Die Fachzeitschrift für
Werkstoffe – Verarbeitung – Anwendung

Ausmass von Mikroplastik im Meer noch nicht absehbar

Mikroplastik im Meer
Das neue Themenpapier stellt konkrete Massnahmen vor, um den Plastikeintrag im Meer zu verringern. (Bild: Fraunhofer Umsicht / Sabina Bredemeier)

Mikroplastik wird in allen Bereichen der (deutschen) Meere nachgewiesen und kann die Fortpflanzungsfähigkeit und Fitness von Meereslebewesen insbesondere an der Basis des marinen Nahrungsnetzes beeinträchtigen. In einem aktuellen Themenpapier unter Federführung des Fraunhofer UMSICHT zeigt der „Runde Tisch Meeresmüll“ zahlreiche Möglichkeiten auf, wie weniger Mikroplastik ins Meer gelangen kann.

Mikroplastik ist ein komplexes Umweltproblem. Es kann als direktes Mikroplastik in die Umwelt gelangen oder während der Nutzung durch Abrieb entstehen. Zur ersten Gruppe gehören zum Beispiel Kunstraseninfills oder Pelletverluste. Zur zweiten Gruppe zählen unter anderem Reifen- und Strassenabrieb, die Verwitterung von Farben und Beschichtungen, Verluste aus Dämmstoffen und die Faserfreisetzung aus Textilien. Die Reduktion von Kunststoffemissionen ist daher durch einzelne Massnahmen nicht zu erreichen, sondern erfordert ein breites Bündel an Aktionen.

Das Papier des „Runden Tischs Meeresmüll“ beruht auf den Ergebnissen einer dreiteiligen Workshopreihe, die vom Umweltbundesamt und Fraunhofer Uumsicht gemeinsam mit den Mitgliedern der Unterarbeitsgruppe zu Mikroplastik des Runden Tisches Meeresmüll organisiert wurde. Es zeigt, dass bei den Quellen und den freigesetzten Mengen noch immer auch auf Abschätzungen vertraut werden muss. Der Runde Tisch fordert daher weitere vertiefende empirische Untersuchungen, um zu belastbaren Zahlen zu kommen.

Stefanie Werner, Meeresschutzexpertin im Umweltbundesamt und Geschäftsführerin des Runden Tisch Meeresmüll: „Um das Mikroplastikproblem zu bekämpfen ist insbesondere die Kunststoffindustrie gefragt. Sie sollte Sorge tragen, die notwendigen vertiefenden Untersuchungen hinsichtlich der freigesetzten Mengen von Mikroplastik durchzuführen, um dem Vorsorge- und Verursacherprinzip zu entsprechen und so zur Lösung des zu grossen Teilen durch sie verursachtem Umweltproblems beizutragen.“

28 konkrete Massnahmen für den Meeresschutz

Jürgen Bertling von Fraunhofer Umsicht, Korrespondenzautor des Themenpapiers: „Die Reduktion von Kunststoffemissionen ist durch singuläre Massnahmen kaum zu erreichen, sondern erfordert zahlreiche inter- und transdisziplinäre Zugänge. Ähnlich wie bei den Erkenntnisgewinnen zum Klimawandel über die letzten Jahrzehnte werden auch bei den Kunststoffemissionen, die mit ihnen zusammenhängenden Wirkungen erst langsam verstanden. In beiden Fällen spricht die schiere Menge der Emissionen aber für einen vorsorgenden Umweltschutz.“

Der Bericht des Runden Tisches Meeresmüll schlägt zu diesem Zweck 28 konkrete Massnahmen vor. Besonders hohe Relevanz für den Meeresschutz haben dabei:

  • Verringerung der Freisetzung von Mikroplastik aus Reifenabrieb durch Anpassung von Verkehrskonzepten und neue Reifenmaterialien
  • Entwicklung emissionsärmerer Textilien und besserer Verarbeitungstechnologien sowie Vorwaschen von Textilien
  • Verminderung der Einträge der besonders leichten und damit mobilen Polystyrolschaumstoffe aus der Bauwirtschaft durch Schärfung der Vorgaben zur Verwendung und Verarbeitung von Dämmstoffen und Einsatz von temporären Niederschlagsfiltern um Baustellen
  • Verbesserung der Regenwasserbehandlung als zentralem Eintragspfad für nicht intendiertes Mikroplastik bspw. durch Bodenretentionsfilter
  • Reduzierung des Einsatzes von Kunststoffen in umweltoffenen Anwendungen in der Meeres-/Küstenumwelt (z.B. Geotextilien, Korrosionsschutz von Offshore-Installationen)
  • Ausstattung des bestehenden freiwilligen Konzepts der Kunststoffindustrie »Operation Clean Sweep« mit einer extern validierten Zertifizierung für Pellets von Kunststoff-Werkstoffen (Granulate, Flakes, Griess oder Pulver)
  • Regulierung von bewusst zugesetztem Mikroplastik und Entwicklung und Implementierung von Normen und Standards, um für bestimmte Produkte und Materialien die biologische Abbaubarkeit auch unter marinen Bedingungen sicherzustellen.

Runder Tisch Meeresmüll

Der Runde Tisch Meeresmüll steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz und des Umweltbundesamtes.

www.umsicht.fraunhofer.de

Das könnte Sie auch interessieren:

Newsletter abonnieren