Die am IWK durchgeführte Ökobilanz des F385 Circ-Case für iPhone (Freitag) zeigt, dass Handyhüllen aus recycelten Skischuhen auch ökologisch überzeugen können. Im Vergleich zu Hüllen aus Primärmaterial verursacht das Circ-Case 70 bis 80 % weniger CO₂-Emissionen. Damit liefert diese alternative Handyhülle den zahlenbasierten Beweis, dass Kreislaufwirtschaft auch im Kleinen grosse Wirkung hat.
Von Prof. Daniel Schwendemann, Marc Akermann, Johanna Klobasa, IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung, OST Ostschweizer Fachhochschule
Mit der Markteinführung der F385 Circ-Case-Handyhülle ist es im April 2023 gelungen, aufzuzeigen, dass ein geschlossener mechanischer Recyclingkreislauf auch abseits grosser Materialströme (wie z.B. PET-Flaschen) möglich ist. Für die Handyhüllen wurden gebrauchte Skischuhe am Ende ihres Lebenszyklus recycelt und zu Handyhüllen verarbeitet, welche qualitativ ihren Konkurrenzprodukten in nichts nachstehen. Durch den von Freitag implementierten Take-Back-Prozess können die Hüllen am Ende ihrer Nutzungsdauer erneut dem Closed-Loop-Recyclingkreislauf zugeführt werden.
Ziel des Projekts war es von Anfang an, nicht nur einen geschlossenen Kreislauf zu realisieren, sondern auch eine aus ökologischer Sicht sinnvolle Alternative zu herkömmlichen Handyhüllen zu schaffen. Gerade in Zeiten, in denen Nachhaltigkeitsversprechen kritisch hinterfragt werden, ist es entscheidend, ökologische Vorteile mit belastbaren Zahlen zu belegen. Daher wurden die Umweltauswirkungen der Circ-Case Hülle anhand einer CO2-Fussabdruck-Analyse und einer umfassenden Ökobilanz untersucht.
Im Mittelpunkt der Studie stand die Frage, welche Prozessschritte innerhalb der Circ-Case-Wertschöpfungskette den grössten Anteil der Umweltauswirkungen ausmachen und wo sich künftig die grössten Hebel für Verbesserungen finden lassen. Zudem wurde bewertet, in welchem Umfang die Herstellung einer Handyhülle aus recycelten Skischuhen gegenüber einer Hülle aus Primärmaterial ökologisch vorteilhaft ist.
Vom Skischuh zur Handyhülle
Für beide Varianten – Circ-Case und Primärmaterialhülle – wurde der gesamte Lebenszyklus betrachtet: von der Sammlung der Skischuhe beziehungsweise der Rohstoffgewinnung bis zur Ankunft der fertigen Hülle im Freitag-Store in Zürich. Als funktionelle Einheit dient jeweils eine Handyhülle mit vergleichbarer Nutzungsdauer. Aufgrund von Erfahrungswerten und dem direkten mechanischen Vergleich zwischen Neu- und Altmaterial kann angenommen werden, dass das Circ-Case und Hüllen aus Primärmaterial gleich lange verwendet werden können.
Die Prozesskette des Circ-Case ist in Abbildung 1 dargestellt. Der Prozess beginnt mit der Sammlung ausgedienter Skischuhe an diversen Sammelstellen in der Schweiz. Die Skischuhe werden dann auf Europaletten zur Argo Werkstätte nach Davos transportiert (1). Sämtliche Transportschritte in der Prozesskette finden mit Kleintransportern statt (2). Nach Ankunft bei der Argo werden die Skischuhe manuell zerlegt, die Teile, welche aus TPU bestehen identifiziert und in einem zweistufigen Prozess zu Mahlgut verarbeitet (3). Der darauffolgende Compoundier- und Spritzgiessprozess findet bei Partnerunternehmen in der Ostschweiz statt (4), bevor die fertige Handyhülle in den Freitag-Store in Zürich geliefert wird. Prozessverluste wurden für sämtliche Prozessschritte gemäss Erfahrungswerten berücksichtigt (5).
Für die Hülle aus Primärmaterial wurde angenommen, dass das Virgin-TPU in Deutschland hergestellt wird (1) und anschliessend in der Schweiz weiterverarbeitet wird (3). Für den Transport des Rohmaterials in die Schweiz wurde angenommen, dass dies mit einem LKW mit höherer Ladekapazität erfolgt (2). Die einzelnen Prozessschritte sind in Abbildung 2 dargestellt. Sämtliche Annahmen für die Herstellung der Hülle aus Primärmaterial wurden so gewählt, dass sie sich möglichst positiv auf die Hülle aus Primärmaterial auswirken. So wurde bewusst nicht angenommen, dass das Rohmaterial in Asien hergestellt wird, um etwaige Nachteile durch einen weniger «grünen» Strommix zu vermeiden, und um möglichst kurze Transportwege sicherzustellen.
Für die Berechnung der Umweltauswirkungen des Recyclingmaterials wurde der Cut-Off-Ansatz gewählt. Für beide Hüllen wurden neben dem CO2-Fussabdruck auch die Umweltauswirkungen gemäss der Environmental Footprint Methode und der Methode der ökologischen Knappheit berechnet. Die Berechnungen basieren, wo immer möglich, auf Primärdaten. Als Hintergrunddatenbank wurde ecoinvent eingesetzt, die Modellierung erfolgt mit SimaPro.
Ergebnisse – Deutlich geringere Umweltbelastungen
Die Ergebnisse für das Circ-Case zeigen, dass der grösste Anteil des CO2-Fussabdrucks beim Spritzgiessen anfällt. Am zweitstärksten fällt der Transport der gefüllten Skischuhpaletten zu Argo nach Davos ins Gewicht, welcher anteilsmässig auf die einzelne Circ-Case Handyhülle rückgerechnet wird. Der Beitrag der einzelnen Prozessschritte ist in Abbildung 3 dargestellt. Für eine bessere Übersicht sind in der Legende nur Prozessschritte mit einem Beitrag grösser als 5% angegeben.
Bei der Hülle aus Primärmaterial wird der mit Abstand grösste Anteil des CO2-Fussabdrucks durch die Herstellung des Virgin-TPU verursacht. Der Vergleich beider Varianten verdeutlicht: Die Herstellung des Circ-Case aus alten Skischuhen ist ökologisch in jedem Fall sinnvoll. Je nach gewähltem Strommix und Annahmen zur Rohmaterialherstellung lässt sich der CO2-Fussabdruck um 70-80% reduzieren (Abb. 4).
Um die Aussage der CO2-Fussabdruckberechnung zu überprüfen, wurden die Umweltauswirkungen zusätzlich mit der Methode der ökologischen Knappheit und der Environmental Footprint Methode berechnet. Auch hier bestätigt sich der Trend: Die Umweltbelastungen des Circ-Case liegen mit beiden Methoden um mindestens 70% niedriger als jene der Primärmaterialhülle. Der Indikator „Klimawandel“ (CO₂-Fussabdruck) macht dabei in beiden Fällen über die Hälfte der Gesamtwirkung aus und erweist sich damit als verlässliche Kenngrösse für diesen Anwendungsfall.
Challenges, Learnings und nächste Schritte
Mit der Ökobilanz des Circ-Case konnte bestätigt werden, dass die Herstellung von Handyhüllen aus recycelten Skischuhen nicht nur zur Schliessung von Materialkreisläufen beiträgt, sondern auch aus ökologischer Sicht vorteilhaft ist. Zudem liefert die Analyse wertvolle Erkenntnisse darüber, welche Prozessschritte innerhalb der Circ-Case Prozesskette den grössten Einfluss auf die gesamten Umweltauswirkungen haben und wo die effektivsten Hebel für weitere Optimierungen liegen.
Zusätzlich konnte durch die Durchführung der Studie, das Verständnis für die methodischen Herausforderungen von Ökobilanzen weiter vertieft werden. Dazu zählt unter anderem die sinnvolle Abschätzung von Energieverbräuchen von Prozessen sowie die Miteinbeziehung der Beiträge von Infrastrukturkomponenten (Maschine, Halle, …) und Up- und Down-Stream-Equipment. Von Materialseite her stellt vor allem die Definition geeigneter Proxy-Werte eine zentrale Herausforderung dar, wenn weder Primärdaten noch belastbare Datenbankwerte vorliegen.
Durch gezielte Sensitivitätsanalyse konnte die Unsicherheit, die mit solchen Annahmen verbunden ist, deutlich reduziert werden. So wurde überprüft, wie sich die Änderung bei den Proxy-Werten für das Primär-TPU, bei den Energieverbräuchen der Aufbereitungsmaschinen sowie beim verwendeten Strommix auf das Gesamtergebnis auswirken. Die Ergebnisse blieben in allen Fällen robust gegenüber den geprüften Variationen.
Da die Wahl der Allokationsmethode massgeblichen Einfluss auf den Vergleich zwischen Circ-Case und einer Hülle aus Primärmaterial hat, soll nun in einem nächsten Schritt geprüft werden, inwieweit die Resultate auch unter Anwendung der Circular Footprint Formular (CFF) Bestand haben.
Kontakt
Prof. Daniel Schwendemann
IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung,
OST Ostschweizer Fachhochschule
daniel.schwendemann@ost.ch
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