Am 4. September 2025 begeht das IWK zusammen mit Kunden, Partnern und Gästen aus der Wirtschaft und Politik das 20-Jahr-Jubiläum. Gestartet ist das Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung mit neun Leuten, heute kümmern sich 60 Personen um Lehre, Weiterbildung, Forschung & Entwicklung und Dienstleistungen. Prof. Dr. Frank Ehrig, Institutsleiter der ersten Stunde, erzählt, wie er die zwei Dekaden am Institut erlebt hat.
Von Marianne Flury
Herr Ehrig, im September feiert das IWK und mit ihm auch Sie und ein Teil Ihres Teams 20 Jahre IWK. Was bedeutet das für Sie?
Frank Ehrig: Wir sind natürlich stolz, die 20 Jahre erreicht zu haben. Ein Bild aus der Anfangszeit zeigt das erste Team, bestehend aus neun Mitarbeitern, und heute sind wir 60. Dieses Wachstum ist schon beeindruckend. Nicht nur wegen der Anzahl Personen, sondern auch kompetenzmässig. Die Kompetenzen haben sich im Vergleich zu früher, enorm entwickelt.
Und wie hat sich dazu die Bildungslandschaft verändert?
Ehrig: Die Bildungslandschaft insgesamt ist im Grossen und Ganzen gleichgeblieben. Es gibt die beiden grossen ETH, es gibt die Empa und die Fachhochschulen. In der Ostschweiz ist vielleicht die Fusion der Teilschulen auf dem Kantonsgebiet St. Gallen zur OST Ostschweizer Fachhochschule zu nennen sowie die Gründung der Fachhochschule Graubünden.
Sie haben die Fusion zur OST angesprochen. Weshalb dieser Zusammenschluss?
Ehrig: Das war ein politischer Wunsch. Die drei Teilschulen auf St. Galler Gebiet in St. Gallen, Buchs und Rapperswil sowie die HTW Chur gehörten zur Fachhochschule Ostschweiz (FHO), waren aber eigenständig. Der Kanton hat entschieden, eine einheitliche Fachhochschule zu bilden, um eine gewisse Grösse zu erreichen. So ist es dann zur Fusion gekommen – ohne die HTW Chur, die ausgestiegen ist.
Fachkräftemangel – das Stichwort scheint mir älter als das IWK. Weshalb kommt man da nicht vom Fleck? Was könnte man besser machen?
Ehrig: Das sind verschiedene Faktoren, die da reinspielen. Ich denke, man muss auf verschiedenen Ebenen tätig sein, um dem Fachkräftemangel in der Technik entgegenzuwirken. Junge Leute finden den Weg in den Beruf meistens über die Eltern und Lehrer. Von Eltern, die mit Technik nichts zu tun haben, kommen aber keine Impulse, und die Lehrer haben auch eher wenig Ahnung von Technik. Hier leisten wir unseren Beitrag zum Beispiel mit unserem Schülerlabor, das wir schon seit zwölf Jahren für die achten Klassen der Real- und Sekundarschule anbieten – an Schülerinnen und Schüler also, die gerade in der Bewerbungsphase für ihre Lehre sind. Mittlerweile haben mehr als 9000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen. Ziel dabei ist es, einige Jugendliche mehr für eine technische Lehre zu motivieren. Man muss an der Basis ansetzen, sonst fehlen uns die technischen Mitarbeitenden in der weiteren Berufsausbildung. Wer im Anschluss an die Lehre die Berufsmatura macht, kommt dann z.B. zu uns an die Fachhochschule. Auf dem weiteren Weg lässt die Schweiz viele Möglichkeiten offen, das Schulsystem ist ja sehr durchlässig. Diese Chancen müssten noch viel stärker aufgezeigt werden. Unsere Anmeldezahlen an der OST in der Maschinentechnik sind jetzt wieder auf einem guten Niveau. Wir können damit sicherstellen, dass wir eine bedeutende Anzahl Absolventen in den Markt bringen – und durch die Vertiefung Kunststofftechnik insbesondere auch die Unternehmen der Kunststoffbranche unterstützen – wodurch wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
„Man muss an der Basis ansetzen, sonst fehlen uns die technischen Mitarbeitenden in der weiteren Berufsausbildung.“
Sie sagen, ’heute sind unsere Anmeldezahlen wieder gut im Maschinenbau’ – das war nicht immer so?
Ehrig: Als wir vor 20 Jahren mit dem Bachelorstudium angefangen haben, hatten wir im Schnitt über 70 Studierende im ersten Semester. Zwischenzeitlich waren wir unter 70 Neuanmeldungen gerutscht, und wir mussten unsere Strategie anpassen. Es gibt verschiedene Fachhochschulen, die Maschinentechnik als Bachelorstudium anbieten, und der Markt wird nicht grösser. D.h. es ist auch ein Verdrängungswettbewerb. Inzwischen haben wir unser Curriculum modernisiert und die Möglichkeit zum Teilzeitstudium eingeführt. Wir waren eine der wenigen Fachhochschulen, an der man Maschinentechnik nicht in Teilzeit studieren konnte. Studierende, die gleichzeitig einen Job ausüben, benötigen einen speziellen Stundenplan. Durch diese Massnahmen konnten die Anfängerzahlen auf über 80 Studierende erhöht werden. Das ist sowohl für uns wie für die Industrie eine gute Nachricht.
Welchen Beitrag liefert das IWK im Studiengang Maschinentechnik I Innovation?
Ehrig: Wir als Team von Professoren/Dozenten mit Unterstützung unserer wissenschaftlichen Mitarbeitenden unterrichten in den Grundlagenfächern Werkstoffkunde, Fertigungsverfahren und Festigkeitslehre. Ab dem vierten Semester können die Studierenden sich dann spezialisieren in den Vertiefungsrichtungen Produktentwicklung, Robotik/Automatisierung oder Kunststofftechnik. Im Ausbildungsangebot der Vertiefung Kunststofftechnik gibt es zusätzlich zu den fachspezifischen Kunststoffmodulen noch sehr gut ergänzende Fächer wie Simulationsmethoden, Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und Thermodynamik – alles Fächer, die besonders für die Kunststoffindustrie wichtig sind. Diese Fächer füllen den Rucksack mit breitem Kunststofftechnikwissen. Unsere Absolventen werden denn auch sehr gerne von der Industrie eingestellt. Treffe ich auf Ehemalige beispielsweise auf Messen, frage ich jeweils, was sie machen und ob die Ausbildung sie genügend auf ihre Tätigkeit vorbereitet habe. Da erhalte ich in der Regel immer positive Feedbacks, wie ‘mit dem, was wir da gelernt haben, haben wir echt ein gutes Rüstzeug zum Start mitbekommen’. Das ist die Aufgabe des IWK und zeigt, welchen Stellenwert die Vertiefung Kunststofftechnik hat.
Womit verdient das IWK sein Geld?
Ehrig: Jede Fachhochschule in der Schweiz hat einen vierfachen Leistungsauftrag. Das eine ist die Lehre – d.h. Vorlesungen, Praktika, Übungen – die wird von der öffentlichen Hand (Bund/Kanton) über die Schule finanziert. Der zweite Bereich ist Forschung und Entwicklung, in der Regel immer in Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen. Solche Projekte werden entweder direkt von den Firmen finanziert oder zusätzlich von öffentlichen Geldgebern unterstützt, wie zum Beispiel die Innosuisse. Die interessante Projektarbeit mit den Industriepartnern ist der Grund, weshalb wir einige unserer besten Absolventen noch drei bis vier Jahre am Institut engagieren können. Der dritte Bereich sind Dienstleistungen, das sind repetitive Tätigkeiten wie Standardprüfungen für Firmen, beispielsweise eine MFI- oder DSC-Messung oder Zugstäbe herstellen und direkt zu prüfen. Dieser Dienstleistungsanteil ist aber sehr klein am Gesamtumsatz.
Der vierte und letzte Bereich ist die Weiterbildung. Wir führen Seminare für Firmen durch, z.B. über die Temperierung von Spritzgiesswerkzeugen, Bauteilauslegung oder Einsatzmöglichkeiten der Digitalisierung. Ein weitaus umfangreicherer Teil der Weiterbildung ist der zertifizierte CAS-Kurs (Certificate of Advanced Studies) im Bereich Auslegung und Herstellung von Kunststoffbauteilen. Mitarbeitende aus Unternehmen kommen während eines halben Jahres jeweils am Freitag und am Samstag zu uns und werden zu verschiedenen Aspekten rund um die Bauteilauslegung und -herstellung weitergebildet. Mit den Einkünften aus diesen vier Säulen müssen wir unsere Mitarbeitenden finanzieren. Um erfolgreich zu sein, müssen wir also die Bedürfnisse der Industrie kennen und Lösungen für deren Probleme anbieten können.
Wie haben Sie sich verändert in den 20 Jahren? Wie hat Sie die Zeit geprägt?
Ehrig: Als wir angefangen hatten, waren wir nur eine kleine Gruppe – Johannes Kunz, Markus Henne, die sechs wissenschaftlichen Mitarbeiter und ich. Alles war übersichtlich, es konnte schnell entschieden werden – eine wirklich tolle Zeit. Aber nachteilig damals waren die eingeschränkten Kompetenzen auf Spritzgiessen und Faserverbundtechnik. So konnten wir Firmen, die mit Fragen beispielsweise bezüglich Materialmodifizierung zu uns kamen, nicht wirklich unterstützen. Da mussten wir mit Dienstleistern oder Hochschulen kooperieren und das Material dort compoundieren lassen. Über die Zeit sind wir gewachsen – personell auf 60 Mitarbeitende aber auch bei der Infrastruktur und Softwareausstattung – und damit vergrösserte sich auch unser Leistungsspektrum. Das Positive heute ist, dass eine Firma zu uns kommen kann und wir mit unseren sieben Fachbereichen wirklich bei fast allen Fragestellungen eine Lösung bieten können.
„Grösse bedeutet aber auch Verantwortung.“
Grösse bedeutet aber auch Verantwortung. Die Mitarbeitenden müssen alle finanziert werden, durch die Leistungsaufträge, die ich eben genannt hatte. Da bin ich sehr froh, dass meine sieben Teamleiter die Verantwortung für die Finanzen und fachlichen Inhalte übernehmen und schauen, dass es genügend Projekte gibt und ihre Mitarbeitenden ausgelastet sind. Wenn das nicht so wäre, hätte ich bei der Grösse des Instituts manche schlaflose Nacht. Zudem bin ich Abteilungsleiter der ganzen Maschinentechnik, zu der zwei weitere Institute und der Studiengang Maschinentechnik I Innovation gehören. Wir haben auch hier sehr gute Teamplayer, ohne die das Ganze nicht funktionieren würde. Und wenn mal alles Drunter und Drüber geht, halte ich mich an die Devise meines Weggefährten Markus Henne: ’Mach immer eins nach dem anderen, Frank’.
Was sind die heutigen Herausforderungen, die das IWK bewältigen muss?
Ehrig: Einerseits sind wir durch die enge Zusammenarbeit mit der Industrie direkt mit der Situation in der Wirtschaft verbunden. Hier herrscht derzeit viel Unsicherheit, bei einigen Firmen läuft es nicht gut. Was bedeutet das für ein Institut? Es gibt Unternehmen, die sich jetzt insbesondere durch Innovationsprojekte für die Zukunft aufstellen, andere haben Kurzarbeit und führen keine Projekte mehr durch. Im Moment ist unsere Projektlage noch gut. Wir werden sehen.
Andererseits planen auch der Bund und unser Kanton Sparmassnahmen, so dass wir sehr wahrscheinlich weniger Geld für die Lehre sowie für Forschung und Entwicklung bekommen werden. Es ist z.B. davon auszugehen, dass der Innovationsagentur Innosuisse auch weniger Geld zur Verfügung stehen wird, was uns auch stark betreffen würde. Unser finanzieller Rahmen wird also enger und damit müssen wir uns zurechtfinden.
Welche Rolle spielt heute die Digitalisierung und KI in der Aus- und Weiterbildung?
Ehrig: KI und Digitalisierung nehmen z.B. in der Produktentwicklung und Produktion eine immer wichtigere Rolle ein. Im Product Lifecycle Management geht es darum, aus Daten Zusammenhänge zu erkennen, die Einfluss auf die Bauteilqualität haben, in der Produktion zum Beispiel, um vorbeugende Instandhaltung zu betreiben. Am IWK erfahren die Studierenden, wie sie an die Dateninformationen kommen und diese gezielt auswerten. Dazu gibt es im Curriculum Spezialvorlesungen wie ‚Angewandte Digitalisierung in der Industrie‘. Zusätzlich werden Semester-/Bachelorarbeiten in diesem Bereich angeboten. Für uns ist wichtig, dass die Studierenden diese Tools kennen und mit ihnen umgehen können, damit sie für ihr Berufsleben gut vorbereitet sind. Diese Themen werden auch in der Weiterbildung in einigen CAS behandelt.
Heute setzt man vermehrt auf Partnerschaften. Wie sieht das beim IWK aus?
Ehrig: Wir haben sowohl in der Lehre als auch im Forschungsbereich Partnerschaften. Die Professoren vom IWK haben ein gutes Netzwerk mit anderen Hochschulen. Wir pflegen die Kontakte und werden hier und da für Vorlesungseinheiten angefragt. So unterrichten wir z.B. in Luzern, Bern, Slowenien oder Toronto. Im Bereich der Forschung ist es ähnlich. Wir arbeiten mit vielen anderen Hochschulen oft in Innosuisse-Projekten zusammen, wie den verschiedenen Fachhochschulen, ETH, EPFL oder HSG. Ja, diese Kooperationen, bei denen man komplementär die Kompetenzen zusammenbringt, hat in den letzten Jahren stark zugenommen.
Wie steht es denn mit dem Konkurrenzdenken? Wie geht man damit um unter den Instituten? Ihr müsst ja auch Projekte haben und – wie Sie selber sagen – der Kuchen wird nicht grösser.
Ehrig: Die meisten oben genannten Hochschulen sind eher komplementär zum IWK. Z.B. haben wir mit der ZHAW im Bereich Regelungstechnik oder mit der HSLU im Bereich Textil zusammengearbeitet. Im grossen Flagship-Projekt Net Zero Plastics Industry der Innosuisse arbeiten die HSG, ETH, EPFL, SUPSI und wir gemeinsam an Lösungen. In den Projekten bringt jeder seine Kompetenzen ein und alle, insbesondere auch die beteiligten Industriepartner, profitieren davon. Bei der FHNW mit den beiden Instituten INKA und IKT ist es so, dass wir beide unsere Stärken im Kunststoffbereich haben und uns trotzdem ergänzen können. Denn zusammen sind die Erfolgsaussichten heute für Hochschulen, die gemeinsam auftreten, grösser. Aktuell laufen Innosuisse- und Industrieprojekte mit der FHNW. Im Bereich Forschung und Entwicklung ist der Markt zudem gross genug, dass man aneinander vorbei kommt und auch hier und da gezielt die Zusammenarbeit sucht. Das Miteinander mit den Kolleginnen und Kollegen ist wirklich unkompliziert und sehr gut. Auch unser CAS, den ich vorhin erwähnt habe, ist Bestandteil des MAS (Master of Advanced Studies) der FHNW. Diese etablierte Zusammenarbeit geht noch auf unsere Vorgänger Prof. Kunz und Prof. Kaiser zurück.
Wo steht das IWK in 5 Jahren?
Ehrig: In den 20 Jahren sind wir von neun auf heute 60 Personen angewachsen, wobei das grösste Wachstum in den letzten fünf Jahren stattgefunden hat. Aufgrund der bereits beschriebenen Unsicherheiten in der Wirtschaft und den öffentlichen Geldgebern werden die nächsten fünf Jahre eher eine Konsolidierungsphase sein. Wir sind heute eins der grössten Institute der OST. Es ist schon erstaunlich: Als ich angefangen habe, habe ich gedacht, ich mach mal fünf Jahre und jetzt leite ich das IWK seit 20 Jahren und freue mich auf die weiteren Jahre – und dann sehen wir weiter.
Haben Sie eine Vision für das IWK?
Ehrig: Ja, aber die geht über das Institut hinaus. Wie erwähnt, bin ich Abteilungsleiter Maschinentechnik, zu der neben dem IWK noch die beiden Institute ILT (Institut für Laborautomation und Mechatronik) und IPEK (Institut für Produktdesign, Entwicklung und Konstruktion) gehören. Die drei Institute bilden einen super Verbund, den wir nach aussen viel stärker vermarkten müssen. Das IWK ist ausgesprochen technologieorientiert – neue Produkte, Werkstoffe, Produktionsverfahren für die Kunststofftechnik und auch die Metallbearbeitung. Auch das ILT arbeitet an technischen Lösungen mit dem Fokus auf Robotik, Automatisierung und Digitalisierung in der Industrie. Demgegenüber bearbeitet das IPEK eher die gesamte Wertschöpfungskette inklusive der Fragestellungen aus dem Wirtschaftsingenieurwesen: Innovations-, Technologie- Produktionsmanagement, Supply Chain- und Nachhaltigkeits-Fragestellungen. Die drei Institute sind durch ihre Kompetenzen in der Lage, Fragestellungen entlang der ganzen Wertschöpfungskette integral zu bearbeiten. Eine systematische und methodische Vorgehensweise kombiniert mit technologischem Fachwissen ermöglicht eine branchenunabhängige Anwendung des Know-hows. Meine Aufgabe in den nächsten Jahren wird es sein, den Firmen das Gesamtpaket anzubieten. Wir sind heute als IWK schon so breit aufgestellt, dass wir uns nicht die Frage stellen müssen, wo wir noch hinwollen, sondern das Ganze eher von einer höheren Ebene aus betrachten und schauen, dass wir mit den anderen beiden Instituten zusammen unsere Industrieunternehmen für die Produktion von morgen fit machen.
Kontakt
IWK Institut für Werkstofftechnik und
Kunststoffverarbeitung
OST Ostschweizer Fachhochschule
CH-8640 Rapperswil-Jona
www.ost.ch/iwk