Das IKT/INKA setzt einen starken Fokus auf den Bereich Additive Fertigung – sowohl in der Forschung als auch in der Lehre. Im Bachelorstudiengang Maschinenbau mit Vertiefung Kunststofftechnik und im MAS Kunststofftechnik wird der 3D-Druck in Kombination mit digitalisierter Produkt- und Verfahrensentwicklung eingebaut. In zahlreichen Forschungsprojekten trägt die FHNW zu Innovationen in der Additiven Fertigung bei.
Autoren: Prof. Dr. Christian Brauner, Leitung Leichtbau & Faserverbundtechnologien; Prof. Dr. Christian Rytka, Leitung Kunststoffverarbeitung & Nachhaltigkeit; beide FHNW – Institut für Kunststofftechnik (IKT)
Die additive Fertigung von Kunststoffen hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Dabei nimmt die Vielfallt an Verfahren (Filament-, Pulver- oder Flüssigkeitsbasierend) und Werkstoffen (Metalle; Kunststoffe: amorph, teilkristallin, gefüllt, verstärkt, funktionalisiert) kontinuierlich zu. Gerade zur Herstellung von Prototypen im Rahmen einer Produktentwicklung bietet der 3D-Druck den grossen Vorteil, ein reales Bauteil frühzeitig begutachten zu können. Dabei kommt man sogar der Mechanik und der Oberflächenqualität eines spritzgegossenen Bauteils immer näher, solange es sich um unverstärkte Kunststoffe handelt. Somit können zum Teil reale Funktionstests durchgeführt werden. Bei faserverstärkten Kunststoffen ist der Unterschied vom 3D-Druck zum Spritzgussverfahren allerdings noch relativ gross. Da die Druckzeiten immer kürzer werden, ist additive Fertigung mittlerweile auch für Kleinserien (ca. 100 -1000 Stück) interessant.
Dem Fortschritt in der additiven Fertigung wird am Institut für Kunststofftechnik (IKT) an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) nicht nur in der Forschung und Entwicklung, sondern auch in der Lehre Rechnung getragen. In verschiedenen Vorlesungsmodulen im Bachelorstudiengang Maschinenbau mit Vertiefung Kunststofftechnik wird der 3D-Druck in Kombination mit digitalisierter Produkt- und Verfahrensentwicklung eingebaut. Gerade die jungen angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure kann man mit additiver Fertigung gut abholen. Während Kunststoffe aufgrund der Müllproblematik in Meeren in den letzten Jahren an Image eingebüsst haben, weckt der 3D-Druck beim Nachwuchs Begeisterung.
Um dem steigenden Interesse gerecht zu werden, wird ab dem Frühlingssemester 2023 ein neues Modul unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Brauner zur additiven Fertigung mit Polymeren angeboten. Im Rahmen der Überarbeitung des Curriculums des Studiengangs Maschinenbau wurde das Vertiefungsfach «Additive Manufacturing with Polymers (AMP)» geschaffen. Lernziel ist es, den Studierenden übergreifend im Bereich der additiven Fertigung, Methoden im Kontext der Automatisierung, Digitalisierung und Materialwissenschaften näher zu bringen. Dies wird durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Institute Automation und Kunststofftechnik erreicht, in dem eine Lerneinheit zum Thema Roboter basierte additive Fertigung geschaffen wurde und den Teilnehmenden die Möglichkeit gibt, «Digital Experience» und praktische Erfahrung zu erlangen.
Die Studierenden sollen so anwendungsbezogen verschiedene Verfahren zur Konstruktion additiv gefertigter Teile erlernen. Hierdurch werden sie in der Lage sein, die Anwendbarkeit der einzelnen Fertigungsverfahren aus technischer und wirtschaftlicher Sicht zu beurteilen und zu vergleichen.
Aber auch im berufsbegleitenden Studiengang Master of Advanced Studies (MAS) Kunststofftechnik (www.fhnw.ch/mas-kunststofftechnik) liegt ein Fokus auf der additiven Fertigung, welche mit dem Spritzgussverfahren verglichen wird, der den 3D-Druck in idealer Hinsicht ergänzt, sobald grössere Stückzahlen (ca. >1000 Stück) benötigt werden. Im Rahmen des MAS wurde ein spannendes Lehrprogramm in Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung (IWK) an der HSR in Rapperswil erarbeitet. Dabei wird insbesondere auf die Unterschiede im kunststoffgerechten Design eingegangen. Regeln, die für den Spritzguss gelten, z.B. möglichst keine Hinterschnitte oder Hohlräume, sind bei der additiven Fertigung zum grossen Teil ausser Kraft gesetzt. Jedoch müssen andere Grundsätze berücksichtigt werden. Beim Schichtextrusionsverfahren (FDM bzw. FFF) muss man sich z.B. Gedanken machen, in welchen Winkeln die Filamente abgelegt werden, da einige Eigenschaften wie die Festigkeit davon abhängig sind. Während das Schichtextrusionsverfahren vor allem im Hinblick auf die Verfahrensparameter noch viel Ähnlichkeit zum klassischen Extrudieren hat, muss man bei der Stereolithographie Know-how im Bereich Vernetzung bzw. Aushärtung von Flüssigpolymeren mitbringen. Diese erfolgt dann aber nicht in Öfen, sondern mittels Laser- oder UV-Bestrahlung.
Die additive Fertigung bietet auch noch sehr viel Spielraum für Forschungsaktivitäten. Am Institut für Nanotechnische Kunststoffanwendungen (INKA) an der FHNW beschäftigt man sich z.B. mit der Fertigung von hochaufgelösten mikrofluidischen Strukturen (Bild. 2). Solche Strukturen werden mittels Zweiphotonenpolymerisation – ein Spezialverfahren der additiven Fertigung – in Kooperation mit dem Paul-Scherrer-Institut (PSI) erzeugt. Diese Strukturen können in einen metallischen Master übertragen und mittels Spritzguss mit Polymeren repliziert werden.
Im Bereich der Materialentwicklung ist am IKT eine Infrastruktur vorhanden, Filamente herzustellen, welche zu interessanten neuen Anwendungen geführt hat. Hier wurden zum Beispiel Filamente mit dem Polymer Phenoxy, faserverstärkte Filamente mit rezyklierten Carbonfasern oder flexible Filamente auf Basis von biobasiertem Pebax hergestellt (Bild 3).
In einem Innosuisse Projekt mit der Firma Huntsman konnten wir nachweisen, dass die Zugabe von Miralon-Nanofasern in technische Hochleistungspolymere wie PET-G, PA12 oder PEI die mechanische Leistungsfähigkeit um etwa 10-30% und die Leitfähigkeit um mehrere Grössenordnungen in spritzgegossenen und 3D-gedruckten Teilen deutlich erhöht. Der Druckprozess bzw. der daraus resultierende Strömungsmechanismus in der Düse während der Extrusion wurde simuliert und untersucht. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen wurde eine neue Düsengeometrie ausgearbeitet und im SLM-Druckverfahren hergestellt. Diese neue Düsengeometrie zielt darauf ab, die Richtung der „Miralon“-Nanofasern in der Polymerschmelze während des Drucks zu ändern. So sollen sich die „Miralon“-Nanofasern nicht nur in Fliessrichtung, sondern auch quer dazu ausrichten. Wir konnten mit einem teilkristallinen und einem amorphen Material mit und ohne Nanofasern zeigen, dass sich eine spezielle Düsengeometrie positiv auf die mechanische Leistung im Allgemeinen und auf die Querfestigkeit im Speziellen auswirken kann. Darüber hinaus waren die mechanischen Eigenschaften von gedruckten Teilen mit 1 % Miralon-Nanofasern im Vergleich zu einer kommerziellen Referenz mit 20 % Kohlenstofffasern besser, insbesondere bei Verwendung der speziellen Düsengeometrie. Als Demonstrator wurde auf der JEC 2022 in Paris eine 3D-gedruckte Halterung gezeigt (Bild 4).
Nebst dem Fokus auf Materialentwicklung liegt ein weiterer Schwerpunkt in der Nutzung des Material- und Prozessverständnisses für die gezielte Anlageentwicklung. So wirkten wir im Rahmen eines Innosuisse-Projektes mit dem Startup NematX bei der Entwicklung eines hochpräzisen FFF Druckers für die Verarbeitung von Flüssigkeistallpolymeren (Liquid Cryatal Polymers, LCPs) mit (Bild 5).
Des Weiteren ist hier die Zusammenarbeit mit der Firma 9TLabs zu nennen, welche wir bei der Entwicklung ihrer faserverstärkten Materialien, der Druck- und Konsolidierungstechnologie unterstützen durften und speziell, gefördert durch die Innosuisse, numerische Berechnungsmethoden abgeleitet haben, um ihren Prozess wissensbasiert zu optimieren. Ziel von 9T Labs ist es, einen neuen Marktstandard für die Herstellung von Hochleistungsstrukturen zu etablieren, welcher es ermöglicht, mit 50% weniger Material und ohne Abfall Serienfertigung > 10´000 Teile zu betreiben (Bild 6).
Insgesamt ist die FHNW im Bereich additiver Fertigung sehr gut aufgestellt und verfügt über einen aktuellen Maschinenpark mit allen gängigen Verfahren und Materialien. Dabei können wir anwendungsbezogen von der Materialentwicklung, über die Ermittlung der Prozesseigenschaftsbeziehungen, die spezifische Anlagenentwicklung aber auch bei der Digitalisierung bzw. der virtuellen Abbildung von Prozesses in Form von geförderten Projekten (Innosuisse, HTZ..) oder Studierenden-Projekten die Schweizer Industrie unterstützen.
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Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
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