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Werkstoffe – Verarbeitung – Anwendung

Lösungen zur Reduzierung des CO2-Ausstosses

Ziel dieses Flagship-Projektes Zeropol ist die Minimierung der CO2-Emissionen von Kunststoffen durch die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft in der Schweiz. Durch den Einsatz digitaler Technologien, innovativer Materialien und neuer Prozesse wird die Zusammenarbeit von Industrie und Hochschulen gefördert und ein systemischer Wandel vorangetrieben.
Bild 1: Schaffung und Erhaltung von Werten (Quelle: Podleisek/Luban/Hänggi; Circular Economy: The Next Level of Company Success, Springer Verlag 2024)

Ziel des Flagship-Projektes Zeropol ist die Minimierung der CO2-Emissionen von Kunststoffen durch die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft in der Schweiz. Durch den Einsatz digitaler Technologien, innovativer Materialien und neuer Prozesse wird die Zusammenarbeit von Industrie und Hochschulen gefördert und ein systemischer Wandel vorangetrieben.

Von Prof. Dr. Frank Ehrig, Institutsleiter, IWK an der OST

Ziel der Flagship-Initiative der Innosuisse, der Förderagentur für Innovation des Bundes, ist die Stimulation von Innovationen in Bereichen, die für einen grossen Teil der Wirtschaft oder Gesellschaft relevant sind, und die Förderung von transdisziplinären Projekten. Die Initiative strebt nach Lösungen für aktuelle oder zukünftige Herausforderungen, die mehrere Akteure betreffen und/oder nur durch deren Zusammenarbeit gemeistert werden können. 

Es geht nicht nur um die Lösung einzelner technischer Fragestellungen. Wesentliche Komponenten dieses Förderinstrumentes sind die systemische Innovation, bei welcher ein Mehrwert entsteht, wenn mehrere komplementäre Innovationen synergetisch zusammenwirken, sowie der transdisziplinäre Ansatz, bei welchem aus verschiedenen Fachbereichen Akteure zusammenarbeiten.

Das übergeordnete Ziel ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft und/oder einen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft zu leisten, indem durch Effizienzsteigerungen, Kostensenkungen oder neue Lösungen für sozial relevante Herausforderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette Mehrwert geschaffen wird [1].

Herausforderung in der Kunststoffindustrie

Heute produzieren wir jedes Jahr mehr als 400 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle. Um zu verhindern, dass Plastikmüll in die Umwelt gelangt, Flüsse und Meere verschmutzt und Mikroplastik mit den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen erzeugt, oft weit entfernt von der ursprünglichen Quelle, sind systemische Veränderungen erforderlich. Der geschätzte jährliche Wertverlust allein von Kunststoffverpackungsabfällen beträgt 80-120 Milliarden US-Dollar. Es wird prognostiziert, dass sich die Verschmutzung durch Kunststoffe allein bis 2030 verdoppeln wird, was erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Ökosystem haben wird. Kunststoffe stellen auch einen globalen Bestand von 2,7 Gt CO2e. dar, und daher ist die Kunststoff-Wertschöpfungskette direkt mit dem globalen Kohlenstoffkreislauf verbunden, mit Optionen für die Kohlenstoffspeicherung in Polymeren. 

Eine NetZero- und NetPositive-Kunststoffindustrie ist sowohl aus der Produktions- als auch aus der Verbrauchsperspektive eine große Herausforderung und kann nur durch eine Kreislaufwirtschaft und den damit verbundenen Wandel der Geschäftsmodelle mit einer intensiveren Zusammenarbeit in den Lieferketten, Reinvestitionen, einer entsprechenden Gesetzgebung und einem gesellschaftlichen Wandel erreicht werden. In der Schweiz gibt es nur wenige geschlossene Kunststoffkreisläufe, wobei das Recycling von PET-Getränkeflaschen eine Erfolgsgeschichte darstellt. Da ein Grossteil der Kunststoffabfälle verbrannt wird, besteht ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Verwertung anderer technischer Polymere (Konsumgüter/Industrieprodukte/Mischkunststoffe), die in grossen Mengen als Abfall anfallen. Die Auffassung von Abfall muss sich von verlorenen Ressourcen zu Inputs für die weitere Produktion ändern. 

Es gibt zwei Haupthindernisse für eine verstärkte Kreislaufwirtschaft: auf allgemeiner Ebene die komplexen B2B-Beziehungen und zusätzlich spezifische Hindernisse im Zusammenhang mit dem Recycling von Kunststoffabfällen (z. B. Materialheterogenität oder Materialquellen). Beides weist auf ein gemeinsames Manko hin, nämlich das Fehlen eines Koordinierungsmechanismus, der die Anlaufkosten senken, Interaktionen erleichtern und gleichzeitig das Informationsdefizit beheben würde. Dies behindert die Entwicklung von Märkten für Recyclingmaterial. B2B-Unternehmen brechen nicht aus den bestehenden linearen Geschäftsmodellen aus.

Heute gibt es nicht genügend Zusammenarbeit, Transparenz und validierte Daten (Infrastruktur- und Kommunikationsdefizit) über Emissionen von Kunststoffprodukten. Die Folgen von Entscheidungen entlang der Wertschöpfungskette und des Lebenszyklus sind nicht transparent und werden nicht berücksichtigt (z. B. wird bei der Produktgestaltung die Wiederaufbereitung selten berücksichtigt.

Bestehende Ansätze fördern inkrementelle Innovationen, schöpfen aber nicht das disruptive Potenzial aus, dass ein integraler Systemansatz ermöglichen würde. Zusammen mit neuartigen Materialien und energieeffizienten Prozessen können digitale Technologien Lösungen für Probleme bei der Sammlung, Sichtbarkeit und Weitergabe von Informationen bieten. Diese fehlende integrative Komponente blockiert die Entwicklung von Produkten und Prozessen für die Wiederaufbereitung, die Wiederverwendung und das Recycling von Kunststoffen. Hierdurch können (Produkt- und Material-)Werte länger erhalten bleiben (Bild 1).  Hier setzt das Flagship-Projekt an.

Ziele des Flagships

Die Verlängerung der Nutzungsdauer von Kunststoffen in Erstverwendungsanwendungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Zweitverwendungsmöglichkeiten trägt nicht nur dazu bei, den gesamten CO2-Fussabdruck von Kunststoffprodukten während ihres Lebenszyklus zu minimieren, sondern verbessert auch die Produktionseffizienz durch Optimierung des Materialeinsatzes und Verringerung des Abfalls.

ZeroPol bringt die wichtigsten Interessengruppen entlang des gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen zusammen. Unter den 18 Industriepartnern sind Kunden, Verarbeiter und Recycling-Unternehmen entlang der Kunststoff-Wertschöpfungskette (siehe  https://zeropol.ch/).  Innovative Lösungen werden in Zusammenarbeit mit fünf Hochschulpartner erarbeitet. Die Universität St. Gallen (HSG) ist das Leading House im ZeroPol-Projekt. Weitere 4 Schweizer Forschungsinstitutionen sind beteiligt: Die Fachhochschule Ostschweiz (OST), die ETH Zürich, die École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) und die Fachhochschule der Südschweiz (SUPSI). Gemeinsam decken sie die verschiedenen Disziplinen und Forschungsebenen in diesem Themen Bereich ab. Dieses transdisziplinäre Projekt entwirft eine Innovationsplattform für die Schweizer Kunststoffindustrie durch die Kombination von sechs Schlüsselfaktoren: mehrseitige Plattform, ECO-Design-Tool, neuartige Materialien und Prozesstechnologien, neue Wertschöpfungsketten und die Beschleunigung von F&E-Prinzipien. Bild 2 zeigt den Aufbau des Projektes:

Bild 2: Struktur des Flagship-Projektes mit sechs Fokus Topics und sechs Subprojekten (Quelle: IWK, HSG)

In den sechs Fokus Topics A-F werden spezifische Fragestellungen in kleineren Projektteams bearbeitet, die detailliertes Fachwissen erfordern. Die Inhalte decken insgesamt ein breites Spektrum ab: Massenkunststoffe, technische Kunststoffe und Composites; Recyclinganwendungen und Biomaterialien; Verpackungsanwendungen und technische Produkte inklusive Materialauswahl und Designoptimierungen.  

Die sechs Subprojekte leiten aus den Ergebnissen der Focus Topics allgemeingültige Aussagen ab, die idealerweise mathematisch erfasst und auf weitere Anwendungsfälle übertragen werden können. Zwischen den Sub-Projekten und den Fokusthemen ist daher eine enge Zusammenarbeit erforderlich, so dass ein integrierter Ansatz gewährleistet ist. 

Die Teilprojekte und Schwerpunktthemen im kunststoffspezifischen Wertestrom arbeiten auf das ECO-Design-Tool (SP 2) hin, um die Folgen früher Entscheidungen sichtbar zu machen. Die Schaffung von Transparenz ermöglicht die Kommunikation und bietet alternative Material- und Produktionsmöglichkeiten aus einer End-to-End-Perspektive, um die Entscheidungsfindung zu verbessern und zu unterstützen. Dabei können Informationen über die graue Energie (CO2 eq), Wiederaufbereitungsraten, Recyclingfähigkeit, alternative Materialien, energiesparende Produktionsmethoden sowie die Gestaltung der Lieferkette berücksichtigt werden. Dazu gehören auch die Rückwärtslogistik und die Entwicklung von Geschäftsmodellen zur Verbesserung der Recyclingraten. Die verschiedenen Bestandteile, die für den Aufbau des Designtools als Dienstleistung benötigt werden, bilden die Ergebnisse der Teilprojekte: SP3 (Materialszenarien), SP4 (effiziente Produktionstechnologien) und SP5 (Neuverdrahtung von Lieferketten).

Die Ergebnisse von SP 2 (ECO-Design-Tool) sowie von SP 6 (R-Prinzipien) fliessen in die Gestaltung der digitalen Innovationsplattform (SP 1) ein und werden mit ihr kombiniert. Diese Instrumente werden zur Bewertung von Fallstudien eingesetzt und zeigen das erhebliche Verbesserungspotenzial auf.

Das SP1 bildet somit sowohl den Kern als auch den Multiplikator für die anderen Projekte. Ohne SP1 hätten die anderen Teilprojekte keine Existenzberechtigung, weil die Skalierung nicht gegeben wäre. Ohne die anderen Teilprojekte und Schwerpunktthemen gäbe es auch kein Teilprojekt 1. Insofern kann das Flaggschiff nur als Summe aller Teilprojekte und Fokusthemen existieren. Die interdisziplinäre Plattform soll nach Projektende für die Schweizer Kunststoffindustrie nutzbar gemacht werden.

Projektleitung

HSG: Moritz Häussler
Research Associate & PhD Candidate
Universität St. Gallen (HSG)
moritz.haeussler@unisg.ch

Interessiert an einer Projektteilnahme? Beiträge weiterer Industriepartner werden das Projekt sicher bereichern und eine breitere Abstützung der Ergebnisse ermöglichen. Ende November werden die Modalitäten für die Aufnahme weitere Teilnehmer im gesamten Projektkonsortium besprochen. Interessenten können sich beim Projektleiter Moritz Häussler melden. 

Literatur

[1] Innosuisse Schweizerische Agentur für Innovationsförderung: Flagship-Initiative; https://www.innosuisse.admin.ch/de/flagship-initiative; Zugriff: 2.11.2024

Kontakt der OST


IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffvearbeitung
Prof. Dr. Frank Ehrig
Eichwiesstrasse 18b
CH-8640 Rapperswil-Jona
frank.ehrig@ost.ch
www.ost.ch/iwk

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