Sandwichplatten der Aargauer Firma UpBoards mit einem geschäumten rezyklierten Mischkunststoffkern ermöglichen der Restfraktion aus der Kunststofftrennung ein neues Leben und reduzieren die Menge verbrannten Kunststoffs. Die grossen Herausforderungen, welche die Verarbeitung des Mischkunststoffes mit sich bringt, wurden in Zusammenarbeit mit der FHNW gelöst und werden nun industriell umgesetzt.
Autoren: Stephanie Wegmann, (IKT, FHNW); Philipp Krzikalla, (IKT, FHNW); Prof. Dr. Christian Rytka (IKT, FHNW); Raphael Markstaller (UpBoards)
Kunststoffsammlungen aus privaten Haushalten, wie zum Beispiel in Deutschland und Österreich der gelbe Sack, beinhalten zu grossen Anteilen diverse Verpackungen. Diese bestehen zumeist aus Polyolefinen, PET, PS sowie kleinen Anteilen von Karton, Papier oder auch Metallen. Eine Trennung ist selbst mit hoch automatisierten Verfahren nur bis zu einem gewissen Grad wirtschaftlich und bei Mehrschichtsystemen technisch nur sehr bedingt möglich. Insbesondere Verbundfolien und Verunreinigungen ergeben einen Rest, den sogenannten Mischkunststoff, welcher aktuell ausschliesslich in der Kehrichtverbrennungsanlage verbrannt wird. Die Firma UpBoards GmbH mit Sitz in Buchs (AG) hat sich daher zum Ziel gesetzt, dieses Material als Rohstoff zu verwenden, um Sandwichplatten herzustellen. Dabei sollte der Mischkunststoff zur Reduktion der Dichte als Kernmaterial geschäumt werden. Für die Stabilität sollen steife Deckschichten aus sortenreinem Kunststoffrezyklat verwendet werden, wobei alle Rohstoffe aus Rezyklat oder nachwachsenden Ressourcen bestehen sollen.
Weiter sollen solche Sandwichplatten, welche nicht mehr gebraucht werden, nicht einfach entsorgt werden, sondern im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wieder zurück zu UpBoards gelangen. Dort werden sie dem Mischkunststoff beigemischt und als zusätzliches Kernmaterial wieder verwendet. So kann sichergestellt werden, dass der «gerettete» Mischkunststoff nicht doch in der Verbrennung endet.
Zusammen mit dem Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) entwickelte UpBoards unterschiedliche Materialkombinationen sowie ein Verfahren, um solche Sandwichplatten herzustellen. Das Schäumen des Mischkunststoffes sowie die Verbindung des Kerns zu den Deckschichten stellten sich dabei als grosse Herausforderungen dar.
Sandwichtechnik
Sandwichplatten existieren schon länger in den unterschiedlichsten Ausführungen mit diversen Materialien. Sie bestehen aus kompakten Deckschichten sowie einem leichteren Kern. Die Deckschichten sorgen für ausreichend Stabilität, während der leichte Kern das Gewicht der Platten reduziert. So ist es möglich, leichte Platten mit einer hohen Steifigkeit zu erhalten.
Platten mit einem eher tiefen E-Modul können auch in einem Schritt als Integralplatten gefertigt werden, bestehend aus einem homogenen Material mit geschlossener Aussenhaut und innenliegenden geschlossenen Poren. Zur gezielten Erhöhung der Steifigkeit können je nach Anforderung Deckschichten aus sortenreinen Rezyklaten verwendet werden. Zudem ermöglichen Füll- und Verstärkungsstoffe sowie die Variation der Wandstärke eine weitere Steigerung der Steifigkeit der Deckschichten und somit des ganzen Sandwiches.
Die gute Haftung zwischen Deckschicht und geschäumten Kern ist eine zentrale Komponente in der Entwicklung der Sandwichplatten. Eine Ablösung der Deckschicht vom Kern unter Belastung führt zum Versagen der Platte unter einer zu tiefen Last. Dies bei allen Materialkombinationen zu erreichen, stellte immer wieder eine grosse Herausforderung dar. Durch verschiedene Prozess- und Materialadaptionen konnte bei allen Platten eine ausreichend gute Haftung erzeugt werden, damit das volle Potenzial der Werkstoffe ausgeschöpft werden kann.
So konnten im abgeschlossenen Forschungsprojekt für vier Einsatzbereiche Materialkombinationen in diversen Geometrien identifiziert werden, welche nunmehr im neu aufgelegten Serienverfahren kommerzialisiert werden sollen.
Schäumen von Mischkunststoff
Das Schäumen von Kunststoffen im Allgemeinen kann chemisch oder physikalisch erfolgen. Bei beiden Techniken wird Gas in den Prozess eingebracht, welches während des Formungsprozesses expandiert und so für Poren innerhalb des Kunststoffes sorgt. Beim chemischen Schäumen geschieht dies durch Zugabe eines Treibmittels in Form von Pulver oder Granulat. Während des Prozesses, wenn der Kunststoff aufschmilzt, zersetzt sich das Pulver unter Freisetzung gasförmiger Stoffe. Dieses Gas wird vom Kunststoff aufgenommen und expandiert während des Formungsprozesses, was in einer Schaumstruktur resultiert. Eine homogene Schaumstruktur bietet diverse Vorteile, was insbesondere bei grossen Platten eine Herausforderung darstellt. Entstehen während des Schäumungsprozesses grosse Blasen oder gar Lunker, führt dies zu Einbussen in der Steifigkeit. Zusätzlich sind grosse Löcher hinderlich bei der Weiterbearbeitung und bilden lokale Schwachstellen.
Das Schäumen des Mischkunststoffes erwies sich als besonders herausfordernd, da im Material einerseits Verunreinigungen wie beispielsweise Karton, Papier, Alu und Holz vorhanden sind. Diese Materialen sind nicht in der Lage, die Gase aufzunehmen und so aufzuschäumen. Daher agieren sie im Schäumungsprozess als Störstoffe und führen zu einer inhomogenen Schaumstruktur. Andererseits wird der Mischkunststoff nicht als Granulat, sondern in Form von kleinen Folienstücken geliefert, wodurch sich das physikalische Schäumen schwierig gestaltet, da das chemische Schäumungspotenzial aufgrund des ungünstigen Oberflächen-/Volumenverhältnisses stark herabgesetzt wird. Durch gezielte Massnahmen und geeignete Prozessparameter ist es nun möglich, einen ausreichend homogen geschäumten Kern zu fertigen.
Prozess
Die Sandwichplatten werden mit einem eigens für UpBoards entwickelten Prozess in der Produktionshalle in Gretzenbach SO gefertigt, wobei die extern gefertigten Deckschichten in das Werkzeug eingelegt werden. Die Sandwichplatten werden mit einem energetisch effizienten Prozess hergestellt. Der Mischkunststoff wird aufgeschmolzen und zwischen die Deckschichten gespritzt. Während des Füllprozesses schäumt der Mischkunststoff auf.
Am Ende des Prozesses müssen die Platten gleichmässig abgekühlt werden, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Um die Prozesszeit zu reduzieren, soll zukünftig ein Wechselwerkzeug verwendet werden. Dies ermöglicht ein kontrolliertes Abkühlen, ohne den Prozess zu blockieren, so dass der Durchsatz deutlich gesteigert werden kann.
Während der Entwicklung des Prozesses tauchten immer wieder Herausforderungen auf, wie beispielsweise Bauteilverzug, Haftung der Deckschicht am Werkzeug beziehungsweise am Kern, Temperaturregelung, Schäumen über die ganze Füllstrecke oder Abdichtung. Dabei spielt das Materialverhalten des Kerns eine grosse Rolle, insbesondere weil die Qualität des verwendeten Mischkunststoffs aufgrund schwankender Zusammensetzung der Fraktionen teilweise stark variiert. Die anspruchsvolle Verarbeitung dieser Restfraktion des Mischkunststoffes ist das eigentliche Know-how der Firma UpBoards. Daher galt es, einen stabilen Prozess, welcher mit grossen Materialschwankungen zurechtkommt, zu entwickeln. Dies gelang mit diversen Versuchen und mit unterstützenden Simulationen in einem kleinen Massstab (1.2 x 0.6 m2). Das Upscaling auf Platten der Grösse 2.44 x 1.22 m2 ist nun auf der Zielgeraden.
Anwendungen
Recyclingplatten aus Mischkunststoffabfall können als Ersatz für bestehende Neukunststoff-, Holz- oder Metallplatten, zur Sortimentserweiterung im Handel oder für die Erhöhung der eigenen Recyclingquote im Unternehmen eingesetzt werden. Die Platten sind vielseitig einsetzbar unter anderem als Bau-, Möbel- und Gartenbauplatten, in der Logistik (Heckdeckel, Unterböden), als Abschrankungen oder in der Kommunikationsbranche (Displays). Als einzigartiger Zusatznutzen tragen sie zudem zur Abfall- und CO₂-Reduktion bei. Ideal für alle Unternehmen, welche Nachhaltigkeit nicht nur kommunizieren, sondern leben.
Ausblick
Um das Sortiment von UpBoards GmbH zu erweitern, soll die Entwicklung weiter vorangetrieben werden. Einerseits soll durch Prozess- und Materialanpassungen der E-Modul der Platten weiter erhöht werden, so dass die Steifigkeiten für breitere Anwendungen mit höheren mechanischen Anforderungen ausreichen. Eine breitere Auswahl an Materialkombinationen in der Deckschicht soll zudem das Anwendungsprofil der Platten steigern. Andererseits soll die Schaumqualität noch optimiert werden, so dass bei gleichbleibender Steifigkeit das Gewicht der Platten weiter reduziert werden kann.
Swiss Plastics Expo
Die Firma UpBoards GmbH sowie auch die FHNW nehmen an der Swiss Plastics Expo 2023 vom 17.1.-19.1.2023 teil.
Kontakt
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Institut für Kunststofftechnik, IKT
CH-5210 Windisch
stephanie.wegmann@fhnw.ch
philipp.krzikalla@fhnw.ch
christian.rytka@fhnw.ch
www.fhnw.ch