Vom 22. bis 25. Juni 2022 fanden nach über zwei Jahren Corona-Pause wieder die Arburg Technologie-Tage statt. Über 3700 Besucher aus 39 Ländern kamen in die deutsche Firmenzentrale nach Lossburg. Unter dem Titel „Denkfabrik“ erwartete sie unter anderem rund 50 Maschinen-Exponate, die Effizienz-Arena mit Schwerpunkten zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit, Service-Lösungen und spannende Expertenvorträge.
Unter dem Technologie-Tage-Titel „Denkfabrik“ trat Arburg mit zahlreichen Praxisbeispielen den Beweis an, dass das Unternehmen nicht wartet, bis Themen aktuell werden, sondern Vorreiter ist und frühzeitig zukunftsfähige Lösungen bietet. Das war an jeder Ecke zu spüren. Sei es in Gesprächen im Rahmen der vielen Anwendungen und Exponate, die live z. B. die „smarte“ Spritzgiessverarbeitung von Rezyklaten sowie Bio-Kunststoffen demonstrierten, über das Kundenportal „arburgXworld“ oder bei der Präsentation der Gestica-Steuerung mit ihren digitalen Assistenten wie dem „aXw Control FillAssist“, der in Kooperation mit dem Partner Simcon weiterentwickelt wurde, um die Füllsimulation weiter zu systematisieren und zu automatisieren. Der nächste Schritt folgt zur K 2022.
Auch für „alte Hasen“ war viel Neues zu entdecken: Erstmals waren die Schwesterfirmen AMKmotion und InnovatiQ mit Lösungen für die Antriebstechnik respektive additive Fertigung präsent. Ein digitales Highlight war das brandneue 5G-Campus-Netz, das Arburg als Pilotkunde der Deutschen Telekom auf den Technologie-Tagen 2022 im Kundencenter für die vernetzte Fertigung in der Kunststoffverarbeitung nutzte. Fachvorträge im neuen Schulungscenter sowie die über das ganze Unternehmen verteilten Exponate und Ausstellungsbereiche deckten gefragte Themen wie Turnkey, Medizintechnik, additive Fertigung und Service ab.
Digitalisierung und Circular Economy im Fokus
Auf grosse Resonanz stiess die Effizienz-Arena, wo rund 20 Experten von Arburg und Partnern zu allen Themen rund um „arburgGREENworld“ und „arburgXworld“ informierten. Die Schwerpunkte an den insgesamt neun Stationen lagen auf innovativen Lösungen für Ressourcenschonung und Digitalisierung entlang der gesamten Spritzgiess-Wertschöpfungskette.
Die Besucher erfuhren bei der Fertigung sortenrein trennbarer Becher, ein Praxisbeispiel der Initiative R-Cycle, Wissenswertes zu den Schwerpunkten Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung. Ein Überblick über das gesamte Spektrum, das Arburg diesbezüglich bietet, war in zwei neuen, fest installierten Räumen zu sehen: In der „arburgGREENworld“ verarbeitete ein hybrider Allrounder 370 H Post-Industrial-Rezyklat (PIR), das aus technischen Textilien (Airbags) stammte. Dazu war die Maschine mit dem neuen Rezyklat-Paket von Arburg ausgestattet.
Im Bereich „arburgXworld“ wurden vielfältige Möglichkeiten aufgezeigt, die Produktion dank Digitalisierung effizienter, transparenter und nachhaltiger zu gestalten. Dort wurden auch die „smarten“ Gestica-Funktionen und das Arburg Leitrechnersystem ALS präsentiert.
Ressourcenschonende „grüne“ Anwendungen
Als innovative Lösungen für „intelligentes“ Markieren und sortenreines Sortieren, eine Voraussetzung für eine geschlossene Kreislaufwirtschaft, wurde z. B. die HolyGrail-Technologie präsentiert, mit der sich ein digitaler Produktpass mit recycling-relevanten Informationen direkt auf dem Kunststoffteil hinterlegen lässt. Ein Praxisbeispiel waren 5-Liter-Eimer aus Post-Consumer-Rezyklat (PCR), gefertigt von einem hybriden Allrounder 820 H in Packaging-Ausführung, in nur rund fünf Sekunden Zykluszeit. Durch eine ausgeklügelte „Rippenstruktur“ der Seitenwände lassen sich bis zu 18 Prozent Material einsparen.
5G – Schlüsseltechnologie für Smartfactory
Arburg hat ein Pilotprojekt gestartet, um Maschinen über 5G kabellos zu vernetzen. Herkömmlich tauschen Anlagen in einer solchen Smartfactory ihre Prozessdaten über LAN-Kabel aus. Wo das nicht möglich oder schwierig umzusetzen ist, bietet sich eine kabellose Verbindung an. Stephan Reich, Bereichsleiter IT Digital Solutions, erklärt: „Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Daten in Echtzeit verfügbar sind. 5G eignet sich hervorragend, weil der neue Mobilfunkstandard für schnelle Verbindungen mit geringen Latenzzeiten zwischen 1 und 3 ms ausgelegt ist, also Echtzeitkommunikation ermöglicht.“
Die Telekom hat das Arburg Kundencenter hierzu mit sechs speziellen Inhouse-Antennen ausgestattet, über die das Arburg IIoT-Gateway mit speziellen SIM Karten in einem privaten Netz kommuniziert und die Daten der Maschine an Cloud Connectivity Services oder beispielsweise an das Leitrechnersystem von Arburg überträgt.
„Unser Campus Netz wird 5G-Non-Standalone im 3,6 GHz-Frequenzbereich betrieben und vereint die Stärken von privatem und öffentlichem 5G Netz“, sagt Reich.
Über den Arburg Remote Service, können die Spezialisten per VPN-Verbindung auf die Maschine zugreifen und aus der Ferne Unterstützung bieten.
tm
Die Herstellung nachhaltiger Mehrweg-Becher aus geschäumten PP demonstrierte ein hydraulischer Allrounder 470 S, ausgestattet mit einem MuCell-Paket. Der Clou dieser Anwendung der Firma Bockatech: Das Material wird sowohl chemisch als auch physikalisch mit Gas angereichert und schäumt nach dem Einspritzen direkt im geöffneten Werkzeug auf. Das spart Material und Zykluszeit. Die mikrozellulären Strukturen sorgen für eine Gewichtsreduzierung von bis zu 50 Prozent und wirken zudem isolierend. Die Wandstärke beträgt geschäumt 2,0 statt kompakt 0,7 Millimeter. Den passenden Greifer für das handhabende Robot-System Multilift Select hatte zuvor ein Freeformer additiv gefertigt. Die Greiffunktion mit Luftführung wurde dabei in das Bauteil integriert, ganz ohne zusätzliche Pneumatik-Antriebe oder Ventile.
Ein PP-Compound mit bis zu 70 Prozent Sonnenblumenschalen als Füll- und Verstärkungsstoff verarbeitete ein hybrider Allrounder 920 H zu Getränkekisten, während ein hydraulischer Allrounder 320 C Golden Edition im Papier-Spritzgiessen Lochscheiben produzierte, mit denen Stroh-Isolierungen auf Lehmwände befestigt werden können.
Maschine kommuniziert mit Werkzeug
Eine neue Lösung für die Kommunikation zwischen Werkzeug und Maschine präsentierte Arburg gemeinsam mit dem Partner Hack mit einem hybriden „Packaging“-Allrounder 630 H in Reinraumausführung, der transparente Blutröhrchen aus bruchsicherem PET fertigte. In das 32-fach-Werkzeug war das Computersystem „Moldlife Sense“ integriert, das den kompletten Lebenszyklus überwacht und ein Monitoring ermöglicht. Die Daten werden über eine OPC-UA-Schnittstelle direkt an die Maschinen-Steuerung weitergegeben. Auf diese Weise können z. B. Störungen sowie leistungsabhängige Wartungsintervalle für das Werkzeug angezeigt werden.
LSR-Dosieranlage in Maschinensteuerung integriert
Die Digitalisierung bietet auch in der LSR-Verarbeitung praktischen Nutzen: Über OPC UA und die Euromap-Schnittstelle 82.3 können Dosieranlagen in die Allrounder-Steuerung integriert werden. Auf den Technologie-Tagen 2022 verfügten drei LSR-Exponate über eine solche OPC-UA-Anbindung: Drei Allrounder waren mit LSR-Dosieranlagen von Elmet, Nexus und Reinhardt Technik ausgestattet und fertigten Lichtleiter für die Automobilindustrie, sogenannte „Needle Free Valves“ für die Infusionstherapie sowie geschäumte Zehenpolster.
Markierungslose Teilerückverfolgung
Zusammen mit dem Start-up Detagto demonstrierte Arburg mit einem hydraulischen Allrounder 470 A eine neue Lösung, Spritzteile mittels „invisible tracing“ markierungslos rückzuverfolgen – zuverlässig, fälschungssicher und mit geringem Aufwand: Es genügt eine kleine Kamerastation in bzw. an der Maschine, ein kleiner Server ausserhalb oder in der Cloud sowie eine zweite Kamerastation zur Wiedererkennung. Die Bilddaten der abfotografierten Oberfläche, die wie ein Fingerabdruck für jedes Bauteil minimal anders aussieht, werden in eine speicherbare Zeichenkette umgewandelt und an eine Datenbank übergeben. So lässt sich später jedes Bauteil eindeutig identifizieren.
Spannende Turnkey-Anlagen
Auf den Technologie-Tagen waren zudem einige spannende Fertigungszellen zu sehen, die Arburg aktuell mit Kunden realisiert. Ein Highlight war eine Fertigungszelle mit einer Drehtischmaschine, bei der gleich zwei Roboter koordiniert ins Werkzeug eingreifen. Eine weitere vollautomatisierte Turnkey-Anlage rund um einen elektrischen Allrounder war so konzipiert, dass sie fast 90 verschiedene Produktvarianten fertigen kann. Hierbei wurde besonderen Wert auf kurze Rüstzeiten gelegt. Gezeigt wurde weiterhin, wie sich 16 sehr filigrane Kontakte aus Schüttgut vereinzeln und in das Werkzeug einlegen lassen sowie ein Beispiel, wie man mit der Behälterbevorratung effizient in die automatisierte Kunststoffteilefertigung einsteigen kann.
Additive Fertigung mit dem Freeformer
Im Arburg Prototyping Center (APC) im Kundencenter erfuhren die Besucher alles rund um das Thema additive Fertigung. Experten zeigten, wie man mit dem AKF-Verfahren Mehrwert schaffen kann. Im APC verarbeiteten sechs Freeformer live verschiedenste Materialien, darunter PA10, PP, unterschiedliche TPU-Werkstoffe und Materialkombinationen davon.