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Das PFAS-Beschränkungsverfahren

Die geplante Beschränkung von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) wird in Zukunft weitreichende Herausforderungen mit sich bringen. Dazu fand am 26. März 2025 im Innovationspark Ost in St. Gallen eine Veranstaltung mit über 100 Teilnehmenden aus verschiedenen Branchen statt.
Eindruck vom Workshop (Quelle: Innovationspark Ostschweiz)

Die geplante Beschränkung von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) wird in Zukunft weitreichende Herausforderungen mit sich bringen. Dazu fand am 26. März 2025 im Innovationspark Ost in St. Gallen eine Veranstaltung mit über 100 Teilnehmenden aus verschiedenen Branchen statt. In enger Zusammenarbeit mit Experten der OST und der Empa wurden die weitreichenden Auswirkungen der geplanten regulatorischen Vorgaben diskutiert und mögliche Lösungsstrategien dargestellt.

PFAS zählt zu einer Gruppe von Materialien und Stoffen, die aufgrund ihrer aussergewöhnlichen Eigenschaften – wie thermische Stabilität, Wasser- und Fettabweisung sowie chemische Resistenz – in zahlreichen Anwendungen eingesetzt werden. Diese Eigenschaften machen Fluorverbindungen in Bereichen wie der Automobil-, Elektronik- und vor allem der Medizintechnik unverzichtbar. In der Medizintechnik, wo Produkte wie Stents, Grafts und Endoskope auf eine geringe Reibung oder hohe Biokompatibilität und damit verbundene Patientensicherheit angewiesen sind, spielen beispielsweise Fluorpolymere eine zentrale Rolle. Gleichzeitig führt der persistente Charakter dieser Stoffe zu erheblichen ökologischen Belastungen und gesundheitlichen Schäden.

Die Medizintechnik-Branche gilt als einer der drei grössten Emittenten von Organofluorverbindungen. (Quelle: Empa, [1])

Die Medizintechnik-Branche steht daher vor der komplexen Aufgabe, bewährte Materialeigenschaften durch alternative Stoffe zu ersetzen, ohne die hohen technischen Anforderungen aus den Augen zu verlieren. Hersteller lebenswichtiger medizinischer Produkte müssen ihr bestehendes Produktportfolio und die zugrunde liegenden Herstellungsverfahren umfassend bewerten, um weiterhin höchste Sicherheitsstandards und Wirksamkeit zu gewährleisten – ein Prozess, der wissenschaftlich fundiert, praxisnah und wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden muss.

Die Dringlichkeit dieser Suche wird durch das laufende Verfahren der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) unterstrichen. Nachdem zunächst die Risiken eines weitreichenden Verbots im Fokus standen, werden aktuell die sozioökonomischen Folgen diskutiert. Unternehmen sind aufgefordert, die potenziellen Kosten einer Umstellung darzulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die spezifischen Eigenschaften von Fluorpolymeren und fluorhaltigen Beschichtungen nicht durch universell einsetzbare Stoffe ersetzt werden können. Vielmehr muss die Auswahl eines geeigneten Alternativstoffes stets auf Basis der wichtigsten Produktanforderungen erfolgen, was zur Folge haben kann, dass Anwendungseinschränkungen in Kauf genommen werden müssen.

Neben den europäischen Regelungen müssen Unternehmen auch die internationale Perspektive beleuchten, insbesondere die bestehenden und angekündigten Verbote zur Nutzung von Organofluorverbindungen in den USA. In mehreren US-Bundesstaaten gelten bereits strenge Vorschriften für den Einsatz von fluorhaltigen Stoffen. Unternehmen, die auf dem nordamerikanischen Markt aktiv sind, müssen daher zusätzlich die unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben und Fristen berücksichtigen. Der Vergleich zwischen europäischen und nordamerikanischen Regelungen verdeutlicht, wie unterschiedlich die Herangehensweisen an die Thematik sein können, und unterstreicht die Notwendigkeit einer global abgestimmten Strategie. Für international agierende Unternehmen ist es essenziell, ihre Produktions- und Vertriebsprozesse kontinuierlich an die jeweils geltenden Vorschriften anzupassen, um Rechtskonformität und Marktzugang sicherzustellen.

Die Regulierung von PFAS in den USA (Quelle: Ramboll, OST)

Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die derzeitigen Herausforderungen in der Analytik von Fluorverbindungen. Die vorhandenen Analysemethoden erfordern häufig eine sehr aufwändige Probenvorbereitung und stossen in ihrer Sensitivität sowie Spezifität an Grenzen – was dazu führt, dass auch geringe Konzentrationen von PFAS in Materialien nicht immer zuverlässig nachgewiesen werden können. Die Vielzahl der zu erfassenden Verbindungen erschwert es zusätzlich, alle im Verbotsverfahren gelisteten Stoffe sicher und mit ausreichend tiefen Nachweisgrenzen zu detektieren. Hier ist die Forschung gefragt, um neue, präzisere Messmethoden zu entwickeln, die den gestiegenen Anforderungen an Grenzwerte und Materialvielfalt gerecht werden.

Die Auseinandersetzung mit Fluoralkylverbindungen und deren Alternativen stellt eine interdisziplinäre Herausforderung dar, die weit über rein technische Fragestellungen hinausgeht. Der kontinuierliche Austausch zwischen Industrie, Forschung und behördlichen Institutionen gilt als entscheidender Faktor, um innovative Lösungsansätze zu entwickeln und die Umsetzung der neuen regulatorischen Vorgaben erfolgreich zu gestalten. Nur durch einen offenen Dialog und die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten können nachhaltige und zukunftsfähige Strategien erarbeitet werden, die den hohen Ansprüchen der Medizintechnik und weiterer Branchen gerecht werden. Ansätze wie das Prinzip «safe and sustainable by Design» [2] oder eine systematische Risikobewertung bilden die Basis, um den Übergang von fluorhaltigen zu PFAS-freien Materialien zu vollziehen – gerade auch in sensiblen Bereichen wie der Medizintechnik, wo jede Veränderung unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesundheit der Patientinnen und Patienten hat. Fortschritte in der Materialforschung, die Entwicklung alternativer Beschichtungsverfahren und die Verbesserung analytischer Methoden sind exemplarische Schritte, um fluorhaltige Verbindungen langfristig zu ersetzen, und bieten zugleich neue Chancen für technologische Innovationen.

[1] Annex XV Restriction Report; ECHA (22.03.2023)
[2] Caldeira C. et al, Safe and Sustainable by Design chemicals and materials; JRC Technical report; 2022; doi:10.2760/879069

Kontakt
Prof. Dr. Jens Ulmer
Dozent für Angewandte Chemie an der OST
Departement Technik
CH-9471 Buchs
www.ost.ch/materials

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