Die Entwicklung von Alpinski ist typischerweise ein aufwändiger und von vielen iterativen Entwicklungsschritten bestimmter Prozess. Die hohe Anzahl benötigter Prototypen führt zu hohen Entwicklungskosten und verhindert die Realisierung disruptiver Ansätze. Obwohl objektiv viele Materialparameter bekannt sind, zählt am Schluss hauptsächlich der subjektive Fahreindruck. Mit neuen, ganzheitlichen Entwicklungsansätzen geht zai mit dem IWK den nächsten Schritt um die Entwicklung von Ski im High-End Bereich effizienter und präziser zu gestalten.
Dipl. Ing. (FH) Dominik Stapf, IWK, Prof. Dr. Gion A. Barandun, IWK, Benedikt Germanier, zai
In der KunststoffXtra 5-6/2022 wurde bereits über die Zusammenarbeit der beiden Partner berichtet – dabei ging es hauptsächlich um den Einsatz neuer Materialien und den Aufbau eines spezifischen Prüfstandes für die Messung der für das Fahrgefühl sehr wichtigen Schwingungseigenschaften. Die Entwicklung hört dort aber nicht auf: Längerfristig muss das Design von neuen Ski effizienter werden, um die Korrelation von Materialparametern und dem für die Kunden daraus resultierenden Fahrgefühl zu erlauben. Ein geeignetes Mittel dafür ist der Einsatz von Simulationsansätzen bereits früh in der Konzeptionierung. Während die Simulation des mechanischen Verhaltens bei vielen Industrieprodukten heutzutage Standard ist, gestaltet sich die virtuelle Entwicklung bei Sportgeräten allgemein und bei Ski oder Snowboards im Speziellen schwieriger. Einerseits spielt die subjektive Wahrnehmung eine wichtige Rolle – diese kann mit der (objektiven) Simulation kaum abgedeckt werden. Andererseits ist das Zusammenspiel zwischen Schnee, Ski und dem Skifahrer sehr komplex.
Gefühl und Messung abstimmen
Ein bewährter Ansatz, um die Komplexität niedrig zu halten und gleichzeitig relevante Aussagen zu erhalten, ist die Variation nur eines (oder zumindest weniger) Parameter von Versuch zu Versuch. Für die Skientwicklung bedeutet dies, dass beispielsweise nur die Form der Ski variiert und dann die Einflüsse auf das Verhalten beurteilt werden. Dies geschieht sowohl virtuell (über Finite Elemente Modellierung und Aussagen zu auftretenden Kräften und Deformationen) wie auch über Messungen und Fahrversuche. Doch wie gut korrelieren diese verschiedenen Beurteilungen miteinander?
Als erstes muss ein zuverlässiges und korrektes Simulationsmodell erstellt werden. Gerade bei einem Ski, dessen Aufbau mit verschiedenen Schichten aus sehr unterschiedlichen Materialien extrem komplex ist, stellt dies keine einfache Aufgabe dar. Die Haupteinflussfaktoren für die Skifahrenden sind:
- Steifigkeit des Skis – diese beeinflusst die Krafteinleitung, erzielbare Geschwindigkeiten sowie die Kurvenfahrt.
- Dämpfung/Schwingungsverhalten des Ski – davon hängen der Fahrkomfort, die Sicherheit und die Laufruhe ab. Dank des am IWK vorhandenen Prüfstandes (Bild 1) können diese beiden Grössen objektiv und sehr effizient gemessen werden – die Resultate eignen sich zum direkten Vergleich mit entsprechenden FE-Analysen.
- Kontakt zwischen Ski und Schnee – Auftrieb bzw. Kräfte, welche auf den Skifahrer wirken.
In die Modellierung muss auch die Korrelation zwischen den gemessenen oder simulierten Werten und der «gefühlten» Bewertung der Ski durch verschiedene Testpersonen einfliessen (Bild 2), was natürlich durch die immer etwas unterschiedlichen, individuellen Eindrücke und Vorlieben erschwert wird.
Gelingt die sinnvolle Kombination der beide Elemente, das heisst die Verifizierung der Simulation und die «Subjektivierung» der rechnerischen Resultate zusammen, ermöglicht diese eine neue Stufe der Digitalisierung bei der Skientwicklung im Sinne eines «digitalen Zwillings».
Kombination der Simulationsmodelle
Um einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, müssen verschiedene Arten von Simulationen miteinander kombiniert werden, gemäss der oben erwähnten Einflussfaktoren. Damit kann der Einfluss des sich ändernden Parameters (eben zum Beispiel der Skiform) auf diese Faktoren rein virtuell beurteilt werden. Daraus lässt sich ein Design gezielt optimieren, ohne dabei überhaupt einen Ski gebaut zu haben (Bild 3).
Der Weg dorthin lässt sich nur über fundierte Validierung der Rechenmodelle und sinnvolle Iterationsschritte bei Veränderung von Material und Geometrie erreiche. Neben dem eigentlichen Abgleich von Simulation und Experiment ist es auch schwierig, überhaupt an Messdaten zu kommen. Um beispielsweise den Zusammenhang zwischen Eindringtiefe sowie Winkel im Schnee und Kraft auf dem Ski zu ermitteln, existieren weder standardisierte Verfahren noch einfach verfügbares Messequipment. Deshalb musste hier auch auf klassische Literaturwerte wie zum Beispiel eine ausführliche Dissertation an der ETH, aus dem Jahr 2005, zurückgegriffen und die Simulation damit abgeglichen werden. Das abgeleitete Simulationsmodell erlaubt eine zuverlässige Voraussage der Kraft (Auftrieb), welche der Skifahrer im Fahrbetrieb erleben kann (Bild 4).
Eine rein virtuelle Entwicklung wird aber auch mit weiter optimierten Simulationsmodellen und Erfahrungsaufbau kaum möglich sein – zu gross ist der Einfluss des persönlichen Empfindens und zu komplex das Zusammenspiel von Schnee, Ski und Fahrer. Dennoch hilft der verfolgte Ansatz schon heute, die Skientwicklung zu beschleunigen und aufwändige Prototyping-Phasen zu reduzieren.
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