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Ein Helm gegen Alzheimer

Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. ETH-Professor Mirko Meboldt hilft Schweizer KMU dabei, die passende Technologie für ihre spezifischen Probleme zu finden. Mit frühen Prototypen schaffen er und sein Team eine belastbare Entscheidungsgrundlage und Vertrauen.
Der personalisierte Therapiehelm von Bottneuro ermöglicht auch eine Therapie zu Hause. (Bild: Bottneuro)

Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. ETH-Professor Mirko Meboldt hilft Schweizer KMU dabei, die passende Technologie für ihre spezifischen Probleme zu finden. Mit frühen Prototypen schaffen er und sein Team eine belastbare Entscheidungsgrundlage und Vertrauen.

Von Dr. Christoph Elhardt, Mitarbeiter bei Digital & Medien, ETH Zürich

Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeitenden machen rund 99 Prozent aller Schweizer Unternehmen aus und stellen zwei Drittel aller Arbeitsplätze. Für viele dieser KMU – vor allem jene, die im internationalen Wettbewerb stehen – sind Innovationen überlebenswichtig. Nur wenn es ihnen gelingt, rechtzeitig auf technologische Entwicklungen zu reagieren und immer wieder neue Produkte, Dienstleistungen und Produktionsverfahren einzuführen, können sie im globalen Wettbewerb langfristig bestehen und Arbeitsplätze in der Schweiz sichern. Doch im Unterschied zu grösseren Firmen fällt es KMU oft schwerer, sich intensiv mit Innovationen zu beschäftigen. «Innovationsprojekte erfordern viel Zeit, Geld und Personal. Diese Ressourcen sind in KMU knapp, weil es meist keine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung gibt und die Mitarbeitenden mit dem operativen Geschäft ausgelastet sind. Zudem ist unsicher, ob sich die Mühen am Ende auszahlen», sagt Mirko Meboldt, Professor für Produktentwicklung und Konstruktion am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der ETH Zürich.

Meboldt muss es wissen. Seit seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich mit der Frage, wie das Neue in die Welt kommt und aus einer Idee ein Produkt wird. In seinen dreizehn Jahren an der ETH Zürich hat er mit zahlreichen KMU zusammengearbeitet und dabei immer wieder ähnliche Erfahrungen gemacht: «Es ist für KMU eine Herausforderung abzuschätzen, ob und wann neue Technologien reif genug sind, um davon zu profitieren. Sie müssen genau abwägen zwischen längerfristigen Innovationsprojekten mit hoher Unsicherheit und Projekten, die das, was bereits funktioniert, besser, schneller und billiger machen.» Das gilt selbst für öffentlich geförderte Projekte wie die der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, kurz Innosuisse. In diesen Projekten arbeiten Forschende und Unternehmen mehrere Jahre zusammen, um gemeinsam etwas Neues zu entwickeln. Meboldt hat in den letzten Jahren mehrere solcher Projekte erfolgreich abgeschlossen. Doch um sich für die staatlichen Fördergelder zu bewerben, brauchen KMU bereits eine klare Vorstellung davon, welche neuen Technologien für sie Sinn machen. Und diese fehlt ihnen oft.

Prototypen schaffen Vertrauen

In diese Lücke stösst ETH-Professor Meboldt mit seinem Feasability Lab: «Wir wollen eine Brücke zwischen KMU und Forschung bauen», sagt er. Gemeinsam mit seinen Forschenden und Studierenden unterstützt er Firmen dabei, neue Technologien kennenzulernen und herauszufinden, ob diese im Kontext ihrer Wertschöpfung einen wirtschaftlichen Nutzen bieten. «Unternehmen kommen auf uns zu, weil sie wettbewerbsfähig bleiben wollen, aber nicht genau wissen, ob sie von neuen Technologien wie zum Beispiel der künstlichen Intelligenz profitieren können», sagt der ETH-Professor.

Die meisten dieser explorativen Projekte sind ergebnisoffen und auf maximal sechs Monate angelegt. Es geht zunächst darum, belastbare Entscheidungsgrundlagen für die Auswahl der richtigen Technologie zu schaffen. Erst wenn diese identifiziert und das Unternehmen davon überzeugt ist, dass sich damit auch Geld verdienen lässt, lohnt sich die Arbeit an einem Antrag für ein Innovationsprojekt von Innosuisse.

Der steinige Weg dorthin führt bei Meboldt und seinem Team immer über Prototypen. «From crazy ideas to first prototype» lautet die Devise seines Labors. Meboldt beginnt in der Regel kein grösseres Vorhaben, bevor er im Kleinen belegen kann, dass die Anwendung einer Technologie tatsächlich funktioniert. Doch es geht ihm nicht nur um kühle Technik: «Wir wollen potenziellen Partnern zeigen, wie wir arbeiten, und sie dadurch auch besser kennenlernen. Das schafft Vertrauen und ist eine gute Basis für die unvermeidlichen Höhen und Tiefen eines mehrjährigen Innovationsprojekts», sagt Meboldt.

Ein Helm gegen Alzheimer

Im Herbst 2022 stand Bekim Osmani vor der Frage: Wie entwickelt man eine digitale Prozesskette, um ein stark personalisiertes Produkt möglichst schnell und kostensparend herzustellen? Der CEO und Mitgründer der siebenköpfigen Basler Firma Bottneuro will die Behandlung von degenerativen Hirnerkrankungen wie Alzheimer durch die elektrische Stimulation bestimmter Hirnareale verbessern. Dafür muss ein Neurologe oder eine Neurologin mithilfe von MRI-Scans des Gehirns definieren, wo am Kopf der Betroffenen die Elektroden angebracht werden sollen. Damit diese immer exakt an denselben Stellen stimulieren, hat Bottneuro einen personalisierten Therapiehelm entwickelt. Dieser soll in Zukunft auch eine Therapie zu Hause ermöglichen.

«Jeder Helm ist ein Unikat, der auf Kopf und Gehirn der Patienten angepasst wird. Die Produktion erfordert heute rund 100 Stunden Handarbeit und verursacht hohe Kosten», sagt Osmani, der an der ETH Zürich studiert und an der Universität Basel promoviert hat. Er weiss, dass sich das kleine Unternehmen langfristig eher durchsetzen wird, wenn es ihm gelingt, die Produktionskosten zu senken. Der Schlüssel dazu liegt in der Digitalisierung und Automatisierung des Design- und Herstellungsprozesses. Doch dafür fehlt Bottneuro das technische Know-how. Osmani und sein Team waren sich daher lange unsicher, auf welche Technologien sie setzen sollen.

Als Mirko Meboldt zum ersten Mal von Bottneuro hört, sieht er sofort das Potenzial für eine Zusammenarbeit. Doch für einen gemeinsamen Projektantrag bei Innosuisse gibt es auf beiden Seiten zunächst noch zu viele ungeklärte Fragen. Der ETH-Professor und sein Team beschliessen deshalb, einen Prototyp zu erstellen. Dieser zeigt beispielhaft, wie die Prozesskette von Bottneuro digitalisiert werden kann – von der Form des Helms über die Position der Elektroden bis hin zur Produktion mittels 3D-Druckverfahren. Die Forschenden bereiten die individuellen MRI-Daten der Patientinnen und Patienten so auf, dass ein 3D-Drucker den Helm damit automatisch drucken kann – inklusive der Aussparungen für die Elektroden.

Der Prototyp ist ein voller Erfolg und überzeugt auch den CEO von Bottneuro: «Wir haben die Vorteile des neuen Verfahrens sofort erkannt und waren uns sicher, dass Mirko der richtige Partner für ein Innovationsprojekt von Innosuisse ist.» Osmani und Meboldt erhalten die staatlichen Fördergelder schliesslich für einen Zeitraum von drei Jahren. Inzwischen ist die Hälfte dieser Zeit verstrichen. Dank der Unterstützung der ETH-Forschenden kann Bottneuro seine Therapiehelme ab 2025 digital, schneller und günstiger produzieren lassen. Doch ETH-Professor Meboldt hat noch nicht genug. Er will zeigen, dass man den Helm auch mitsamt den Elektroden drucken kann – aus einem Guss. Bis es so weit ist, ist aber noch einiges an Forschung notwendig.

Das Projekt Bottneuro zeigt, dass es sich für KMU lohnt, mit der ETH Zürich zusammenzuarbeiten. Zu Beginn liegt der Ball allerdings oft bei den Forschenden: Sie müssen belegen, dass ihre Forschungsergebnisse und eine neue Technologie tatsächlich das Potenzial haben, ein Unternehmen weiterzubringen. Ist diese Vorleistung aber einmal erbracht, ist ihr technologisches Know-how eine unverzichtbare Innovationsquelle für Schweizer KMU.

Kontakt

ETH Zürich
CH-8092 Zürich
christoph.elhardt@hk.ethz.ch
www.hk.ethz.ch

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