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«Wir müssen Leader bei der Production Efficiency sein»

Bereits im Jahr 1945 verkaufte die Netstal Maschinen AG ihre erste Spritzgiessmaschine. Schnell hat sich das Unternehmen einen weltweiten Namen für hochwertige Präzisionsprodukte gemacht. Doch wie besteht man als Schweizer Unternehmen in einem internationalen, hart umkämpften Markt? Ein Gespräch mit CEO Renzo Davatz über Strategien, Visionen, künftige Herausforderungen und den Werkplatz Schweiz.
Netstal-CEO Renzo Davatz im Gespräch mit einem Mitarbeiter. (Bilder: Raphael Hegglin)

Bereits im Jahr 1945 verkaufte die Netstal Maschinen AG ihre erste Spritzgiessmaschine. Schnell hat sich das Unternehmen einen weltweiten Namen für hochwertige Präzisionsprodukte gemacht. Doch wie besteht man als Schweizer Unternehmen in einem internationalen, hart umkämpften Markt? Ein Gespräch mit CEO Renzo Davatz über Strategien, Visionen, künftige Herausforderungen und den Werkplatz Schweiz.

Raphael Hegglin

Herr Davatz, Netstal blickt auf bewegte Jahre zurück: Nach über drei Jahrzehnten als Teil der Krauss-Maffei AG gehört Ihr Unternehmen seit Anfang 2024 zur Krones-Gruppe. Was ändert sich durch diese Übernahme?

Renzo Davatz: Mit der Übernahme durch Krones eröffnen sich uns strategische Perspektiven, die bis anhin so nicht möglich waren. Es entstehen grosse Synergien im Preform-Bereich. Als einer der führenden Anbieter von Anlagen für die Getränkeindustrie öffnet uns Krones Türen zu neuen Kunden. In diesem Umfeld rücken wir zudem näher an die Abfüllmaschine. . Eine weitere spannende Zusammenarbeit ergibt sich mit dem Werkzeughersteller MHT Mold & Hotrunner Technology AG. Auch er gehört seit einigen Jahren zur Krones-Gruppe. Nun ist es uns möglich, gemeinsam zu entwickeln und Werkzeugtechnologie mit Spritzgussmaschinentechnologie ohne Barriere zu verknüpfen. Dies führt zu einer noch besseren Produktionseffizienz für unsere Kunden.

Das bedeutet, dass die Spritzgiessmaschinen von Netstal und die Werkzeuge von MHT von nun an fester Bestandteil in den von Krones erstellten Anlagen sind?

Das könnte man meinen, ist aber nicht zwingend so. Krones empfiehlt uns als Bestandteil ihrer Projekte. Doch die Wahl liegt bei den Kunden; sie sind frei und können sich auch für eine Spritzgiessmaschine eines Konkurrenten entscheiden, jedoch nicht mit denselben Vorteilen einer abgestimmten Gesamtlösung. Eine Komplettlösung mit unseren Maschinen als integraler Bestandteil schafft  diverse Vorteile hinsichtlich Effizienz sowie Energieaufwand und Logistik. Wir haben daher gemeinsam das Gesamtsystem Prefero geschaffen (siehe Infobox). Doch wichtig: Netstal bedient den Preform-Markt weiterhin zum grossen Teil selbst und direkt – wir bleiben ein selbständig agierendes Unternehmen und müssen uns auch weiterhin entsprechend beweisen. Daher bleiben auch unsere anderen Applikationsfelder «Verschlüsse», «Medizin» und «Dünnwandverpackung» weiterhin wichtig für uns. Dies nicht nur aufgrund ihres Umsatzvolumens, sondern auch weil sie uns Diversifikation ermöglichen – wobei der Bereich PET unsere grösste Business Unit ist.

Renzo Davatz vor einer Elion 1200.

Netstal bleibt also ein selbständig operierendes Unternehmen. Wie wichtig ist Ihnen dabei der Standort Schweiz?

Er ist für uns zentral. Die Schweiz ist eines der wettbewerbsfähigsten und innovativsten Länder überhaupt. Für uns bietet sie das ideale Umfeld, auch in Zukunft. Eine enorm wichtige Rolle in der Industrie spielt unser duales Bildungssystem. Es bringt gut ausgebildete, schnell einsetzbare und praxisorientierte Fachkräfte hervor. Wer international tätig ist, merkt schnell: Ein duales Bildungssystem wie das unsere haben die meisten Länder nicht. Es macht uns international wettbewerbsfähig, selbst wenn unsere Löhne nicht die günstigsten sind. Die Schweiz steht immer noch für Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit. Ein weiteres Plus der Schweiz ist ihre politische Beständigkeit. Hier kann ein Unternehmen langfristiger planen und muss sich nicht vor plötzlichen, radikalen Wechseln fürchten. Netstal hält daher am Standort Schweiz fest, und wir bringen uns in diversen Gremien und Verbänden wie zum Beispiel Swissmem ein, um unseren Werkplatz zu stärken.

Die Schweiz ist jedoch nicht isoliert. Was den internationalen Handel betrifft, sind unruhige Zeiten angebrochen. Wie reagieren Sie darauf?

Sie sprechen das Thema der US-amerikanischen Zölle an. Marktwirtschaftlich betrachtet ist das sicher kein guter Weg. Aber jetzt ist es nun mal so, dass Präsident Trump darauf setzt und wir damit leben müssen. Auf unsere Firma bzw. unseren Markt bezogen gibt es eine wichtige Grundeinschätzung: In unserem Leistungsbereich hat Amerika selbst wenig eigene Wettbewerber – die meisten kommen aus Europa und Asien. Das heisst, von diesen Zöllen wäre unsere Konkurrenz wahrscheinlich gleichermassen betroffen. So kämpfen wir wenigstens wieder mit ungefähr gleich langen Spiessen. Doch natürlich bremsen diese Art von Zöllen die Wirtschaft. Wir beobachten die Situation daher genau. An sich ist sie nicht neu: Die Schweizer Industrie befindet sich seit vielen Jahren in einem täglichen Trainingslager. Themen wie etwa die harte Währung oder die steigenden Energiepreise sind Herausforderungen, denen wir uns längst täglich stellen müssen. Und ich finde, was die Schweizer Industrie in den vergangenen zehn bis 15 Jahren geleistet hat, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist beeindruckend. Genauso müssen wir weitermachen: Es braucht den Anspruch, jeden Tag das Bestmögliche zu machen, effizienter zu werden und laufend neue Innovationen hervorzubringen. Auf uns bezogen bedeutet das: Wir müssen Leader bei der Production Efficiency sein. Unser Anspruch ist es, dem Kunden ein Gesamtsystem zu bieten, das die tiefsten Herstellungskosten ermöglicht. Dazu muss eine Maschine extrem schnell laufen können, also schnelle Zykluszeiten bieten. Sie muss auch eine hohe Reproduzierbarkeit gewährleisten, um möglichst keinen Ausschuss zu produzieren, und sie muss langlebig sein. Wenn ein Kunde richtig rechnet, dann sind wir die Antwort. Der anfänglich höhere Beschaffungspreis amortisiert sich mit unseren Maschinen dank erstklassiger Qualität und neuster Technologie schnell.

Innovation ist ein gutes Stichwort: Neben wirtschaftlichen Herausforderungen gibt es auch technologische – denken wir nur an die künstliche Intelligenz und die Digitalisierung. Was sind die Antworten von Netstal darauf?

Grundsätzlich kann man sagen, dass Spritzgusstechnologie eine reife Technologie ist. Dadurch ist der Wettbewerbsdruck hoch. Neue Lösungen und Innovationen sind unsere Antwort darauf. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die physische Spritzgussmaschine alleine. Ebenso wichtig sind die Vernetzung und die Integration in den Gesamtprozess, Turnkey-Systeme und Servicelösungen, die eine Rundumüberwachung und sehr kurze Reaktionszeiten ermöglichen. Digitalisierung und künstliche Intelligenz helfen uns hierbei, noch besser zu werden – eben gerade, weil wir Qualität und Effizienz ins Zentrum stellen und nicht einen möglichst tiefen Verkaufspreis. Bei diesen Themen, insbesondere bei der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz, hilft uns die Einbettung in die Krones-Gruppe. Denn KI entwickelt sich rasend schnell, da hinkt man als KMU eigentlich immer ein bisschen hinterher. Krones hat hingegen die Grösse und die Power, um bei diesem Thema vorne mitzumischen. Wir können uns an diesem Wissens-Pool beteiligen und ihn nutzen.

Krones bietet auch umfassende Lösungen im Bereich Kunststoff-Recycling an. Inwieweit beeinflusst dieses Know-how die Produktentwicklung bei Netstal?

Das Thema Nachhaltigkeit ist für Krones wie auch für Netstal ein immens wichtiger Punkt. Wir haben unabhängig voneinander wie auch gemeinsam schon viele gute Antworten gefunden. Unsere Maschinen können zum Beispiel 100%- R-PET problemlos verarbeiten. So gelingt es uns, gemeinsam mit dem Kunden den Stoffkreislauf zu schliessen. Ebenfalls arbeiten wir daran, unsere Maschinen für einen möglichst hohen Anteil an PET-Flakes kompatibel zu machen. So wird es möglich, anstelle von R-PET die Verarbeitungsstufe, also gereinigtes und gehäckseltes PET, in der Spritzgussmaschine zu nutzen. Dies vereinfacht einerseits das Recycling und macht andererseits PET-verarbeitende Betriebe unabhängiger. Zusammen mit Krones, also im Verbund mit einer verblockten Prefero-Linie, tun sich noch ganz andere Möglichkeiten auf.

Und wenn es um Dünnwandverpackung geht: Wir haben Injection-Compression-Molding-Verfahren entwickelt, mit denen sich Dünnwandverpackungen  mit bis zu 25% weniger Material herstellen lassen . Technisch sind wir bereits zu vielem in der Lage – und wir sind in ständigem Austausch mit unseren Kunden wie auch mit Materialherstellern, um Innovationen für die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Was sich künftig durchsetzt, muss sich noch zeigen. Wir haben aber auf jeden Fall innovative Lösungen parat, um unsere Kunden bei jeder Art von Wandel zu unterstützen.

Die Netstal Maschinen AG

1945 verkaufte Netstal die erste Spritzgiessmaschine.

Die Ursprünge der Netstal Maschinen AG gehen auf die im Jahr 1857 gegründete Maschinenfabrik, Eisen- & Messinggiesserei Ulrich Rietmann & Cie zurück. Grundstein für das heutige Unternehmen war der Verkauf der ersten Spritzgiessmaschine im Jahr 1945. 1961 erfolgte der Umzug ins nahe gelegene Näfels, wo sich das Unternehmen kontinuierlich weiterentwickelte. Im Jahr 1992 wurde Netstal Teil der Krauss-Maffei-Gruppe, an der Ausrichtung änderte sich dadurch wenig: Bis heute steht Netstal für hochwertige und präzise Spritzgiessmaschinen, insbesondere für die Bereiche Preforms, Verschlüsse, Verpackungen und Medizintechnik. Durch die Eingliederung in die Krones-Gruppe im Jahr 2024 eröffnen sich für Netstal neue Möglichkeiten: Die Zusammenarbeit sorgt für Synergien und noch mehr Innovationskraft. Ein Beispiel ist das gemeinsame Projekt Prefero: Mit Prefero integriert Krones den Liniengedanken in den Kunststoffkreislauf und verbindet ihn mit unternehmenseigenen Lösungen. Diese umfassende Systemkompetenz schafft die Grundlage für die Nutzung digitaler Technologien und ermöglicht mehr Produktionseffizienz bei weniger Energieverbrauch.

Kontakt

Netstal Maschinen AG
Tschachenstrasse 1
8752 Näfels
www.netstal.com

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