sind.
Was sind die Herausforderungen dabei?
Die Anforderungen an Farben und Additive sind je nach Projekt sehr unterschiedlich. Es kann sein, dass eine gewisse Haltbarkeit erwünscht ist, aber sobald das Material auf dem Kompost liegt, sollte es sich möglichst schnell zersetzen. Da gibt es ganze Additiv- und Polymersysteme. Es gibt auch Normen wie etwa die EN 13432. Dabei wird die Kompostierbarkeit getestet und Materialien wie auch Farben müssen diese Tests bestehen. Wir haben sehr viele Tests gemacht und auch die entsprechenden Zertifizierungen erhalten.
Wie lange dauert es, bis etwa ein kompostierbarer Kaffeebecher zersetzt ist?
Das kommt darauf an, ob er auf dem Industrie- oder Heimkompost liegt. Auch die Abbaudauer ist in der Norm genau festgelegt. In der Realität dauert es beim Industriekompost in der Regel 3 bis 6 Monate. Zu Hause dauert es länger, weil dort die Zersetzung bei niedrigeren Temperaturen stattfindet und über den Winter im Garten oft gar nichts passiert.
Wenn der Konsument nun etwa Milchprodukte in kompostierbaren Behältnissen kauft, die leeren Gebinde dann aber statt kompostiert, mit dem Haushaltsmüll entsorgt, bringt die gesamte Produktentwicklung ja nicht viel.
Da müssen wir unbedingt beim Konsumenten ansetzen. Es ist wichtig, dass man PET-Flaschen nicht im Müll entsorgt, sondern über den PET-Strom. Ebenso wichtig ist, dass man Kunststoff beginnt zentral zu sammeln. Die Sortiertechnik wird in einigen Jahren so weit sein, dass man praktisch alles sortieren kann. Dann spielt es keine Rolle mehr, ober der Kunststoffabfall rein ist oder nicht. Sondern man kann das Material einfach schreddern und entsprechend aussortieren. Dem Konsumenten wird man kaum je die Sortierung in die verschiedenen Ströme überlassen können. Deshalb geht es in Richtung automatische Sortierung im Recycling-Hof.
Wie weit sind wir da in der Schweiz?
Die Schweiz ist noch etwas im Hintertreff. In Sachen Sortiertechnik und Recycling gibt es noch einiges aufzuholen. Vieles wird hier noch thermisch recycelt. Zumindest wirft man den Kunststoff nicht weg, sondern man bezieht noch einmal thermische Energie daraus. Weil, solange man Gas verbrennt ist es viel schlauer, aus dem Gas zunächst Kunststoff herzustellen und anschliessend den Kunststoff zu verbrennen.
Man sollte auch bedenken, dass der Anteil Kunststoff am weltweiten Ölverbrauch nur weniger als 2% beträgt. Der Rest wird verfahren, verheizt oder verstromt. Ich finde, solange man in diesen Bereichen noch hohe Sparpotenziale hat, ist die thermische Verwertung von Kunststoff immer noch eine saubere Lösung.
Aber auf die Dauer braucht es andere Methoden.
Langfristig habe ich das Gefühl, dass für sortenreine Stoffe das chemische Recycling Oberhand gewinnen wird.
Wie sieht es mit der Energiebilanz aus?
Natürlich braucht es eine gewisse Energiemenge. Auch dort wird es Optimierungen geben. So kann man die Moleküle zurückgewinnen und daraus neues Material herstellen. Auch die Problematik mit den Farbstoffen, die nicht so einfach rezyklierbar sind, fällt weg.
Wenn man sieht was Kunststoff alles leistet für unsere Gesellschaft, darf die Rückgewinnung schon etwas kosten. Nehmen Sie Foodwaste als Beispiel. Viele Lebensmittel würden ohne Kunststoffverpackung viel schneller verderben und damit das CO2-Problem verstärken.
Sind Kunststoffprodukte zu billig? Würde man mit chemischen Recycling geschlossene Stoffkreisläufe erreichen, würden ja die Preise über den gesamten Produktlebenszyklus sicher höher.
Ob Kunststoffprodukte zu billig sind kann man nicht sagen. Die Frage ist eher, was man politisch erreichen kann. Es ist wie überall. Energie wird verschwendet. Wird nun weniger verschwendet, sobald Energie teurer wird? Das ist schwierig zu beantworten. Ich glaube man macht sich einfach zu wenig Gedanken. Viele sagen zwar sie möchten sparen aber unter dem Strich tun es dann doch die wenigsten. Es gibt immer Systeme, die man politisch aktivieren muss, und Kunststoff ist sicher ein solches.
Was halten Sie von entsprechenden Labels wie A+ bei Elektrogeräten?
Ich bin überzeugt, dass es in Richtung CO2-Fussabdruck gehen wird. Dort merken wir auch konkret, dass viele Kundenfragen nach dem Fussabdruck unserer Produkte gestellt werden. Das wird hoffentlich auch zum Kaufkriterium. Ich kann mir vorstellen, dass in 5 bis 10 Jahren entsprechende Labels und Deklarationen kommen werden. Das muss aber politisch weltweit durchgesetzt werden. Im Zusammenhang mit dem Kyoto-Protokoll und anderen Klimaschutzmassnahmen wird das schon diskutiert. Dabei ist Kunststoff aber nur ein kleiner Teil.
Thomas Meier