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Werkstoffe – Verarbeitung – Anwendung

PLA – ein Kunststoff mit Potenzial

Trotz seiner ökologischen Grenzen hat Kunststoff als Werkstoff grosses Zukunftspotenzial – vor allem hinsichtlich Lösungen, die auf erneuerbaren Rohstoffen und Kreislaufwirtschaft basieren. Ein Beispiel dafür ist die Polymilchsäure (PLA), ein nachhaltiger Biokunststoff, der weltweit produziert wird.
Dr. Torsten Wintergerste
Torsten Wintergerste: "PLA-Kunden erhalten die volle Kontrolle über die technischen Eigenschaften ihrer Biokunststoffe." (Bilder: Sulzer Chemtech)

Trotz seiner ökologischen Grenzen hat Kunststoff als Werkstoff grosses Zukunftspotenzial – vor allem hinsichtlich Lösungen, die auf erneuerbaren Rohstoffen und Kreislaufwirtschaft basieren. Ein Beispiel dafür ist die Polymilchsäure (PLA), ein nachhaltiger Biokunststoff, der weltweit produziert wird.

Autor: Dr. Torsten Wintergerste, Divisionsleiter Chemtech

Kunststoffe haben in den letzten 60 Jahren eine aussergewöhnliche Entwicklung durchgemacht und kommen heute fast überall als Werkstoffe zur Anwendung. Von Konsumgütern über Verpackungen bis hin zu Kunst und Medizin – Kunststoffe sind allgegenwärtig. Und punkto Anpassungsfähigkeit und Kosten kann kein anderer Werkstoff mithalten.

Diese Vorteile sind jedoch mit nicht zu vernachlässigenden Nachteilen für die Umwelt verbunden. Kunststoffe werden traditionell aus Chemikalien auf Basis fossiler Brennstoffe hergestellt, also aus nicht erneuerbaren Rohstoffen. Wenn sie nicht gesammelt und rezykliert werden, kann es 20 bis 500 Jahre dauern, bis die Zersetzungsprozesse abgeschlossen sind. In dieser Zeit kommt es zu einer Anhäufung von Abfällen und es können unerwünschte Stoffe austreten, mit desaströsen Folgen für die Umwelt. So gelangen beispielsweise jedes Jahr mindestens 14 Millionen Tonnen Plastikabfälle in die Ozeane – das sind nahezu 80 Prozent der gesamten Abfallmenge im Meer, vom Treibgut an der Oberfläche bis zu den Ablagerungen am Meeresboden.

Der Biokunststoff PLA kommt weltweit zunehmend zum Einsatz.

Auch die Schweiz leidet unter Plastikabfällen

Aber nicht nur die Ozeane sind von den Plastikabfällen betroffen, sondern auch die Schweiz. Grundwasser ist eine sehr wichtige einheimische Ressource und zugleich zentrales Element des natürlichen Wasserkreislaufs. In der Schweiz werden 80 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen, und das Grundwasser ist verschmutzt. Gemäss der Nationalen Grundwasserbeobachtung Naqua – dem gemeinsamen Monitoringprogramm von Bund und Kantonen – sind Mikroverunreinigungen besonders gravierend. Diese organischen Spurenstoffe gelangen unter anderem in Form von Mikroplastik oder anderen synthetischen Substanzen ins Grundwasser, das sich nur sehr langsam regenerieren kann.

Für die Verschmutzung verantwortlich sind von Petrochemie über Landwirtschaft bis zu Haushalten praktisch alle Teilnehmer des Wirtschaftssystems. Die teilweise hochgiftigen Substanzen fliessen mit dem Abwasser in die Kläranlagen. Im Gegensatz zu Schadstoffen natürlicher Herkunft können synthetische Substanzen in den Klärbecken jedoch nur ungenügend abgebaut werden, und sie gelangen wieder in die Flüsse und Seen, also ins Grundwasser.

Es ist von grösster Wichtigkeit, Plastikabfall zu begrenzen, einzusammeln und wenn möglich wiederzuverwenden und in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Kreislaufwirtschaft ist so wichtig, weil sie Umwelt-, Klima- und Wirtschaftsprobleme gleichzeitig adressiert und verantwortungsvoll mit knappen Ressourcen umgeht. Darüber hinaus ist die Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Hebel für Wachstum und Wohlstand und reduziert die Abhängigkeit von Rohstoffimporten. Es wird nur eine nachhaltige und prosperierende Zukunft geben, wenn wir unsere Wirtschaft in ein saubereres Modell überführen. Gemäss dem Circularity Gap Report 2021 werden weltweit aber erst 8,6 Prozent der Rohstoffe in den Kreislauf zurückgeführt – der Handlungsbedarf ist also enorm gross.

Neue Technologien und neue Kooperationen

Im Kunststoffbereich können zukunftsweisende Technologien zu neuen Lösungen führen und die Kreislaufwirtschaft fördern. Innovative Strategien für chemisches Recycling, die beispielsweise die Entgasungstechnologie beinhalten, erschliessen neue Recyclingmöglichkeiten für herkömmliche Kunststoffe. Es gibt Verfahren, um aus wiederverwertetem Polyethylenterephthalat (PET) hochwertige Schaumstoffe herzustellen, die die Eigenschaften von Neukunststoffen erreichen. Dies ist ein entscheidender Schritt hin zur Wiederverwendung von erstklassigen Rohstoffen, sodass innovative Materialkreisläufe entstehen können – und er trägt dazu bei, die Verringerung der Umweltverschmutzung zu beschleunigen und die Akzeptanz von Produkten zu erhöhen, die aus rezyklierten Polymeren hergestellt werden.

Traditionelle Kunststoffhersteller können diese Entwicklungen nicht nur mit neuen Produktionstechnologien vorantreiben, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit Universitäten, Umweltorganisationen und Startups. Das 2019 gegründete Basler Unternehmen Tide Ocean AG, zum Beispiel, entwickelt zusammen mit der Fachhochschule Ostschweiz und einer Chemiefirma Lösungen für das Recycling von Plastikabfällen aus dem Meer; die Anforderungen an die zukünftigen Produkte werden schon während des Recyclingprozesses berücksichtigt. Ein zentraler Bestandteil der Strategie von Ocean Tide ist auch der Auf- und Ausbau eines globalen Netzwerks. Das Unternehmen hat die volle Kontrolle über seine Lieferkette: vom Fischer, der auf einer Insel Plastikabfall einsammelt, bis zu den Marken, die das nachhaltige, rezyklierte Material von Ocean Tide verwenden.

Vielseitige Anwendung von Biokunststoffen

Auf technologischer Seite bieten zudem nachhaltigere und zugleich hochleistungsfähige Polymere neue Alternativen ohne Qualitätsverlust. Am beliebtesten ist PLA, ein Kunststoff, der aus pflanzlichem Zucker – also einem nachwachsenden Rohstoff – hergestellt wird. Er ist kreislauffähig, denn er ist biologisch abbaubar, kompostierbar und rezyklierbar.

Der einzigartige Biokunststoff PLA kommt weltweit zunehmend zum Einsatz, da zu seiner Herstellung eine ungewöhnliche chemische Reaktion genutzt wird: die Ringöffnungspolymerisation. Dieser Prozess ermöglicht die Produktion sehr robuster Werkstoffe, deren Eigenschaften sich auf einfache Art und Weise an unterschiedliche An- und Verwendungen anpassen lassen. Unter anderem ist die Kompostierbarkeit von PLA veränderbar, sodass Produkte mit langer Nutzungsdauer besonders widerstandsfähig oder solche für Einweganwendungen leicht abbaubar sind. Anwendungsbereiche von PLA sind Verpackungen, Konsumgüter, 3D-Druck, Fasern und Automobilindustrieprodukte.

PLA-Produktionsanlage der neusten technischen Generation.

Dadurch wird der Kunststoffkreislauf revolutioniert und ein Problem gelöst, mit dem die Kunststoffindustrie jahrzehntelang zu kämpfen hatte. PLA-Kunden erhalten die volle Kontrolle über die technischen Eigenschaften ihrer Biokunststoffe sowie ihre Verwendungsart und Abbaubarkeit. Unternehmen können somit eine grosse Bandbreite an wettbewerbs- und vollständig kreislauffähigen Produkten für die verschiedensten Branchen herstellen und ihre Marktposition stärken.

Verantwortungsvolle Unternehmen treiben Kreislaufwirtschaft voran

Das marktführende Biotechnologieunternehmen Corbion nutzt zum Beispiel eine PLA-Produktionsanlage der neusten technischen Generation. Total Corbion (JV) kann mit dieser Anlage jedes Jahr rund 75 000 Tonnen nachhaltige Biokunststoffe produzieren. NatureWorks, ein weltweit führender Hersteller von PLA mit günstiger CO2-Bilanz, beabsichtigt mit dem Bau einer neuen Produktionsstätte zur Herstellung von PLA und seinen Zwischenprodukten, dem wachsenden Bedarf an Biokunststoffen rund um den Globus gerecht zu werden. Standort der neuen Anlage, die eine Kapazität von rund 75 000 Tonnen jährlich haben soll, ist der Nakhon Sawan Biocomplex in Thailand.

Schlüsselkomponenten dieser Anlage sind unter anderem die Prozesse für die Lactid- und PLA-Produktion, das heisst, Lactid und Lactid-Zwischenprodukte können mit der Technologie der Anlage in extrem hochwertiger Qualität hergestellt und die erzeugten Kunststoffe noch vielseitiger verwendet werden.

Diese neuen Technologien tragen nicht nur dazu bei, dass Biotechnologie- und andere Unternehmen nachhaltige Produkte herstellen und somit Wettbewerbsvorteile erzielen können – sie führen auch zu einer Stärkung der erwünschten Kreislaufwirtschaft.

www.sulzer.com

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