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Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind essenziell

In der VDMA-Interview-Serie 'Way2K 2025' erklärt Marcel Möller, Global Branch Manager Plastics Industry bei der Baumüller Nürnberg GmbH, welche Vorteile die Elektrifizierung in der Kunststoffindustrie mit sich bringt und welche Rolle KI im Maschinenbau spielt.
Marcel Möller: "In Europa ist der Bedarf für energieeffiziente Antriebe eine Folge der hohen Industriestrompreise." (Bild: Baumüller)

In der VDMA-Interview-Serie ‚Way2K 2025‘ erklärt Marcel Möller, Global Branch Manager Plastics Industry bei der Baumüller Nürnberg GmbH, welche Vorteile die Elektrifizierung in der Kunststoffindustrie mit sich bringt und welche Rolle KI im Maschinenbau spielt.

Herr Möller, wie zahlt der Trend zur Elektrifizierung in der Kunststoffindustrie auf das Thema Nachhaltigkeit ein? 

Marcel Möller: Der sehr gute Wirkungsgrad der elektrischen Antriebssysteme senkt den Energieverbrauch und damit gekoppelt auch die CO2-Emissionen. Das korreliert mit optimiertem Materialeinsatz und hilft den Kunden ausserdem dabei, ihre Produkte global und prozesssicher zu produzieren. Ein gutes Beispiel ist die Servohydraulik. Da kombinieren wir die sehr hohe Kraftdichte der hydraulischen Leistungsübertragung mit der Regelgüte und Dynamik energieeffizienter elektrischer Antriebssysteme. Zusammen mit einer intelligenten Software führt das zu Energieeinsparungen. Ein anderes Beispiel ist der Plastifizier- oder Schneckenantrieb, häufig einer der Hauptenergieverbraucher. Wenn man da den hydraulischen durch einen elektrischen Antrieb ersetzt, lässt sich eine Menge Energie sparen. Abhängig vom Maschinenzyklus oder vom Endprodukt lässt sich auch die Produktivität steigern. Was wir auch sehen, ist die Elektrifizierung des sogenannten Schliessantriebes in Spritzgussmaschinen, aber auch in Blasformmaschinen. Dort kann in der Bremsphase Energie zurückgewonnen werden. 

Die Notwendigkeit der Energieeffizienz ist nicht überall so drängend wie in Europa. Geht der Trend in anderen Regionen gleichermassen stark in Richtung Elektrifizierung? 

Möller: Treiber sind nicht überall die hohen Energiekosten, aber sie sind natürlich ein Thema. Die Stabilität der Energieversorgung und etwaige Förderprogramme sind starke regionale Einflussfaktoren. In Europa ist der Bedarf für energieeffiziente Antriebe eine Folge der hohen Industriestrompreise. In den USA wird die Entwicklung eher getrieben durch die Emissionseinsparungen an CO2. Und in Asien sind es nicht unbedingt die Energiekosten, sondern die Stabilität und Verfügbarkeit der Energie, die die Nachfrage nach energieeffizienten Antrieben treiben. 

Lassen sich die Anlagen grundsätzlich auf allen Stufen mit elektrischen Antrieben nachrüsten oder geht das nur bei Neubau? 

Möller: Im Feld befindliche Maschinen lassen sich retrofitten. Das ist gerade bei unzureichender Investitionssicherheit ein sehr gutes Instrument, um die Effizienz der bestehenden Anlage zu verbessern. Als Beispiel will ich wieder die Servohydraulik anführen, wo wir in Abstimmung mit unseren Maschinenbaukunden dem Endanbieter solche Retrofit-Lösungen anbieten. 

Um das Thema Kreislaufwirtschaft ist es ruhiger geworden. Wie sehen Sie deren Stellenwert derzeit? 

Möller: Dass es ruhiger geworden ist, kann man schon an den Ankündigungen zur K ablesen. Es sind andere Themen, die neben der Nachhaltigkeit wieder stärker im Fokus stehen: technologische Innovationen, Digitalisierung, Erhöhung der Produktivität. Dahinter steht die Notwendigkeit, sich gegen den immer härter werdenden asiatischen Wettbewerb zu wappnen. Aber die Frage von Nachhaltigkeit oder Kreislaufwirtschaft ist absolut essenziell. Der weltweite Kunststoffbedarf ist 2023 auf 400 Millionen Tonnen gestiegen und soll sich bis 2050 mehr als verdoppeln. Daran sieht man, wie wichtig und wertvoll der Rohstoff Kunststoff ist: für die E-Mobilität, für die Medizintechnik infolge der stark steigenden Online-Versorgung und der mobilen Health-Lösungen. Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, haben wir keine andere Lösung als die Kreislaufwirtschaft. Momentan werden nur rund zehn Prozent des Bedarfs aus recycelten Kunststoffen gedeckt, in Deutschland vielleicht 15 Prozent. Da ist noch gewaltig Luft nach oben. Aber hier liegt unserer Meinung nach auch die grosse Chance, sich durch technologische Innovation eine Vorreiterrolle zu erarbeiten und die Wettbewerbsfähigkeit auszubauen oder zu sichern. 

Was braucht es denn, um diese Vorreiterrolle wirklich ausspielen zu können? 

Möller: Grundvoraussetzung ist natürlich ein kreislauffähiges Produktdesign und eben auch eine effiziente Sammlung und Sortierung der Kunststoffabfälle. Rezyklate müssen gegenüber Neuware mindestens gleiche Voraussetzungen bezüglich Preis und Verfügbarkeit haben. Ich glaube, dass seit der K22 maschinenseits eine Menge an Innovationen entstanden ist, die Kreislauffähigkeit sicherstellen oder bewerkstelligen können. Aber die Rahmenbedingungen passen noch nicht dazu. Da gibt es noch deutliches Optimierungspotenzial. Und nicht zuletzt das Thema Regulierung: Sie sollte einen fairen Wettbewerb sicherstellen und nicht die Geschwindigkeit hemmen und Zeit und Ressourcen binden. 

Wie weit ist der Maschinenbau, speziell bei Antriebssystemen in Sachen KI? 

Möller: Digitalisierung ist für unsere Kunden ein wichtiges Werkzeug zur Produktivitätsoptimierung. Ein Beispiel ist die Simulationssoftware, mit der man beispielsweise Antriebskomponenten schon im digitalen Zwilling auslegen kann, bevor man an die reale Maschine muss. Wir als Baumüller pushen das Thema KI und damit auch unsere intelligenten antriebsbasierten Lösungen, wie beispielsweise einen Einspritzregler für Spritzgussmaschinen, das Energiemonitoring oder auch eine Shock Detection Funktion für Plastifizier- und Schredder-Antriebe. Ein anderes Beispiel sind Kommunikationsschnittstellen im Produktionsverbund mit peripheren Geräten oder auch mit vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. 

Wie schätzen Sie die Bedeutung der K als Treffpunkt angesichts des nach wie vor schwierigen Umfelds ein? 

Möller: Die K ist eine absolut internationale Messe, das zeichnet sie vor allen anderen aus. Sie ist ein wichtiger Impulsgeber für Innovationen, für nachhaltige Lösungen und letztlich auch Treiber für neue Geschäftsentwicklung. Gerade jetzt, wenn die konjunkturelle Lage in Europa und anderen Regionen nicht unbedingt zufriedenstellend ist, ist diese Messe als internationale Plattform ganz wichtig. Dort sind alle vertreten, auch die Wachstumsmärkte in Asien. Und deshalb freuen wir uns auf anregende Gespräche mit Kunden und Interessenten. 

www.baumueller.com

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