Das Kunststoff- Ausbildungs- und Technologie-Zentrum (KATZ) plant in Aarau eine Kreislauffabrik. Damit soll Circular Economy direkt erfahrbar werden. Gleichzeitig wollen die Initianten aber auch bei der Validierung und Entwicklung neuer Kreislauflösungen mitwirken.
Das KATZ wurde vor 30 Jahren als Verein gegründet. «Wir sind hauptsächlich in der Aus- und Weiterbildung tätig, bilden Fachkräfte aus und vermitteln vor allem Kunststoffverarbeitungstechnologien. In unserer Werkstatt kann man diese Technologie erleben und mit allen Sinnen erfahren», sagt der Geschäftsführer Rémy Stoll. Im Bereich Technologie und Innovation stellt das KATZ sein Technikum aber auch Entwicklungsabteilungen von Firmen und Hochschulinstituten zur Verfügung. Hier können Versuche durchgeführt oder im hauseigenen Labor Werkstoffeigenschaften überprüft werden. Stoll: «Zum einen wollen wir die Ausbildung systematisieren und zum anderen wollen wir die Technologie verfügbar machen, also den Transfer in die Industrie erleichtern.»
Um das Angebot den aktuellen Bedürfnissen anzupassen, arbeitet man am KATZ an einer Kreislauffabrik. Circular Economy ist in der Kunststofftechnologie schon seit Jahrzehnten ein Thema. Die zentrale Frage lautet: Wie kann man Kunststoff im Kreislauf belassen, also am Ende eines Produktlebenszyklus das Material einer neuen Nutzung zuführen? «Wir sind sehr breit aufgestellt und haben alle Prozesse und Verfahren im Haus, die es dazu braucht. Daraus haben wir die Idee für die Kreislauffabrik entwickelt», sagt Stoll.
Kreislauf als Konzept
Die Kreislauffabrik ist keine Fabrik im eigentlichen Sinn sondern ein Konzept, bei dem es darum geht, Kreislaufwirtschaft zu visualisieren. Die benötigten Technologien existieren alle, aber laut Stoll sind sie kleinteilig verteilt auf mehrere Branchen oder Firmen. Das KATZ will das Zusammenspiel der Verarbeitungsverfahren an einem Ort zeigen. Später sollen Interessierte in der Kreislauffabrik auch daran forschen und eigene Ideen validieren können.
Allein die Kunststoffverarbeitung ist ein vielfältiges Thema. Es braucht Maschinen, den Werkzeugbau und den Kunststoff selbst. Das heisst schon in der Verarbeitung müssen drei Disziplinen zusammenarbeiten. Stoll: «Mit der Kreislaufwirtschaft kommt die Abfallwirtschaft noch dazu. Es geht aber auch noch in die Richtung der Anwendung von Kunststoffprodukten. Da können wir Brücken bauen und z. B. die Abfallwirtschaft mit der Kunststofftechnik zusammenbringen.»
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Bei der Kreislauffabrik geht es zunächst darum, die Prozesse zu visualisieren und zu zeigen was alles dazugehört. Ein wichtiges Element hierbei sind die Schonung von Ressourcen und Ökobilanzen. «Es ist wichtig dass man nicht irgendetwas verändert, sondern klar begründet wieso man es macht und was es überhaupt verbessert», sagt Stoll.
Ein weiteres Element ist die Produktgestaltung. Diese steht am Anfang eines Produktes und hier geht es darum, Produkte so auszulegen, dass die verwendeten Materialien später einfacher einem Kreislauf zugeführt werden können. Um all diese Aspekte abzubilden, sind drei Institute der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) am Projekt beteiligt. Namentlich das Institut für Industrial Design, das Zentrum für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme sowie das Institut für Kunststofftechnik. Stoll: «Gemeinsam sind wir daran, das Konzept weiter zu entwickeln. Später können wir am KATZ entsprechende Weiterbildungen anbieten und zusammen mit unseren Partnern noch besser Projekte in der Wirtschaft durchführen.»
Bereits heute erhält das Technologiezentrum Anfragen von Firmen, die ihr Produkt auf einen Recycling-Rohstoff umstellen wollen. Und schon heute können die Experten entsprechende Hilfestellung leisten. Mit der Kreislauffabrik lässt sich dieses Angebot weiter ausbauen.
Offene Fragen
Im Maschinenpark des Technikums entsteht derzeit eine kleine Produktionslinie, die demonstrieren soll, was es alles braucht, um aus Milchflaschen ein Schneidbrett herzustellen. Stoll erklärt: «Eine Milchflasche ist ein interessantes Beispiel, weil sie nicht nur aus einem Material besteht. Das sind mehrere Lagen, von denen jede ihre Funktion hat. Diese Lagen kann man nicht mehr trennen. Was das für spätere Produkte bedeutet, respektive wo solche Stoffe überall wieder verwendet werden können, sind Fragen die wir heute noch gar nicht beantworten können.»
Der Ansatz der Kreislauffabrik ist es, Berufsleuten das Rüstzeug zu geben, damit sie genau diese Probleme in ihrem Berufsalltag lösen werden und Antworten auf offene Fragen finden. Ein Resultat könnte sein, dass man in Zukunft Milchflaschen anders herstellt oder aus den heutigen Milchflaschen etwas anderes als ein Schneidbrett herstellt. Stoll: «Lösungen können in der Kunststofftechnik selbst liegen, oder darin, wie wir mit Verpackungen umgehen.»
Erste Erfahrungen am Versuchsaufbau
Beim Versuchsaufbau wird schnell klar, dass Abfalltrennung ein wichtiger Schritt ist. Im Fall der Milchflaschen heisst das, die Etikette und der Deckel müssen von der Flasche getrennt werden. Im nächsten Schritt werden die Milchflaschen zerkleinert. Dazu dient ein einfacher Shredder der mit rotierenden Messern den Kunststoff zerhackt. Die nächste Maschine im Prozess ist ein Extruder, der Kunststoffgranulat aufschmilzt und durch eine Flachdüse in eine Folie umformt. Stoll füllt den Trichter des Extruders ohne weiteren Bearbeitungsschritt direkt mit den Kunststoffflocken aus dem Shredder. Die Umstellung vom Granulat auf die Recyclingflocken wird bald darauf sichtbar. War die Folie zuerst halb transparent, so ist sie nun dunkelgrau und undurchsichtig. Durch die richtige Einstellung der Parameter wie Temperatur und Geschwindigkeit mit der die Folie gezogen wird, erreicht man auch mit dem Recyclingmaterial eine Folienqualität, die zur weiteren Verarbeitung taugt.
Die Farbe liesse sich mit entsprechenden Pigmenten verändern. Allerdings ist das Basismaterial in diesem Fall grau, weil die Milchflasche aus weissen und schwarzen Schichten besteht. Deshalb ist die Änderung der Farbe auf dunkle Töne beschränkt. Man könnte zwar aufwändige Prozesse suchen mit denen man die Pigmente entfernen kann, etwa durch nasschemische Verfahren. Das würde aber die Energiebilanz des gesamten Prozesses wieder verschlechtern. Genau solche Fragen soll dieser Demonstrationsprozess aufwerfen.
Energie als wichtiger Faktor
Dass Stoll direkt mit den Hackschnitzeln arbeitet, hat auch mit der Energiebilanz zu tun: «man braucht am wenigsten Energie, wenn man den Kreislauf so kurz wie möglich gestalten kann und wie hier etwa auf das Regranulieren verzichtet.» Auf der anderen Seite zeigt der Demonstrator aber auch auf, dass es schwieriger ist, mit dem geschredderten Material zu arbeiten. Im Extruder wird mehr Luft eingetragen oder es gelangt Staub in das Material. Die verschiedenen Störfaktoren werden hier exemplarisch aufgezeigt und erfahrbar gemacht.
Eine weitere Frage, die sich bei der Wiederaufarbeitung stellt: Wie viele Produktlebenszyklen sind mit einem Material überhaupt möglich? Stoll meint dazu: «Damit unendlich viele Durchläufe möglich wären, müsste man 100 % rezyklieren können. Das ist nicht realistisch weil es immer Verluste geben wird.» Grundsätzlich werden bei der Verarbeitung Moleküle geschädigt und Zusatzstoffe abgebaut. Man wird sich also die Frage stellen müssen welchen Anteil an Recyclingmaterial, wieviel Rohmaterial und welche Additive man dosieren soll, um die geforderte Qualität für sein Produkt zu erhalten und auf der anderen Seite möglichst viel Energie und erschöpfliche Ressourcen einsparen zu können.
Vielfältige Möglichkeiten
Im Technikum stehen noch weitere Maschinen, mit denen Halbzeuge aus dem recycelten Material weiterverarbeitet werden könnten. Ein Teilnehmer an einem solchen Kreislaufpraktikum würde erfahren, wie man aus Milchflaschen eine Folie herstellt und könnte zum Beispiel an der Tiefziehmaschine ein entsprechendes Objekt herstellen oder eben an der Spritzgussmaschine das vorgeschlagene Schneidbrett.
Das KATZ verfügt auch über eine Schmelzspinnanlage. Damit lassen sich Fasern aus PET herstellen, aus denen wiederum Textilien gewoben werden können. Stoll: «Es ist ein Wunsch von uns, auch in diese Richtung Weiterbildungen anbieten zu können. Schmelzspinnen alleine ist schon nicht einfach, es ist viel komplizierter als eine Folie herzustellen. Wenn wir das also nicht nur für Forschungsprojekte einsetzen sondern auch einem breiten Publikum demonstrieren wollen, brauchen wir noch etwas Entwicklungsarbeit.»
Die braucht es auch noch bei der Kreislauffabrik, bis dereinst entsprechende Kurse angeboten werden können. Alle anderen KATZ-Kurse finden seit Anfang Mai wieder als Präsenzveranstaltungen statt.
Autor
Thomas Meier, KunststoffXtra
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