Vor 30 Jahren haben visionäre Pioniere der Kunststoffindustrie, von Hochschulen und aus der Politik das Kunststoff Ausbildungs- und Technologie-Zentrum in Aarau gegründet. Aus diesem Anlass lädt das KATZ am 1. Juni 2023 zum Jubiläums-Symposium nach Aarau ein. Ein Grund für uns, mit Geschäftsführer Rémy Stoll über das KATZ und dessen Aufgaben in einer sich stark verändernden Bildungs- und Technologielandschaft zu sprechen.
Von Marianne Flury
Herr Stoll, wie ist das Umfeld des KATZ heute im Vergleich zu den Anfängen 1993?
Rémy Stoll: Die Kunststoffindustrie hat sich in dieser Zeitspanne massivst verändert. 1993 gab es beispielsweise erst wenige Kunststoffteile für Automobilanwendungen, heute sind Kunststoffe in vielen Bereichen der Karosserie und bei mechanischen Komponenten zum Standard geworden. Es war eine Zeit, bevor Lego in die Schweiz kam und auch wieder gegangen ist. Kunststoff-Fasern waren in der Textilindustrie bereits eingeführt und die ganze Europäische Kunststoffbranche war mitten in einer 50-jährigen Wachstumsphase.
Was bedeutet diese Veränderung für das KATZ?
Stoll: Kunststoff ist zur Normalität geworden. Es ist normal, dass man mit Kunststoff konstruiert und Kunststoffteile einsetzt. Für das KATZ bedeutet dies, dass es nicht nur um den Spritzgiesser geht, sondern die Spanne der Ansprechpartner breiter geworden ist. Man trifft sie in allen Branchen – im Maschinenbau, im Verpackungssektor, im Bau. Überall, wo Kunststoffe eingesetzt werden gibt es Leute, die mehr Fachkenntnisse benötigen, damit sie wissen, wo und wie Kunststoffe sinnvoll eingesetzt werden können. Und das sind genau die Leute, die wir ansprechen wollen.
Welchen Wandel hat das KATZ im Zuge dieser Veränderungen vollzogen?
Stoll: Die Aufgaben der Kunststofftechnologen haben sich verändert. Diesen Wandel gestalten wir aktiv mit und verändern uns dabei natürlich selber mit. Wir helfen die neuen Bildungspläne auszuarbeiten und setzen sie in der Folge um und wir nutzen neue Technologien. Das ist ein Wandel, der Schritt für Schritt vor sich geht und nicht von heute auf morgen. Da kommt stetig etwas dazu, etwas anderes fällt weg. So entwickeln wir uns weiter, zusammen mit den Firmen, die auch hinter dem KATZ stehen.
Können Sie ein Beispiel nennen, was weggefallen respektive neu dazu gekommen ist?
Stoll: In der Grundbildung wurde ein Grossteil der Metallbearbeitung durch Kunststoff- und Produktionsthemen ersetzt. Lernende sammeln bereits in den ersten Wochen der Lehre praktische Erfahrung in allen Verfahren der Kunststoffverarbeitung. Von Beginn weg wird der Fokus auf die Realisation kleiner Projekte gelegt. Damit wird die Ausbildung in einen Gesamtkontext gestellt. Verstärkt wurden Themen wie die Automation, die Materialprüfung, das Recycling, die Digitalisierung sowie die Reparatur und die Wartung.
Aktuell führen wir digitale Techniken in der Grundbildung ein. Bereits im ersten Lehrjahr nutzen die Lernenden digitale Fertigungstechniken und lösen damit einfache Programmier- und Automatisierungsaufgaben. Die Maschinensteuerungen von 1993 haben nicht mehr viel gemeinsam mit den Steuerungen unserer heutigen, modernen Maschinen. Mir scheint, dass heute in einer einzigen Spritzgiessmaschine mehr Computer- und Netzwerkkomponenten verbaut sind, als wir im ganzen KATZ ausserhalb der Maschinen benötigen.
Damit hat sich natürlich auch der Lehrplan der Kunststofftechnologen anpassen müssen.
Stoll: Ja, der Lehrplan hat sich insofern für die KunststofftechnologInnen stark verändert als dass diese mehr können müssen, mehr Zeit haben für Kunststoff. Der neue Kunststofftechnologe ist ein Generalist, der alle Verfahren vom Spritzguss, über die
Extrusion bis zu Verfahren der Verbundwerkstoffe erlernt. Er muss aber auch mit Spezialisten aus der Automation, der Datentechnik oder aus der Nachhaltigkeitsabteilung zusammenarbeiten können. Daraus ergeben sich die neuen Ausbildungsthemen. Im Betrieb hat er natürlich Schwerpunkte, das bleibt sich gleich, aber die Ausbildung ist wesentlich breiter gefasst. Das ist eine Herausforderung für das KATZ. Für uns bedeutet das, dass wir mehr Inhalte an weniger Kurstagen unterbringen müssen.
Was macht das KATZ heute, damit es in Zukunft wieder Schrittmacher und unverzichtbarer Bestandteil der Branche ist?
Stoll: Die Produktions-Technologie wird komplexer und vielfältiger. Das macht es für ein, im internationalen Vergleich kleines Technologiezentrum, schwieriger, mitzuhalten. Die steigende Komplexität der Produktionstechnologie bringt es mit sich, dass die Abstimmung der Spezialisten zu einer zentralen Aufgabe wird. Hier kann das KATZ von seiner Erfahrung als Technologie- und Ausbildungszentrum profitieren. Wenn es darum geht, die richtigen Technologien zusammen zu führen, sind weniger die Spezialisten der Spitzentechnologie gefragt als die Praktiker, welche die Spitzentechnologie zur Anwendung bringen. Ich denke der Netzwerkgedanke ist sehr stark verankert im KATZ und das schon von Beginn weg. Man versucht die Verarbeiter zusammenzubringen, aber auch Anbieter von Maschinen und Technologien. Dass das KATZ diesen Anspruch erfüllen kann ist für mich ein ganz wichtiger Faktor.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der FH Windisch?
Stoll: Seit der Gründung ist die Zusammenarbeit mit der FHNW, wie auch mit Kunststoff.swiss von zentraler Bedeutung. So wie sich die Fachhochschule in Windisch über die Jahre weiterentwickelt hat, hat sich auch die Zusammenarbeit im KATZ über die Jahre verändert. Aus der FH Aargau ist die Hochschule für Technik der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW geworden. Die markanteste Veränderung in der Zusammenarbeit ist, dass das KATZ seit 2020 nicht mehr von einem Professor der FHNW geleitet wird. Was bleibt ist die enge Zusammenarbeit: Wir teilen uns Maschinen und Flächen und schauen, dass wir gemeinsam Technologien weiterbringen können. Während die FH ihren Schwerpunkt auf der Ausbildung von Studierenden hat, nutzen wir die Nähe zu den Unternehmen für praxisorientierte Weiterbildungen und für einen niederschwelligen Technologietransfer.
Was bedeutet das Jubiläum für Sie?
Stoll: Das Jubiläum macht deutlich, dass es ganz viele Personen und Firmen gibt, die mitgearbeitet und das KATZ über die letzten 30 Jahre mitgeprägt haben. Sie haben an Kursen teilgenommen, haben Kurse gestaltet, ehrenamtliche Funktionen übernommen oder Maschinen zur Verfügung gestellt. Alle diese Leute haben einen enormen Beitrag zum Gedeihen des KATZ geleistet. Ich denke, bei einem 30-Jahr-Jubiläum darf man auch mal zurückschauen und sich darüber freuen, dass es gelungen ist, das KATZ zu gründen, es 30 Jahre lang zu betreiben, so zu betreiben, dass es jetzt immer noch aktuell und flexibel ist und den Weg in die Zukunft geht. Das ist schön zu sehen.
Werfen wir doch noch einen Blick nach vorn. Wo sollte das KATZ Ihrer Meinung nach in 10 Jahren stehen?
Stoll: Das KATZ wird sich mit den Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, weiterentwickeln. Es wird die Schritte in die
Digitalisierung und die Automatisierung mitgehen. Das sind zwei grosse Stossrichtungen. Aber auch die Thematik rund um
die Kreislaufwirtschaft ist ein Schwerpunktthema. Es braucht gute Leute, um die aktuellen Nachhaltigkeitsforderungen der Gesellschaft bei unverändertem Wohlstand realisieren zu können. Die guten Leute findet man dann, wenn ein Thema interessant ist. Insofern möchten wir auch dort einen Beitrag leisten, indem wir die spannenden Aspekte von Kunststoffthemen aufzeigen, damit sich auch die guten und richtigen Leute um die Probleme kümmern können.
Was ist Ihr Wunsch an die Jubilarin?
Stoll: Das Wichtigste ist, dass das KATZ agil bleibt und eine lebendige Interaktion mit den Mitgliederfirmen stattfindet. Das ist das, was es braucht und ohne das funktioniert weder die Ausbildung noch der Technologietransfer. Das KATZ ist ein Verein. Da braucht es Unternehmen, die sich engagieren, Personen, die mitmachen und Freude daran haben. Das soll auch weiterhin so sein: Mitmachen, mitgestalten und mittragen, das ist mein grösster Wunsch für das KATZ.
Persönlich wünsche ich mir, dass unsere KursteilnehmerInnen die praxisorientierten Innovationstreiber in einer lebendigen Industrie auf internationalem Top-Niveau sind. Der Rest kommt dann von selbst.
«Das KATZ lebt von Unternehmen, die sich
engagieren, von Personen, die
mitmachen und Freude daran haben.»
Wie ist das Engagement des Fördervereins heute?
Stoll: In den Krisenjahren (2019-2021) hat der Verein zusammen mit dem ganzen KATZ gelitten. Eine Krise ist jedoch immer eine Chance, sich neu aufzustellen. Sehr beeindruckt bin ich von der ausserordentlichen Treue der Mitglieder und der Gründerorganisationen FHNW und Kunststoff.swiss. Ihre Sonderbeiträge haben es dem KATZ ermöglicht, neu aufgestellt aus der Krise zu kommen. Das Engagement der Mitglieder spüren wir an der Teilnahme an unseren Kursen, an Projekten mit Unternehmen und Hochschulen oder bei der Umsetzung der neuen Bildungspläne mit Kunststoff.swiss. Neue Firmen und Unternehmen kommen auf uns zu, um sich als Mitglieder aktiv in den Verein einzubringen. Wir arbeiten auch mit vielen Unternehmen zusammen, die sich nicht zur Kunststoffbranche zählen würden. Für sie erfüllen Kunststoffprodukte wichtige Funktionen, sei es z.B. im Präzisionsmaschinenbau oder in der Pharmaindustrie. Hier liegt ein grosses Potenzial zur Erweiterung des KATZ Netzwerks. Für die Erfüllung dieser hohen Anforderungen braucht es fähige Fachkräfte und einen Technologietransfer quer durch die Branchen. In beiden Bereichen ist das KATZ seit 30 Jahren aktiv.
Glückwunsch zum Jubiläum
Einer der Gründerväter und engagierter Kämpfer für das KATZ ist Prof. em. Dr. Wolfgang Kaiser, der an dieser Stelle dem Institut seine Glückwünsche entbietet:
«Das KATZ als Kunststoff Ausbildungs- und Technologie-Zentrum steht nach wie vor auf Platz eins in seiner Bedeutung für die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der schweizerischen Kunststoffindustrie. Überdies hilft es mit seiner Fachkompetenz im Technologiebereich vor allem Firmen bei der erfolgreichen Realisierung von Entwicklungs- und Forschungsprojekten.
Dass dies auch weiterhin so bleibt, ist mein vordringlichster Wunsch für die nächsten 30 Jahre. Dazu wünsche ich dem KATZ das Glück des Tüchtigen und in Anspielung auf ’die KATZ’ ein siebenfaches Leben!»
Wolfgang Kaiser
Das Jubiläums-Symposium findet am 1. Juni 2023 im KATZ in Aarau statt. Namhafte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft
werden u. a. zum Thema ‘Zukunft und Chancen der nachhaltigen Kunststoffproduktion in der Schweiz’ referieren, respektive der Jubilarin ihre Grussbotschaft überbringen.
Kontakt
KATZ Kunststoff-Ausbildungs- und Technologie-Zentrum
CH-5000 Aarau
www.katz.ch