In diesem Jahr feiern Thailand und die Schweiz 90 Jahre bilaterale Handelsbeziehungen. Samuel Haller, Country Manager Air
& Sea Logistics Switzerland spricht im Interview über den thailändischen Markt, die Herausforderungen mit Corona und über unterbrochene Lieferketten.
Wie wichtig ist der thailändische Markt für die Schweiz?
Thailand ist mit einem Handelsvolumen von rund 10,5 Mrd.Franken der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz in Südostasien. Rund 15’000 Schweizerinnen und Schweizer leben in Thailand, und über 200 Firmen mit Schweiz-Bezug und mehreren tausend Arbeitsplätzen sind in Thailand ansässig. Derzeit werden technische Gespräche zwischen
der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und Thailand über die Rahmenbedingungen möglicher Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen geführt. Ein solches Abkommen würde KMU in der Schweiz viele Vorteile bieten.
Vor COVID-19 reisten jedes Jahr über 200’000 Schweizer Touristinnen und Touristen nach Thailand. 150’000 thailändische Touristinnen und Touristen besuchten jährlich die Schweiz. Auch dies beflügelte die Nachfrage nach Schweizer Waren in Thailand. Während der Pandemie stieg vor allem die Nachfrage nach medizinischem Gerät und
pharmazeutischen Artikeln.
Was sind die Hauptherausforderungen in der COVID-19 Krise für Transporte von/nach
Thailand?
Die Lockdown-Massnahmen der Regierungen haben in verschiedenen Branchen zu Produktionsausfällen, Absatzrückgängen und Unterbrechungen in Supply Chains geführt. Die Reiseeinschränkungen weltweit haben die Luftfrachtkapazitäten massiv verringert. Auch der Seefrachtmarkt blieb nicht verschont. Kapazitätsengpässe, Knappheit an Ausrüstung und Fahrplanverzögerungen hatten und haben weiterhin Auswirkungen auf die bereits angespannten Lieferketten. Sie haben zudem die Transportpreise in die Höhe getrieben. In der Asien-USA- respektive Europafahrt sind die Seefrachtraten in den letzten 18 Monaten um über 300% gestiegen. Und eine Besserung ist bis nach dem chinesischen Neujahrsfest 2022 nicht in Sicht. Die hohen Logistikkosten haben Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft in Bezug auf Rohstoffe, Halbwaren und Fertigprodukte.
Was kann Dachser in dieser Situation für seine Kunden tun?
Wir pflegen sehr enge Kontakte zu allen Kunden. Mit unserem weltweiten Transportnetzwerk wollen wir unseren Kunden wettbewerbsfähige Preise anbieten. Wir verfügen über ein europaweites Strassenlogistiknetzwerk für Beschaffung und Distribution. Bei Bedarf können wir auch Warehousing-Lösungen anbieten. Durch die Nutzung unserer eigenen Dienstleistungen haben wir die volle Kontrolle über den gesamten Transportlogistikprozess,
um Unsicherheiten zu verringern. Wir unterstützen unsere Kunden ausserdem beratend auf Basis eigener Datenanalysen bei der Abschätzung von Supply-Chain-Risiken und bei Vorhersageanalysen.
Können Sie das etwas genauer erläutern?
Durch die enge Zusammenarbeit innerhalb unseres international vertretenen Unternehmens können wir unsere Kunden regelmässig mit den neuesten Marktupdates versorgen, die für diese hochrelevant und oft budgetverändernd sind. Mit einem eigenen Charterprogramm und langfristig gebuchtem Seefrachtraum versuchen wir beispielsweise, die Abhängigkeit von Frachtkapazitäten abzuschwächen. So hat Dachser beispielsweise garantierte Platzkontingente auf Flügen von Bangkok nach Frankfurt und vorgebuchte Plätze auf Schiffen, die von Hamburg nach Bangkok fahren und vice versa.
Als Folge der Pandemie scheint Kostensenkung nicht mehr die oberste Priorität für Einkaufsleiter zu haben. Digitale Transformation und Innovation sind weitere wichtige Treiber für nachhaltiges Wachstum. Wir ermutigen unsere Kunden stets, Sendungsdaten per EDI zu übermitteln, um eine höhere Genauigkeit und schnellere Abwicklung zu erzielen. Ausserdem bieten wir integrierte Lösungen mit weltweit standardisierten Prozessen, um weitere Risiken entlang
der Lieferkette zu vermeiden.
Turbulenzen im Supply-Chain-Management und Unterbrechungen von Lieferketten sind seit letztem Frühjahr das beherrschende Thema in der Logistik. Viele gingen von einem vorübergehenden Ereignis aus. Doch inzwischen scheinen „Disruptionen“ das „new normal“ zu sein. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Jeden Tag registrieren wir irgendwo auf der Welt Unterbrechungen von Lieferketten aufgrund neuer Corona-Wellen, Hafen- und Terminalschliessungen, Containermangel, Engpässen im internationalen Luftfrachtverkehr, neuer gesundheitsbedingter, administrativer Hürden an den Landgrenzstellen Chinas mit Russland und den zentralasiatischen Ländern, die Bahn- und Lkw-Verkehre verlangsamen usw. Dies alles treibt die Transportpreise und Gesamtkosten nach oben. In der Seefracht sind die Raten in den letzten 18 Monaten um rund 300 Prozent gestiegen, in der Luftfracht um circa 100 Prozent. See- und Luftfracht sind vom Käufer- zum Verkäufermarkt mutiert.
Hinzu kommen durch Lockdown-Massnahmen oder protektionistische, politische Entscheidungen verursachte Rohstoff- und Produktionsausfälle sowie Absatzeinbrüche in bestimmten Branchen. Ich erwarte keine Besserung dieser angespannten Situation vor nächstem Sommer.
Was sind die Gründe?
Der Onlinehandel hat in der Corona-Krise weltweit zugenommen. Ganz neue Kundenkreise wurden sowohl im B2C- wie auch B2B-Segment erschlossen. Wir sehen jetzt eine ganzjährige Nachfrage, die so hoch ist wie zuvor nur in der Hauptsaison. Das Wiedererstarken der Verbrauchernachfrage in vielen Ländern überfordert die in der Corona-Pandemie zurückgefahrenen Transportkapazitäten. Diese können nicht schnell genug gesteigert werden. Sie bleiben eine Herausforderung, je näher Weihnachten und das Chinesische Neujahrsfest rücken. Hinzu kommt ein anhaltender Mangel an Arbeitskräften und Ausrüstung in Nordamerika und Europa.
In der Seefracht werden wir erst wieder einen Käufermarkt haben, wenn die vielen Schiffs- und Containerneubestellungen den Markt fluten und die Carrier es trotz mittlerweile digitaler Kontrolle ihrer Frachtkapazitäten nicht schaffen, ein Überangebot an Frachtraum zuzulassen. Zudem wird auch der CO2-Ausstoss der Reederflotten eine immer grössere Rolle spielen. Die IMO 2023 Bestimmungen verschärfen ab 2023 nochmals die
Emissionsauflagen und können dazu führen, dass mehr Schiffe – auch schon vor der geplanten Betriebslaufzeit – ausser Dienst gestellt werden, als neue Schiffe mit alternativen Antrieben in Betrieb genommen werden. Sofern also die Nachfrage nach Frachtraum nicht extrem nachlässt, ist in diesem Szenario nicht davon auszugehen, dass wir in der Seefracht wieder Zeiten wie vor der Corona-Pandemie sehen, also mit extrem niedrigen Raten und stets verfügbarem Platz. In der Luftfracht hängt alles von der Wiederbelebung des Personenreiseverkehrs ab.
Die Notwendigkeit, agilere und widerstandsfähigere Lieferketten zu schaffen, ist dringlicher geworden. Das erfordert Änderungen im Lieferanten-, Auftrags- und Lagerbestandsmanagement sowie Kundenversprechen und mehr vertrauensvolle Zusammenarbeit in der gesamten Lieferkette. Aber Change ist niemals leicht. Auch wir als Logistikdienstleister sind gefordert.
Was meinen Sie konkret?
Unsere Kunden erwarten von uns, dass wir sie rechtzeitig über Verzögerungen oder Engpässe im Transport informieren, bevor sie es in Zeitungen lesen oder im Fernsehen sehen. So rechtzeitig, dass sie proaktiv reagieren können. Sie wollen, dass wir ihnen Probleme abnehmen. Die Komplexität im Supply-Chain-Management reduzieren. Und die Kosteneffizienz steigern.
Kann Dachser das leisten?
Durch die enge Zusammenarbeit innerhalb unseres Unternehmens können wir unsere Kunden stets mit aktuellen Marktupdates versorgen, die für diese hochrelevant und oft budgetverändernd sind. Wir unterstützen unsere Kunden ausserdem beratend auf Basis eigener Datenanalysen bei der Abschätzung von Supply-Chain-Risiken und bei Vorhersageanalysen. Wir bieten ihnen proaktiv eine Szenarien-Planung an, in der wir alle möglichen Optionen
strukturiert und mit visuellen Darstellungen für ein einfaches Verständnis aufzeigen. Diese Transparenz gibt den Kunden die Mittel an die Hand, um Kosten und Risiken für effiziente Entscheidungsprozesse genau einzuschätzen.
Im See- und Luftfrachtverkehr haben wir Frachtkapazitäten entsprechend dern undennachfrage geschaffen. Wir führen eigene Luftfracht-Charterverkehre u.a. nach USA und in für die Schweiz wichtige ostasiatische Länder durch. 2020 hat Dachser 150 eigene Charterflüge im Dachser Air Netzwerk abgewickelt. Dieses Jahr werden es weit mehr.
Auch in der Seefracht werden neue Einkaufswege beschritten. So beschäftigen wir uns mit Longtermprodukten, die kürzlich von einigen Reedern auf den Markt gebracht wurden. Das bedeutet, dass wir dann zwar nicht über gecharterte Schiffe, aber über feste und garantierte Slots auf wichtigen Handelsrouten über einen längeren, auch mit den Kunden planbaren Zeitraum verfügen.
Wegen der Probleme im Bahntransport von China nach Europa haben wir neue Möglichkeiten für FTL-Lkw-Verkehre geschaffen. Diese werden sehr gut angenommen, da die Kosten im Vergleich zur Luftfracht und die Transitzeiten interessant sind. So wurde bereits 2020 die „Euro-Asian-Landbridge“ um eine weitere Verbindung von Dachser Cargoplus in Deutschland erweitert, die komplett auf den Transport per Strasse setzt. Sie ist damit eine Alternative zu Luft- und Seefracht sowie dem Bahntransport. Chinesische Produktionsstätten werden auf diesem Weg mit Zielen in Deutschland und Europa sowie anderen europäischen Destinationen „door – door“ verbunden. Die Verbindungszeiten zwischen China und Deutschland betragen hier etwa 18 – 25 Tage. Das Preis- und Leistungsangebot für den Lkw-Transport ist derzeit attraktiver als bei den anderen Transportmöglichkeiten auf der Langstrecke. Zudem setzt Dachser auf die Kooperation mit lokalen Unternehmen und besonderer Kenntnis der regionalen Gegebenheiten. Alle Transporte erfolgen in grösstmöglicher Sicherheit unter dem Einsatz bekannter Vertragsunternehmer und sind auf Wunsch „all risk“ versicherbar.
Sämtliche Teil- und Komplettladungen aus China werden über Kasachstan, Russland, Weissrussland und Polen zunächst bis nach Deutschland transportiert, wo sie dann von Dachser European Logistics übernommen und zugestellt werden, dazu gehört bei Bedarf auch die erforderliche Zollabfertigung. Bei Komplettladungen erfolgt eine direkte Anlieferung.
Wo liegt ihre besondere Stärke im Schweizer Markt?
Unser USP sind unsere holistische Herangehensweise an Kundenanforderungen und unsere massgeschneiderten, praxistauglichen Lösungen, die auf den organisatorischen, personellen und finanziellen Ressourcen des Kunden aufbauen. Wir bieten unseren Kunden eine umfassende Beratung in Bezug auf die Thematik SCM Contingency-Planning an, bei welcher natürlich das Risk-Assessment ganz oben steht. Danach evaluieren wir mit dem Kunden gemeinsam Massnahmen zur Risikobegrenzung, auch formell in Form von SOPs (Standard Operating Procedures). Wir haben die Erfahrung gemacht, dass solche gemeinsamen Prozesse öfters auch Chancen zur Optimierung von Supply Chains eröffnen und eine innovative, partnerschaftliche und interdisziplinäre Herangehensweise nachhaltigen Mehrwert schafft.