Engel bietet viele Assistenzsysteme für den Spritzgiessprozess. Auf dem Messestand an der K 2022 in Düsseldorf gab Markus Schertler, Geschäftsführer der Engel (Schweiz) AG, einen Einblick, wie das Unternehmen seine Kunden beim Energiesparen unterstützt.
Ein wichtiges Thema bei Engel sind die steigenden Strompreise, „das ist vielleicht nicht so spektakulär, es betrifft die Industrie aber am meisten“, sagt Markus Schertler, Geschäftsführer der Engel (Schweiz) AG. Bezüglich der massiv steigenden Preise hat er mit vielen Kunden Gespräche geführt: „Da gibt es einige, die mit doppelten bis dreifachen Stromkosten im Vergleich zum letzten Jahr auskommen müssen.“
Um das abzufedern haben doch viele Hersteller Rahmenverträge mit gebundenen Preisen? Beschränkt, sagt Schertler. In der Schweiz kann ein Unternehmen wählen, ob es einen Energievertrag mit der Gemeinde abschliesst, oder Strom am freien Markt einkauft. Da haben einige Firmen am freien Markt eingekauft, und übrigens auch Gemeinden. Das heisst, die letzten Jahre konnte man da noch profitieren, weil die Preise immer etwas unter den langfristigen Verträgen waren, aber jetzt mit diesem starken Anstieg, haben sie das Nachsehen.
Dazu kommt noch, die Laufzeiten solcher Verträge betragen vielleicht 2 bis 3 Jahre, d.h. viele Verträge laufen nächstes oder übernächstes Jahr aus. Niemand rechnet damit, dass sich die Preise bald wieder normalisieren, deshalb treibt dieses Thema gerade viele um.
Wie kann man als Fertiger konkret Strom sparen? Die Herstellung von Kunststoffteilen ist ja nunmal energieintensiv.
Viele Kunden haben Spritzgussanlagen 20 bis 30 Jahre in Betrieb. Dort sind Antriebssysteme und Technologien verbaut, die sehr viel mehr Strom verbrauchen als heutige Technologien.
Wir haben Rechenbeispiele gemacht: Wenn ich beispielsweise eine hydraulische 200t-Maschine, die 20 Jahre alt ist durch eine vollelektrische neue Anlage ersetze, ist die Energieeinsparung bei einem verdoppelten Strompreis höher als die Leasingrate der neuen Maschine.
Heisst das es lohnt sich wegen den steigenden Energiepreisen, Maschinen zu ersetzen, die noch nicht am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sind?
Absolut.
Rechnen sie denn durch diese Situation mit einem höheren Auftragseingang?
Wir glauben nicht, dass das den grossen Run auslöst, weil wir uns doch in einer herausfordernden wirtschaftlichen Situation befinden. Da müssen die Firmen genau abwägen, was kommt in den nächsten Monaten auf uns zu, was kann ich an Energiekosten sparen.
Ich denke das erste, was eine Firma heute machen kann, ist den Energieverbrauch zu messen. Die Evaluation der Energiekosten zeigt häufig, dass die grossen Verbraucher nicht die sind, die man vielleicht vermutet.
Wir bieten Komplettsysteme an, mit denen man die Maschine mit Automation und Temperierung messen kann. Da sieht man sehr schnell, dass z.B. die kleinen Temperiergeräte einen sehr hohen Stromverbrauch haben. Zwei kleine Temperiergeräte brauchen doppelt so viel Strom wie eine vollelektrische 100t-Maschine. Viele Kunden haben diese Systeme noch in alten Ausführungen im Einsatz.
Auch Pneumatik ist ein grosser Energieverbraucher. Grosses Potenzial liegt noch darin, dass man all diese Systeme bedarfsgerecht steuert. Dass etwa Antriebe nur dann laufen, wenn die Leistung auch benötigt wird.
Heisst das, dass viele Anwender bis heute nicht genau wissen, wo die grossen Verbraucher stecken und diese Fragen erst jetzt bei steigenden Stromkosten in den Fokus rücken?
Das ist so. Den energetischen Vorteil hat man früher einfach mitgenommen beim Kauf einer neuen Maschine. Aber es war nicht der wichtigste Entscheidungsgrund. Die aktuelle Situation rückt das Thema natürlich in den Vordergrund. Viele Unternehmen, die sich da früher keine Gedanken gemacht haben, steigen jetzt voll ein.
Ein ebenso wichtiges Thema ist der Spitzenstrom. Wenn z.B. nach dem Wochenende Montag morgens alle Maschinen auf einmal eingeschaltet und aufgeheizt werden, entsteht eine hohe Stromspitze, die man teuer bezahlen muss. Wenn man die Einschaltung des Maschinenparks kontrolliert über mehrere Stunden macht, lassen sich diese Spitzen reduzieren. Für all diese Dinge bieten wir intelligente Software an.
Ihre Maschinen können das bestimmt schon länger, sodass sie nun direkt passende Lösungen anbieten können.
Wir haben bereits vor 15 Jahren drehzahlgeregelte Pumpen in der Hydraulik eingesetzt. Wir sind da schon länger stetig dran.
Wie weit lässt sich eine Spritzgussmaschine energetisch noch optimieren?
Wir fahren schon auf Linearführungen reibungsminimiert, oder haben mit isolierten Heizungen die Abstrahlwärme reduziert. Da ist nicht mehr so viel Potenzial. Deshalb haben wir uns auch dem Gesamtsystem gewidmet, und bspw. bei den neuen Robotern eine Vakuumsparschaltung als Standard integriert (siehe Box).
Vakuumsparschaltung
Engel hat bei Robotern für Pick & Place-Anwendungen standardmässig eine Vakuumsparschaltung eingebaut. Das funktioniert so, dass für die Aufnahme eines Teils nur Druckluft benötigt wird, um einen Unterdruck herzustellen. Sobald der erreicht ist, schliesst ein Ventil automatisch ab, bis das Teil wieder abgelegt wird. Auf der K in Düsseldorf zeigte ein Demonstrator, dass auf diese Weise bei einem Beispiel-Zyklus von 18 Sekunden nur gerade 1 Sekunde lang ein Vakuum aufgebaut wird. Ohne diese Sparschaltung würde der Greifer permanent Luft ansaugen.
Zudem bieten wir Temperiergeräte an mit drehzahlgeregelten Pumpen. Das alles noch in Kombination mit intelligenten Assistenzsystemen sorgt dafür, dass wir einen möglichst niedrigen Energieverbrauch erreichen.
Also ja, wir haben die Systeme schon und können Firmen, die diese Themen im Fokus haben optimal beraten. Kunden sind nun auch zunehmend bereit, solche Investitionen zu tätigen, weil sie sich unter diesen Voraussetzungen sehr schnell rechnen.
Das heisst technisch ist das Potenzial schon bald ausgeschöpft?
Das einzelne Produkt zu optimieren, ist schon ziemlich ausgereizt. Potenzial liegt aber noch bei den Produkten im Zusammenschluss mit der Peripherie. Und dann lässt sich übergreifend über alle Maschinen in der Fertigungshalle noch einiges erreichen.
Wenn die technischen Lösungen vorhanden sind, fehlt es demnach noch am Bewusstsein der Anwender, dass noch nicht so viele Anstrengungen in eine effiziente Produktion gesteckt werden?
Ganz klar. Produkte kaufen ist das eine. Aber das Wichtige ist, dass man die Mitarbeiter mit nimmt und Energie sparen zum Thema macht.
Wenn ein Unternehmen es schafft die Mitarbeiter zum Energiesparen zu motivieren, lassen sich ungeahnte Potentiale heben. Dabei können fast alle Abteilungen einen Beitrag leisten.
An erster Stelle steht das Visualisieren und Messen des Verbrauchs, danach kann optimiert werden.
Durch bedarfsgerechte (nur so viel wie nötig) Einstellung der Produktionsparameter wie Temperaturen, Drücke, Geschwindigkeiten, etc. lassen sich einige Energiesparpotentiale heben.
iQ hold control
Durch das neue iQ hold control wird die Siegelpunkt Bestimmung automatisiert. Durch Analyse der Werkzeugatmung je Nachdruckzeit, wird die optimale Nachdruckzeit durch die Maschine automatisch ermittelt. Dies ermöglicht einen schnelleren Start der Serienfertigung, sowie Energie und Zykluszeiteinsparung durch optimale Nachdruckzeit.
Wir helfen unseren Kunden dabei mit intelligenten Systemen, wie jetzt neu mit iQ hold control der automatischen Ermittlung der optimalen Nachdruckzeit. Damit lässt sich Energie und Zykluszeit einsparen, ohne Abstriche in der Bauteilqualität.
Am meisten Potenzial hat allerdings der Ersatz alter Anlagen, die noch nicht über effiziente bedarfsgerechte Antriebe verfügen. Es macht wenig Sinn, dass wir neue Anlagen um die zweite Kommastelle der Kilowattstunde optimieren, und daneben steht eine Maschine, die doppelt so viel Strom benötigt.
Autor
Thomas Meier