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KI in der Schweizer Tech-Branche

Künstliche Intelligenz ist ein viel diskutiertes Thema, aber die Verbreitung in der Schweizer Tech-Industrie ist gering, vor allem im Bereich der Fertigung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Swissmem und Next Industries durchgeführt hat.
(Bild: Adobe Stock)

Künstliche Intelligenz ist ein viel diskutiertes Thema, aber die Verbreitung in der Schweizer Tech-Industrie ist gering, vor allem im Bereich der Fertigung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Swissmem und Next Industries durchgeführt hat. Der Verantwortliche der Studie, Professor Torbjørn Netland, erklärt, weshalb Schweizer Tech-Unternehmen im internationalen Vergleich dennoch gut dastehen und wie sie ihr Potenzial ausschöpfen können.

Von Roland Baumann, Hochschulkommunikation, ETH Zürich

Künstliche Intelligenz (KI) hat in verschiedenen Branchen Einzug in den Arbeitsalltag gehalten. Die Pharmaindustrie nutzt KI, um neue Medikamente zu entdecken, die Konsumgüterindustrie setzt sie zur Qualitätskontrolle ein, und im Bürobereich definieren generative KI-Co-Piloten viele Arbeitsabläufe neu. Doch wie stark nutzen Schweizer Tech-Unternehmen KI, und in welchen Bereichen wird sie eingesetzt?

KI ist wichtig, wird aber bisher nur langsam angenommen

«Insgesamt ist KI in der Schweizer Tech-Industrie noch wenig verbreitet», sagt Torbjørn Netland, Professor für Produktions- und Betriebsmanagement an der ETH Zürich. Dieses Fazit zieht er aus einer Umfrage, die seine Professur in Zusammenarbeit mit Swissmem und Next Industries durchgeführt hat, und an der über 200 Schweizer Tech-Unternehmen teilnahmen. Die Umfrage vermittelt ein widersprüchliches Bild: Künstliche Intelligenz ist wichtig, aber bisher geht ihre Anwendung in der Industrie kaum über erste Pilotversuche hinaus.

Die Hälfte der Unternehmen antwortete, dass sie den Einsatz von KI in Bezug auf fertigungsbezogene Anwendungen noch nicht in Erwägung gezogen haben. Ein weiteres Fünftel fand den Einsatz von KI zu wenig überzeugend, um die Idee weiter zu verfolgen. 10 Prozent führen derzeit Pilotversuche durch, weitere 12 Prozent planen Tests, und erst wenige Unternehmen wenden sie in grösserem Massstab an.

Einsatz von KI in der Produktion (Grafik: ETH Zürich)

Ehrgeizige Pläne für die nahe Zukunft

«Wenn man sich die antwortenden Unternehmen genauer anschaut, stellt man fest, dass es vor allem die kleineren und weniger profitablen Unternehmen sind, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben», sagt Netland. Dieses Ergebnis wird untermauert durch die Antworten der Unternehmen auf die Frage, wie ihrer Meinung nach KI in der Fertigung in drei Jahren eingesetzt wird. Während viele Unternehmen ehrgeizige Pläne haben – 16 Prozent wollen KI in grossem Massstab einsetzen und weitere 22 Prozent Pilotversuche durchführen –zeigen die weniger profitablen Unternehmen weniger Ambitionen.

In anderen Anwendungsbereichen sieht das Bild positiver aus. In der Forschung und Entwicklung (R&D) ist der Anteil der Unternehmen, die sich bereits in der Pilotphase befinden, mit 22 Prozent doppelt so hoch wie in der Fertigung. Diese Befragten gehen auch davon aus, dass etwa ein Drittel der Unternehmen plant, KI-Anwendungen in den nächsten drei Jahren in grossem Umfang einzusetzen. Die Zahlen für Vertrieb und Marketing sind ähnlich, ebenso jene im Bereich Kundendienst und technischer Support. «Gründe für die breitere Durchdringung im Bürobereich könnten die im Vergleich zur Fertigung leichter verfügbaren Daten und das Potenzial für den Einsatz generativer KI wie ChatGPT oder Microsoft Copolit sein», erklärt Netland.

Ernüchternde Ergebnisse angesichts des KI-Hypes

Die Ergebnisse der Umfrage stehen im Gegensatz zu anderen Studien, die eine viel stärkere Umsetzung von KI in der Technologiebranche nahelegen. «Diese Berichte werden oft von Organisationen verfasst, die ein persönliches Interesse daran haben, eine weiterreichende KI-Implementierung zu zeigen, beispielsweise Beratungsunternehmen, Informatikfirmen oder Verkäufer von KI-Lösungen», sagt Netland. Er vermutet, dass die meisten von ihnen ernsthafte Stichprobenverzerrungen aufweisen. Zum Beispiel, wenn Beratungsfirmen ihre Kunden oder KI-Konferenzen ihre Teilnehmenden befragen. Er ist der festen Überzeugung, dass die aktuelle Umfrage der ETH Zürich die tatsächliche Situation widerspiegelt: Die Realität hinkt dem Hype hinterher.

Netland ist überzeugt, dass die Schweizer Technologiebranche mit der internationalen Konkurrenz Schritt hält. «Wenn wir unsere Umfrage mit einer repräsentativen europäischen Stichprobe wiederholen würden, würden die Ergebnisse wahrscheinlich mit unseren übereinstimmen, oder sogar eine noch geringere Anwendungsquote aufweisen», sagt Netland. Die Schweizer Tech-Industrie sei als Vorreiterin in den Bereichen Technologie und Produktion bekannt. Sie sei auch bekannt für ihre Innovationsfähigkeit, ihr ausgezeichnetes Bildungssystem und den vergleichsweise guten Zugang zu Fachkräften. Allerdings: Der fehlende Zugang zu KI-Know-how stellt gemäss der Studie derzeit das grösste Hindernis für die Schweizer Technologiebranche dar.

Zwei Drittel der Unternehmen antworten, dass sie entweder ‘gar nicht’ oder nur ‘in begrenztem Umfang’ Zugang zu internem KI-Know-how oder KI-Talenten an Hochschulen haben. «Um dieses Potenzial auszuschöpfen, ohne gegenüber anderen Ländern ins Hintertreffen zu geraten, muss die Kompetenz- und Ausbildungslücke in der Schweiz im Bereich KI geschlossen werden», sagt Netland. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass es keinen Grund gibt, zu glauben, dass andere Länder voraus sind.

«Wenn es der Industrie und der Wissenschaft gelingt, bei die Qualifikationslücke zu schliessen und effektiv zusammenzuarbeiten, könnte sich das Know-how beim Einsatz von KI in der Fertigung von einem Hindernis in einen Standortvorteil verwandeln», fügt Dr. Oliver von Dzengelevski an, der das Umfrageprojekt koordinierte.

Effizienzsteigerung wichtigster Treiber

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die beiden überzeugt sind, dass Schweizer Unternehmen international auf Augenhöhe sind. Schweizer Industrieunternehmen seien pragmatisch und intelligent; sie würden nicht auf den fahrenden Zug aufspringen, nur um den Hype nicht zu verpassen. In der Umfrage gab nur ein Fünftel der Unternehmen an, dass ihr Einsatz von KI in hohem oder sehr hohem Masse von aktuellen Trends in der Branche getrieben wird. Als wichtigster Treiber wurde die Effizienzsteigerung genannt. Darüber hinaus wird die Aussage durch die Tatsache untermauert, dass die meisten, die KI implementieren und nutzen, mit den Ergebnissen zufrieden sind.

Netland betont die Produktivitätssteigerung, die KI für Unternehmen in der Schweiz und im Ausland bringen kann. «Es besteht kein Zweifel, dass sie ein Game Changer sein kann.» Doch bis heute sind die meisten Unternehmen noch nicht bereit für KI. So fehlt es ihnen beispielsweise an der Datenverwaltung oder der IT-Infrastruktur, die erforderlich ist, um das Potenzial der KI zu nutzen. «Die gute Nachricht für sie ist, dass ihre Konkurrenten auch nicht bereit sind», sagt Netland. «Die Frage ist nur, für wie lange.»

Empfehlung: Entwicklung einer kohärenten KI-Strategie

Wie aber sollen Unternehmen vorgehen, die vermehrt KI nutzen wollen? «Vor dem Hintergrund der tiefen Verbreitung und angesichts der Hindernisse und Herausforderungen bei der Einführung von KI sollten Manager eine kohärente KI-Strategie für ihr Unternehmen formulieren, die auf die Ziele der digitalen Transformation abgestimmt ist», heisst es im Bericht. Dies ist insofern von Bedeutung, als nur eines von vier Unternehmen in der Umfrage angab, über eine solche Strategie zu verfügen. Die Experten raten den Unternehmen auch, intern in KI-Fachkräfte zu investieren. Darüber hinaus empfehlen sie den Unternehmen, die Einführung von KI realistisch einzuschätzen und sich zu fragen, was sie von der KI erwarten. «Am Anfang soll die Frage stehen, welches Problem sie mit KI lösen wollen», rät Netland.

Welche Fallstricke sollten Unternehmen auf jeden Fall vermeiden? «Übermässiges Vertrauen und generelles Misstrauen in die KI», sagt Netland. Übermässiges Vertrauen bedeutet, KI zu implementieren und ihr freien Lauf zu lassen. Dies würde nicht nur die Gefahr bergen, dass über die Zeit das Know-how der Arbeitnehmenden abnimmt, sondern auch die Gefahr, dass sie KI-„Halluzinationen“ und Fehlern erliegen. Misstrauen gegenüber der KI hingegen verhindert Bemühungen, die KI zu erproben, und lässt ihr Potenzial ungenutzt. «Wie bei den meisten Dingen im Leben gibt es einen goldenen Mittelweg, und Schweizer Unternehmen sind in der Regel gut darin, ihn zu finden», sagt Netland.

Literaturhinweis

von Dzengelevski O, Bickel M, Zhang Q, Netland T, The state of AI in the Swiss tech industry: Results from a survey by ETH Zurich in cooperation with Swissmem and Next Industries. doi: ⁠externe Seite10.3929/ethz-b-000678173call_made.

www.ethz.ch

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