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Mit Methode vom Use Case zum Business Case

In Service-Ökosystemen schaffen Menschen und Maschinen gemeinsam Werte. Die Kombination von Design Thinking und der Value-of-Solving-Pains- (VoSP-) Methode ermöglicht es, Bedürfnisse systematisch zu erfassen, Nutzen zu quantifizieren und tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln – für Innovation mit wirtschaftlicher Relevanz.
Die Design-Thinking-Methode hilft, komplexe Ökosysteme zu verstehen und zu gestalten. (Bild: Mobiliar Forum)

In Service-Ökosystemen schaffen Menschen und Maschinen gemeinsam Werte. Die Kombination von Design Thinking und der Value-of-Solving-Pains- (VoSP-) Methode ermöglicht es, Bedürfnisse systematisch zu erfassen, Nutzen zu quantifizieren und tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln – für Innovation mit wirtschaftlicher Relevanz.

Autoren: Jürg Meierhofer, ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften; Ina Goller, BFH Berner Fachhochschule; Fabrizio Laneve, Mobiliar Forum: Die Innovationswerkstatt; Sven Remke, data innovation alliance

In einer zunehmend vernetzten Welt entstehen komplexe Service-Ökosysteme, in denen menschliche und technische Akteure – etwa Mitarbeitende, Manager, KI-Systeme oder Bots – gemeinsam Werte schaffen. Diese Ökosysteme sind dynamische Netzwerke, in denen durch das gezielte Lösen von Problemen („Pains“) gegenseitiger Nutzen entsteht. Die Gestaltung solcher Systeme erfordert ein tiefes Verständnis der Bedürfnisse aller Beteiligten sowie geeignete Methoden, um diese systematisch erfassen zu können und in wirtschaftlich tragfähige Lösungen zu überführen.

Die in diesem Artikel beschriebene methodische Verknüpfung von Design Thinking und der „Value of (Solving) Pains“-Methode ist das Ergebnis einer interdisziplinären Kooperation zwischen Innovations- und Service-Experten. Die VoSP-Methode wurde im Forschungsschwerupnkt «Smart Services and Operations» an der ZHAW entwickelt. Eine zentrale Rolle für Kombination der beiden Methoden spielte das Mobiliar Forum – die Innovationswerkstatt der Mobiliar – das im Rahmen eines inspirierenden methodischen Austauschs den kombinierten Einsatz von VoSP und Design Thinking ermöglichte. Die data innovation alliance trug dabei als verbindendes Netzwerk dazu bei, neue Perspektiven zusammenzubringen und die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Praxis auf fruchtbare Weise zu fördern.

Die qualitative Ausgestaltung und Emotionalisierung wurden mittels Design-Thinking-Ansatz von der Berner Fachhochschule eingebracht. Diese Zusammenarbeit verbindet kreative, wirtschaftliche und datengetriebene Perspektiven. Gemeinsam schaffen sie somit einen strukturierten Innovationsansatz für die Gestaltung und Monetarisierung komplexer Service-Ökosysteme.

Service-Ökosysteme

Service-Ökosysteme sind sozio-technische Netzwerke, in denen Akteure miteinander interagieren, um gegenseitig Wert zu schaffen. Dieser Wert entsteht nicht isoliert, sondern durch die Beziehungen und Interaktionen zwischen den Akteuren – z. B. wenn ein technisches System einer Person hilft, einen Produktionsausfall zu vermeiden oder wenn ein KI-gestützter Service einer Managerin datenbasierte Entscheidungsgrundlagen liefert.

Der Nutzen in Service-Ökosystemen zeigt sich in unterschiedlichen Dimensionen: Im B2B-Kontext steht oft der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund – etwa die Vermeidung von Verlusten oder die Steigerung der Effizienz. Doch gleichzeitig spielen emotionale und soziale Werte eine Rolle, z. B. die Entlastung von Mitarbeitenden, die Verbesserung der Zusammenarbeit oder die Erhöhung der Zufriedenheit.

Design Thinking als methodisches Fundament

Um diese komplexen Ökosysteme tatsächlich zu verstehen und gezielt zu gestalten, bietet sich Design Thinking als wirkungsvolles Werkzeug an. Die Methode erlaubt es, die relevanten Akteure zu identifizieren, ihre Bedürfnisse und Pains zu erfassen und in einem weiteren Schritt kreative Lösungsansätze für die Gestaltung des Service-Ökosystems zu entwickeln. Dabei werden die Wertebedürfnisse der Akteure in mehreren Dimensionen abgebildet: wirtschaftlich (wie kann mit dem Service Geld verdient oder eingespart werden?), emotional (wie können sich die beteiligten Personen dabei besser fühlen?) und sozial (wie kann damit verbesserte soziale Anerkennung entstehen?).

Design Thinking hilft nicht nur bei der Strukturierung und Visualisierung des Ökosystems, sondern vor allem auch dabei, die Perspektiven der einzelnen Akteure sichtbar zu machen. So entsteht ein ganzheitliches Bild, das als Grundlage für die Entwicklung tragfähiger Services und Geschäftsmodelle dient.

Die „Value of Solving Pains“- (VoSP-) Methode

Ein zentrales Element zur Bewertung von Wertschöpfungspotenzialen ist die Methode „Value of Solving Pains“ (VoSP) (Meierhofer et al., 2024). Sie erlaubt es, die Auswirkungen ungelöster Probleme systematisch zu erfassen und den potenziellen Nutzen ihrer Lösung zu quantifizieren – insbesondere im B2B-Bereich in finanzieller Form.

Die Methode basiert auf drei zentralen Parametern:

  1. Auswirkung (impact): Die betriebswirtschaftliche Auswirkung, die durch einen Pain entsteht (z.B. Produktionsausfall, Nacharbeit, Energieverschwendung).
  2. Häufigkeit (frequency): Die Häufigkeit, mit der der Pain auftritt (z.B. «monatlich ein Ausfall»).
  3. Abschwächungsrate: Der Anteil der Auswirkung, der durch einen datengetriebenen Service vermieden werden kann (z.B. «durch Fernüberwachung können 50% der Ausfälle oder von deren Auswirkung vermieden werden»).

Durch Multiplikation dieser Faktoren ergibt sich der finanzielle Wert eines Pains pro Zeitperiode. Dieser Wert bildet die Grundlage für die Ableitung der Zahlungsbereitschaft im Sinne von „value-based pricing“ – also der Preisgestaltung basierend auf dem geschaffenen Nutzen.

Beispiel: Eine Maschine verursacht bei einem Ausfall Kosten von 1000 CHF. Solche Ausfälle treten viermal jährlich auf, was einem Pain-Wert von 4000 CHF entspricht. Ein Service, der 50% dieser Ausfälle verhindert, schafft einen Nutzen von 2000 CHF pro Jahr. Wenn diese hier sehr vereinfacht wiedergegebene Berechnungsgrundlage den Partnern im Ökosystem bekannt ist, können sich Zahlungsbereitschaft und Preisbildung an diesen Eckwerten orientieren (Stichwort «value-based pricing»). Durch diese Transparenz wird auch generell die Monetarisierung von Dienstleistungen objektiviert, was ein sehr hilfreicher Effekt ist, denn viele Anbieter stehen vor dem Dilemma, dass Kunden für die Dienstleistungen nicht oder zu wenig Zahlungsbereitschaft ausweisen. Zusätzlich kann auch der ökologische Nutzen quantifiziert werden, etwa durch die Vermeidung von CO₂-Emissionen oder Ressourcenverschwendung.

Die VoSP-Methode wird an der ZHAW u.a. im Rahmen des Weiterbildungskurses «CAS Smart Services: von datengetriebener Innovation zur digitalen Wertschöpfung» (CAS Smart Services, n.d.) vermittelt.

Ökosysteme wirtschaftlich gestalten

Die Kombination aus Design Thinking und VoSP-Methode ermöglicht es, ausgehend von konkreten Use Cases ganze Service-Ökosysteme zu gestalten. Die systematische Erfassung und Quantifizierung von Wertflüssen schafft eine belastbare Grundlage für Business Cases und erlaubt die Bewertung der Machbarkeit („ecosystem viability“) neuer Service-Ökosysteme.

So entsteht ein methodischer Pfad von einem Use Case über Identifikation individueller Pains zur Gestaltung von Lösungen bis hin zur wirtschaftlichen Bewertung und Skalierung im Ökosystem. Für Unternehmen bietet sich damit ein strukturierter Ansatz, um Innovationen gezielt voranzutreiben und nachhaltige Wertschöpfung zu realisieren.

Schlussfolgerung: die Stärke liegt in der Kombination

Design Thinking spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung von Service-Ökosystemen, da es hilft, deren Komplexität zu strukturieren und sichtbar zu machen. Die Methode ermöglicht es, die Perspektiven aller beteiligten Akteure – ob Nutzer, Mitarbeitende, technische Systeme oder Partnerorganisationen – systematisch zu erfassen. Dadurch entsteht ein ganzheitliches Bild des Ökosystems, das nicht nur wirtschaftliche, sondern auch emotionale und soziale Dimensionen umfasst. Design Thinking macht die individuellen Bedürfnisse und Pains der Akteure transparent und schafft eine fundierte Grundlage für die Entwicklung tragfähiger Services und Geschäftsmodelle.

Darüber hinaus bietet Design Thinking einen kreativen und iterativen Rahmen, in dem multidisziplinäre Teams nutzerzentrierte Lösungen entwickeln können. Es fördert das Verständnis für die Systemdynamik und hilft dabei, die Interaktionen und Wertflüsse im Ökosystem gezielt zu gestalten. Ohne diesen methodischen Zugang bliebe die nachgelagerte VoSP-Methode zwar zahlengetrieben, aber ohne klaren Bezug zu den tatsächlichen Herausforderungen im System. Umgekehrt verleiht VoSP dem Design-Thinking-Prozess eine wirtschaftliche Greifbarkeit. Erst durch die Verbindung beider Ansätze entsteht ein wirkungsvoller Innovationsprozess, der sowohl nutzerorientiert als auch wirtschaftlich tragfähig ist – und damit optimal auf die Anforderungen moderner Service-Ökosysteme abgestimmt ist.

Quellenangaben:

Meierhofer, Jürg, Nikola Pascher, and Jochen Wulf. “The Value of Solving Pains.” In Smart Services Summit, edited by Shaun West, Jürg Meierhofer, Thierry Buecheler, and Giulia Wally Scurati, 37–48. Cham: Springer Nature Switzerland, 2025. https://doi.org/10.1007/978-3-031-86958-7_3. Manuskript verfügbar unter: https://doi.org/10.48550/arXiv.2412.03130

CAS Smart Services: Von datengetriebener Innovation zur digitalen Wertschöpfung. (n.d.). ZHAW School of Engineering. Retrieved October 10, 2025, from https://www.zhaw.ch/de/engineering/weiterbildung/detail/kurs/cas-smart-services

Kontakt

ZHAW Institut für Datenanalyse und Prozessdesign (IDP)
Dr. Jürg Meierhofer
Technikumstrasse 81
CH-8401 Winterthur
info@zhaw.ch
www.zhaw.ch/idp

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