Ein hoher Prozessintegrationsgrad und die vollständige Automatisierung sind bei der Produktion von Sicherungskästen für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge ausschlaggebend, um die geforderte Effizienz zu erreichen. In enger Teamarbeit haben Reinert, Maier und Wittmann die Automatisierung des Gesamtprozesses auf maximale Effizienz und Flexibilität getrimmt.
Die Herausforderung des Projekts bestand nicht allein im hohen Kostendruck, der im Bereich Automobil längst keine Besonderheit mehr ist. Vielmehr ging es darum, niedrige Stückkosten mit einer hohen Flexibilität der Produktionszelle zu vereinen. Denn die Sicherungsboxen werden von Reinert in 18 verschiedenen Varianten produziert. Ausserdem soll die hochautomatisierte Produktionszelle mit weiteren Produkten ausgelastet werden können.
„Das ist der Trend“, betont Alen Cevra, Geschäftsführer der Maier Maschinen- und Werkzeugbau GmbH, die für die Entwicklung des integrierten Produktionsprozesses und der dazugehörigen Automatisierung verantwortlich zeichnet. „Gerade hier in Deutschland haben wir es immer öfter mit einer hohen Produktvarianz und entsprechend kleinen Losgrössen zu tun. Das erfordert einfache und schnelle Rüstprozesse und setzt voraus, dass sich die Komponenten der Produktionszelle immer wieder flexibel an neue Anforderungen anpassen lassen.“
Spritzgiessen und Montieren
Maier hat sich auf die Entwicklung, Konstruktion und Fertigung anspruchsvoller Sondermaschinen und Automatisierungsösungen spezialisiert. Schon seit vielen Jahren unterstützt Maier den Spritzgiessverarbeiter Reinert, wenn es darum geht, Produktionsanlagen für äusserst komplexe Bauteile zu entwickeln. Der Produktionsprozess beginnt zum jetzigen Zeitpunkt – das Projekt befindet sich noch in der Vorserie – mit einer manuellen Tätigkeit. Die Einlegeteile müssen in auswechselbare Trays einsortiert werden.
Ein Wittmann W832 Pro nimmt dann die Einlegeteile auf und platziert sie im Drehtellerwerkzeug der Spritzgiessmaschine in der unteren Kavität. Unmittelbar danach nimmt sich der Greifer aus der oberen Kavität das fertige Spritzgiessteil aus dem vorherigen Zyklus. Im 1+1-fach-Werkzeug wird zunächst der Grundkörper ausgeformt. Die Hartkomponente ist ein glasfaserverstärktes, flammgeschütztes Polyamid. Nach der Werkzeugdrehung wird die zweite Komponente direkt angespritzt, ein TPE, das die Dichtung am oberen Rand der Sicherungsbox ergibt. Zeitgleich entsteht in der unteren Werkzeugposition das nächste Grundelement.
Parallel zum Spritzgiessprozess meistert der W832 pro eine Montageaufgabe und eine umfangreiche Qualitätskontrolle. Von der Spritzgiessmaschine aus führt der Roboter das Bauteil zunächst zur Montagestation. Auf dem Boden der schwarzen Sicherungsbox befinden sich bei der hier beschriebenen Modellvariante vier feine Löcher. Diese dienen später – eingebaut im Fahrzeug – der Entlüftung und werden mit einer Silikonmembran abgedeckt. Hierfür hält der Roboter die Box in der Waagerechten über die Montagestation, damit der hochfahrende Stempel die Dichtung passgenau einsetzen kann.
Umfassende Kameralösung
Für die 100-Prozent-Qualitätskontrolle hat Maier direkt neben der Montagestation eine Kameralösung installiert. Der Roboter muss das Bauteil nur 20 Zentimeter weiter nach rechts bewegen. Hier zeigen die Servodrehachsen des W832 nun ihre Leistungsstärke, denn es gilt, in schneller Folge drei verschiedene kritische Stellen im Bauteil der Kamera zu präsentieren. Erstens die soeben montierte Silikonmembran. Geprüft wird, ob die Membran richtig sitzt und ob die darunter liegenden Löcher, die jeweils einen Durchmesser von lediglich 1 mm haben, auch wirklich alle durchgängig sind.
Um einwandfreie Bilder auswerten zu können, schaltet sich an dieser Stelle die auf dem Greifer montierte LED-Kamera ein. Nach der Prüfung des Entlüftungsventils schwenkt der Roboter das Bauteil, um der Kamera freien Blick auf die TPE-Dichtung zu gewähren. Im Fokus steht genau der Bereich der Dichtung, der sich ein Stück weit tiefer in die Hartkomponente erstreckt.
Echtzeitkommunikation
Um schnell von einer Sicherungsboxvariante auf eine andere wechseln zu können, gibt es nicht 18 Werkzeuge, sondern verschiedene Werkzeugeinsätze und mehrere Greifer. Je leichter der Roboterarm, desto mehr Spielraum ergibt sich für das Gewicht des Greifers und der zu bewegenden Bauteile. Ausserdem zahlt ein niedriges Gewicht direkt auf die Energieeffizienz ein. So variiert der Wittmann Linerar-Roboter dank EcoMode seine Bewegungsgeschwindigkeit, wobei die Spritzgiessmaschine mit der Zykluszeit den Takt vorgibt. Dieses Zeitfenster nutzt der Roboter vollständig aus. Meistens bewegt er sich also langsamer als technisch möglich. Das spart Energie und schont zugleich die Mechanik, was für eine lange Roboterstandzeit sorgt.
Damit alle Komponenten in der Produktionszelle – das heisst die Spritzgiessmaschine, die zwei Roboter, das Montagesystem und die Bildverarbeitung –, die alle von unterschiedlichen Herstellern kommen und alle eine eigene Steuerung haben, miteinander kommunizieren, sind sie über Profinet vernetzt. Der für die Echtzeitkommunikation ausgelegte Industrial-Ethernet-Standard stellt einen reibungslosen Prozessablauf sicher und vereinfacht den Produktionsanlauf nach dem Rüsten. Bevor die zentrale Steuerungseinheit an der Automatisierungszelle den Produktionsprozess startet, prüft sie, ob an der Spritzgiessmaschine und am Linearroboter das richtige Programm eingestellt ist. Ausserdem ermöglicht die Vernetzung die schnelle Fernwartung im Störungsfall.
Ausgelegt ist die Produktionzelle auf die Produktion von bis zu 400‘000 Baugruppen pro Jahr. In der Vorserie werden zunächst 50‘000 Sicherungskästen für die landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge hergestellt. Wie schnell die Stückzahlen steigen werden, ist nicht absehbar. Zunächst soll die Produktionszelle mit anderen, ähnlich anspruchsvollen Bauteilen ausgelastet werden.
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